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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2002

X. Symposien und Tagungen

G. Symposium "Terrorism as a Challenge for National and International Law"

Am 24. und 25. Januar 2003 wird ein Symposium am Institut zum Thema>"Terrorism as a Challenge for National and International Law" veranstaltet, das im Berichtszeitraum von Dr. Frank Schorkopf, Dr. Silja Vöneky und Dr. Christian Walter vorbereitet wurde. An dem in englischer Sprache durchgeführten Symposium werden außer Gästen und Mitarbeitern des Instituts geladene Gäste aus dem In- und Ausland teilnehmen. Das Symposium wird von der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) finanziert.

Die Anschläge des 11. Septembers 2001 auf New York und Washington und die Reaktion der USA und Großbritannien mit dem Einsatz von Waffengewalt haben den Umgang mit internationalem Terrorismus weltweit in den Mittelpunkt des politischen und rechtlichen Interesses gerückt. Außerdem haben eine große Zahl von Staaten seither ihre nationale Gesetzgebung verschärft, um ihre Bevölkerung vor solchen Anschlägen besser schützen zu können. Schließlich wurde die Zusammenarbeit in regionalen und universellen Organisationen verstärkt.

Die Staaten sehen offensichtlich einen Handlungs- und Regelungsbedarf, obwohl das Phänomen des Terrorismus und seiner Bekämpfung weder im nationalen Recht noch auf der Ebene des Völkerrechts neu ist. Ohne Präzedenzfall ist allerdings der internationale Einsatz staatlicher Waffengewalt als Folge und mit der Absicht der Bekämpfung von terroristischen Akten. Darin liegt eine Vermischung der bislang dem nationalen Recht zugeordneten Strafverfolgung mit den völkerrechtlichen Regeln des Gewaltverbots und des Selbstverteidigungsrechts. Dieser neue Aspekt verlangt eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der nationalen und internationalen Rechtsentwicklung. Der wissenschaftliche Mehrwert einer solchen Konzeption gegenüber Veranstaltungen, die sich Rechtsproblemen des internationalen Terrorismus widmen, läge vor allem in der Einbeziehung der nationalen Rechtsentwicklung.

Die UN-Charta spricht in ihrer Präambel - die schrecklichen Folgen der beiden Weltkriege vor Augen - von dem Ziel, die künftigen Generationen vor der "Geißel des Krieges" zu bewahren. Sowohl der Nordatlantikrat als auch die Sicherheitsrats-Resolution Nr.�1377/2001 nehmen die ungewöhnliche Formulierung von der "Geißel des Krieges" auf und sprechen von der "Geißel des Terrorismus". In dieser gewiß nicht zufälligen Anknüpfung in der Wortwahl kommt zum Ausdruck, daß Sicherheitsrat und NATO davon ausgehen, daß der internationale Terrorismus eine Friedensbedrohung begründet, die den Weltkriegserfahrungen der Generation der Gründer nahe stehe. Unabhängig davon, ob diese Einschätzung in der Sache zutrifft oder in ihr nicht eine Überzeichnung unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse liegt, läßt sich nicht bestreiten, daß der internationale Terrorismus in seiner Dimension, die er durch die Ereignisse des 11. September und die Reaktion der USA erhalten hat, Grundfragen der Friedensforschung in ihrer außen- und sicherheitspolitischen Bedeutung aufwirft.

Die Tagung versucht sich der angedeuteten Auflösung der Grenzen zwischen Völkerrecht und nationalem öffentlichen Recht zu nähern, indem sie die jeweiligen Rechtsentwicklungen zunächst getrennt betrachtet. Vor diesem Hintergrund wird anschließend der Versuch unternommen, die neuartige Herausforderung rechtlich einzuordnen, die in der Privatisierung von Gewalt durch den internationalen Terrorismus liegt. Voraussetzung für das gesamte wissenschaftliche Programm ist die Klärung des Begriffs "Terrorismus" und seiner Inhalte. Deshalb wird in einem einleitenden Referat diese Begriffsklärung sowohl für den Bereich des nationalen Rechts als auch des Völkerrechts vorgenommen.

