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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2002

IX. Aktivitäten im Wissenstransfer

I. Teilnahme an der XXV. Antarktisvertragsstaatenkonferenz in Warschau

Als Rechtsberaterin der deutschen Delegation des Auswärtigen Amtes nahm Dr. Silja Vöneky auch dieses Jahr an der Vertragsstaatenkonferenz der Parteien des Antarktisvertrages teil, die vom 10. bis 20. September in Warschau stattfand. Schwerpunkte der Beratungen waren in diesem Jahr die Modalitäten der Errichtung eines Sekretariats und die Verhandlungen des Haftungsannex zum Umweltprotokoll des Antarktisvertrages.

Nachdem sich die Vertragsparteien bereits 1992 darauf geeinigt hatten, ein Sekretariat zu errichten, und auf der ATCM 2001 in St. Petersburg Buenos Aires als Sitz des Sekretariats bestimmt wurde, sollten dieses Mal die Modalitäten der Errichtung und die rechtliche Ausgestaltung verhandelt werden. In der Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Francioni aus Italien herrschte Übereinstimmung unter den Vertragsparteien darüber, daß - neben dem Sitzstaatenabkommen - ein zweistufiges Verfahren für die Errichtung des Sekretariats erforderlich ist. Zum einen müsse eine von den Parteien zu ratifizierende Maßnahme (>measure) für die endgültige Errichtung des Sekretariats von den Konsultativstaaten beschlossen werden; bis zur Wirksamkeit der Maßnahme soll das Sekretariat auf der Grundlage einer Entscheidung (>decision) seine Arbeit aufnehmen. In dieser Zwischenzeit können nur auf freiwilliger Basis Beiträge entrichtet werden. Konsens bestand auch darüber, daß alle drei Instrumente - die Entscheidung, die Maßnahme und das Sitzstaatenabkommen - von den Vertragsparteien als ein "Paket" angenommen werden sollen. Weiter war nicht umstritten, daß das Sekretariat als Organ der ATCM handeln und daß es nach argentinischem Recht Rechtspersönlichkeit besitzen soll. Umstritten blieb aber, ob dem Sekretariat weitergehende Rechtspersönlichkeit insbesondere Völkerrechtspersönlichkeit verliehen werden sollte. Umstritten war auch die Frage der Reichweite der Privilegien und Immunitäten der Mitarbeiter des Sekretariats. Eine formelle Annahme des Wortlautes der>decision, der>measure und des Sitzstaatenabkommens scheiterte aber vor allem daran, daß der Finanzierungsmodus unter den Vertragsparteien umstritten war. Während die Industrieländer gleiche Beiträge von allen Konsultativstaaten als Grundlage forderten, wurde insbesondere von China, Brasilien, Rußland und Uruguay vertreten, daß die Finanzierung nach der Finanzkraft der Länder bzw. nach dem UN-Schlüssel oder nach dem Engagement in der Antarktis zu erfolgen habe. Insbesondere China machte eine Zustimmung zu dem "Gesamtpaket" von einer Einigung über die Finanzierung abhängig. Die in Warschau erzielte Übereinstimmung zu den obengenannten Punkten konnte daher nur in einem unverbindlichen>Chairman`s Report von Prof. Francioni festgehalten werden.

In Warschau wurden die Beratungen über einen Haftungsannex zum Umweltschutzprotokoll zum Antarktisvertrag fortgesetzt. Diskussionsgrundlage war diesmal der von dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe>Liability, Don Mac Kay aus Neuseeland, nach dem Treffen in St. Petersburg 2001 überarbeitete Entwurf eines Haftungsannexes. Kernregelung des Haftungsannexes bleibt auch hier die Haftung für denjenigen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur, der verpflichtet gewesen wäre, nach einem Umweltnotfall Gegenmaßnahmen zu ergreifen, und der dies unterlassen hat (Art. 6 i.V.m. Art. 5 des Entwurfs). Die von Deutschland vertretene Auffassung, daß ein solcher Haftungsannex nur ein erster Schritt in Richtung eines umfassenderen Haftungsregimes sein kann, wird weiterhin von einer Vielzahl von Delegationen geteilt (inbesondere Frankreich, Italien, Niederlande und Schweden). Die dagegen gerichteten Versuche der USA, die Haftung eng auf Schadensersatz für unterlassene Notfallmaßnahmen zu beschränken, werden von Japan, China, Rußland und Argentinien unterstützt. Es ist davon auszugehen, daß ein zukünftiger Haftungsannex grundsätzlich dem vom Vorsitzenden als "Kompromißvorschlag" vorgelegten Entwurf entsprechen wird.

Insgesamt konzentrierte sich die Diskussion - auf Vorschlag des Vorsitzenden und im Hinblick auf die begrenzte Zeit - auf die Frage des Anwendungsbereiches (Art. 1:>scope), den Begriff des>operator (Art. 2 c:>definitions) und die>actions for compensation (Art. 7). In diesen Bereichen konnten die abweichenden Ansichten der Staaten weiter geklärt und dargelegt werden. In bezug auf den Umfang des Anwendungsbereiches scheint die Einigung auf eine Kompromißformel, die den Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 (a) USP aufgreift, beim nächsten ATCM möglich. Über den Begriff>operator konnte bereits jetzt weitgehend Einigkeit erzielt werden; nicht mehr umstritten war diesbezüglich, daß auch>governmental operators erfaßt sind (die USA wiederholten ihre entgegengesetzte und noch in St. Petersburg mit Nachdruck vertretene Position nicht mehr). Nur eine Klärung der unterschiedlichen Positionen konnte dagegen im Hinblick auf Art. 7 des Annexes erreicht werden.

