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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Volker Röben


IX. Asylrecht

1. Politische Verfolgung

a) Begriff

       47. Der Hessische VGH entschied mit Urteil vom 15.12.1995 (123 UE 1794/93 - ESVGH 46 [1996], 157) im Falle eines iranischen Staatsangehörigen, daß dieser als Asylberechtigter anzuerkennen war, weil ihm wegen seiner - auch für das Asylgrundrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG beachtlichen - exilpolitischen Betätigung innerhalb der monarchistischen Opposition gegen das iranische Regime bei Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung drohte. Eine feste politische Überzeugung i.S.v. § 28 Satz 1 AsylVfG als Voraussetzung für die Beachtlichkeit einer späteren exilpolitischen Betätigung als Nachfluchttatbestand sei dann anzuerkennen, wenn das Verhalten des Ausländers in seiner Heimat Ausdruck einer gefestigten, über lange Zeit bis zur Ausreise gleichbleibenden Einstellung, nicht aber Ausdruck einer schwankenden oder opportunistischen Haltung sei. Die erkennbare Betätigung einer festen politischen Überzeugung durch den Ausländer bedürfe, um gem. § 28 Satz 1 AsylVfG Berücksichtigung zu finden, keiner besonderen Qualität der politischen Tätigkeit des Ausländers in seinem Heimatland. Auch ein Engagement von untergeordneter Bedeutung oder sonstige Verhaltensweisen des Ausländers können zu berücksichtigen sein, wenn hieraus eine feste Überzeugung deutlich werde.

       48. Das Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.10.1995 (9 C 75.95 - InfAuslR 1996, 225) hatte über die sog. Aussperrung als politische Verfolgung zu entscheiden. Die Kläger, in Beirut geborene Ashuriten, beantragten in der Bundesrepublik Asyl. Klage und Rechtsmittel gegen die ablehnende Verwaltungsentscheidung blieben ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht prüfte die politische Verfolgung mit Blick auf die Aussperrung der Kläger aus dem Libanon. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seien die Kläger staatenlos. Dies beruhe darauf, daß die Eltern der Kläger im Jahre 1993 als Staatenlose aus dem Irak in den Libanon geflohen seien und die dort geborenen Kläger wegen der restriktiven Handhabung des Fremdstaatsangehörigkeitsrechts durch die libanesischen Behörden trotz der vom Wortlaut her günstigen Regelung in Art. 1 der libanesischen Staatsangehörigkeitsverordnung von 1925 nicht libanesische Staatsangehörige geworden seien. Somit komme es darauf an, ob der Libanon den Klägern als Staatenlosen die Wiedereinreise aus asylerheblichen Gründen verweigere. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, daß Aussperrungen und Ausgrenzungen in der Gestalt von Rückkehrverweigerungen politische Verfolgung darstellen könnten, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale des Betroffenen erfolgten. Bei Staatenlosen liege es demgegenüber nahe, daß eine solche Maßnahme auf anderen als asylrelevanten Gründen beruhe, weil beispielsweise der Staat ein Interesse daran habe, die durch den Aufenthalt entstehenden wirtschaftlichen Belastungen zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit durch potentielle Unruhestifter vorzubeugen, oder weil er keine Veranlassung sehe, Staatenlose, die freiwillig das Land verlassen hätten, wieder aufzunehmen. Diesbezüglich habe das Berufungsgericht festgestellt, daß sich die Aussperrung nicht auf das Volkstum oder die Religion der Kläger beziehe. Zwar sei es unter Berücksichtigung des Schreibens des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen vom 29.10.1990 und in Würdigung der Äußerungen des libanesischen Staatspräsidenten für die Kläger von vornherein aussichtslos, Einreise in den Libanon zu versuchen. So bestehe die libanesische Regierung etwa in völkerrechtlich nicht zu beanstandender Hinsicht beispielsweise auf der Rückkehr der 50.000 palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat. Dieser Hintergrund lasse keine asylrechtliche Zweckrichtung erkennen. Die übrige geltend gemachte Lage der Kläger sei allgemeiner Natur und nicht individualisiert.