Im einzelnen kann zu den Verhandlungen zum Haftungsannex berichtet werden:

Einigung konnte in der Kontaktgruppe unter chilenischem Vorsitz und in der Arbeitsgruppe darüber erzielt werden, daß die in dem Entwurf des Vorsitzenden enthaltene Beschränkung auf>environmental emergencies zu eng ist und der Anwendungsbereich zusätzlich auf>measures and plans for preventing and responding to such emergencies ausgedehnt werden muß. Im wesentlichen konzentrierte sich die Diskussion weiter darauf, ob der Anwendungsbereich auf Aktivitäten beschränkt werden muß, die nach Art. VII (5) des Antarktisvertrages notifiziert werden müssen (so insbesondere die USA), oder ob im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 16 USP der Anwendungsbereich alle Aktivitäten erfassen muß, die auch vom USP erfaßt werden (so insbesondere Schweden und Italien). Weitgehende Unterstützung erhielt der vermittelnde Vorschlag der Niederlande, den Anwendungsbereich am Wortlaut des Art. 15 (1a) auszurichten. In diesem Fall wären zwar touristische Aktivitäten vom Annex umfaßt, nicht aber Fischereischiffe und Schiffe, die die Gewässer der Antarktis nur durchqueren. Ob diese jedoch vom Anwendungsbereich des Annexes ausgeschlossen bleiben sollen, blieb umstritten. Einigkeit scheint jedoch darüber zu bestehen, daß touristische Aktivitäten in jedem Fall dem Anwendungsbereich unterfallen sollen (so auch die USA).

In der Kontaktgruppe unter australischem Vorsitz und in der Arbeitsgruppe selbst wurden keine Vorbehalte dagegen vorgebracht, daß der Begriff des>operators auch staatliche Akteure umfaßt. Einigkeit wurde darüber erzielt, daß auch solche Akteure erfaßt sein sollen, die die entscheidenden Aktivitäten organisieren (enger der Entwurf des Vorsitzenden, der nur auf das Ausführen abstellt). Übereinstimmung wurde außerdem darüber erzielt, daß von diesem Begriff keine natürlichen Personen erfaßt werden sollen, außer wenn sie die Aktivitäten organisiert haben (so eingebracht von den USA). Wird der Begriff des>operators im Zusammenhang mit dem der Vertragspartei genannt, wird - so einigten sich die Delegierten - damit ein>operator bezeichnet, der den rechtlichen Regelungen dieser Vertragspartei unterfällt.

Die unter französischem Vorsitz geleitete Kontaktgruppe und die Arbeitsgruppe konnten sich nur über folgende Punkte einigen: Grundsätzlich sollen die>actions for compensation unterschiedlich geregelt sein, je nachdem, ob es sich um einen Fall der Haftung nach Art. 6 (1) handelt oder um Fälle des Art 6 (2) und (3). Außerdem soll danach unterscheiden werden, ob der>operator ein nichtstaatlicher oder ein staatlicher ist. Im Hinblick auf nichtstaatliche>operators, die nach Art. 6 (1) haften (d.h. für die Kosten einer von anderen vorgenommenen>response action einstehen müssen), konnten sich die Staaten darauf einigen, daß Klagemöglichkeiten in dem Staat bestehen sollen,>where the operator is incorporated or has its principal place of business or his or her habitual place of residence. Übereinstimmung schien auch darüber zu bestehen, daß die Klage innerhalb von drei Jahren nach Beginn der betreffenden>response action erhoben werden muß.

Keine Einigkeit konnte jedoch darüber erzielt werden, ob in den Fällen der Haftung nach Art. 6 (1) eine Vertragspartei selbst vor den eigenen Gerichten verklagt werden können soll. Betont wurde von deutscher Seite, daß in jedem Fall solch eine Möglichkeit nur im Falle der Gegenseitigkeit gegeben sein kann. Vertreten wurde von anderer Seite, daß ein staatlicher>operator vor den Gerichten dieses Staates verklagt werden können soll. Nach dritter Ansicht sollte keine der beiden Möglichkeiten gegeben sein, sondern in diesen Fällen, wie auch vertreten für die Fälle des Art. 6 (2) bzw. (3), das völkerrechtliche Streitbeilegungsverfahren des Art. 20 USP ausschließlich anwendbar sein. Dagegen sprachen sich die Delegierten aus, die dieses Verfahren nur als Alternative zu einer innerstaatlich Klagemöglichkeit vorsehen.

Insgesamt machte die Diskussion in der Arbeitsgruppe deutlich, daß nicht nur Unstimmigkeiten über die grundsätzlichen Klagemöglichkeiten im Hinblick auf Staaten und>state operators bestehen, sondern daß bisher noch nicht alle Fallkonstellationen des Art. 6 von Art. 7 umfaßt sind. Die Regelung des Art. 7 bedarf daher weiterer grundsätzlicher Erörterung beim nächsten ATCM.

Die Verhandlungen über den Haftungsannex und das Sekretariat sollen im Juni 2003 in Madrid fortgesetzt werden. Eine Einigung über das Sekretariat soll 2003 erreicht werden, eine Einigung über den Haftungsannex wird für 2004 angestrebt.