Hinsichtlich des nationalen Rechts liegt das Erkenntnisinteresse vor allem in einer Bestandsaufnahme der bestehenden Regelungen vor dem 11. September 2001 und einer vergleichenden Betrachtung mit den neuen Regelungen nach den Anschlägen. Die Staaten stehen dabei vor einem Zielkonflikt. Einerseits gehört es zu den klassischen Staatsaufgaben, Frieden und Sicherheit für die Bevölkerung zu gewährleisten. Andererseits sind sie auf die Einhaltung nationaler und internationaler Grundrechtsstandards verpflichtet. Deshalb soll erstens untersucht werden, welche Beschränkungen der Privatsphäre sowie der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit vorgenommen werden. Zweitens ist heraus zu arbeiten, welche spezifischen Methoden der Strafverfolgung in den nationalen Rechtsordnungen angewendet werden. Diese Erkenntnisse sind - drittens - in Bezug zu den internationalen Menschenrechtsstandards zu setzen. In dieser Rechtsvergleichung sollen auch die unterschiedlichen sozio-kulturellen Traditionen sichtbar gemacht und ihre Wechselwirkungen mit dem internationalen Recht betrachtet werden.

Auch im internationalen Recht gilt es zunächst eine Bestandsaufnahme von schon vor dem 11. September 2001 bestehenden Regelungen vorzunehmen. Nach den Anschlägen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf der Grundlage seiner Befugnisse nach Kapitel VII der UN-Charta verbindliche Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung beschlossen, die vor allem die Finanzquellen des Terrorismus betreffen. Mit der Verpflichtung für die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, einschlägige Strafvorschriften zu erlassen, hat der Sicherheitsrat seine Befugnisse in einem klassisch nationalstaatlichen Kompetenzbereich zur Anwendung gebracht. Hierin liegt eine Abweichung von der bislang üblichen Regelung durch - die Zustimmung der Staaten voraussetzende - völkerrechtliche Verträge. Diese Form der Terrorismusbekämpfung soll als ein Beispielsfall für die Herausbildung von gemeinsamen Zielen der internationalen Gemeinschaft und ihrer Durchsetzung durch internationale Harmonisierung untersucht werden. In der Ersetzung ratifikationsbedürftiger Konventionen durch verbindliche Entscheidungen eines internationalen Gremiums liegt eine Zurücknahme des Staateninteresses "Souveränität" zugunsten des Gemeinschaftsinteresses "Terrorismusbekämpfung".

Ein vergleichbarer Interessenwechsel läßt sich für den Bereich der Anwendung militärischer Gewalt ausmachen. Hier wird das Staateninteresse an territorialer Unversehrtheit, das durch das Gewaltverbot nach Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta geschützt wird, zugunsten einer weiten Auslegung des Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 UN-Charta zurückgedrängt. In zwei Referaten soll untersucht werden, inwieweit eine solche Auslegung des Art. 51 UN-Charta zulässig ist und welche Möglichkeiten für kollektive militärische Maßnahmen bestehen. In der Konsequenz dieser internationalen Betrachtung liegt es, daß die Regeln des klassischen Kriegsvölkerrechts Anwendung finden. Deshalb ist zu untersuchen, welche Grenzen sie für eine solche Ausdehnung des Gemeinschaftsinteresses setzen.

Die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung der herkömmlichen Regeln des Völkerrechts legen es nahe, die Thematik abschließend aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es soll deshalb im Schlußreferat gefragt werden, ob die traditionellen Kategorien des internationalen Rechts das Problem des internationalen Terrorismus angemessen erfassen können und welche neuen Mechanismen gegebenenfalls an deren Stelle treten könnten.

Die für den nationalen Teil des Symposiums beabsichtigt Rechtsvergleichung setzt eine genaue Kenntnis der Rechtsentwicklungen in den untersuchten Ländern voraus. Deshalb sollen jeweils Landesberichte erstellt werden, die sowohl die Rechtslage vor als auch die nach dem 11. September 2001 darstellen. Auf dieser Grundlage sollen die rechtsvergleichenden Referate erarbeitet werden. Deshalb liegen die Landesberichte bereits im Dezember 2001 vor. Außerdem sollen sie in dem Tagungsband zusammen mit den Referaten veröffentlicht werden. Hierdurch werden die Grundlagen des Rechtsvergleichs einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und dokumentiert. Für die Auswahl der Länder war vor allem die Frage entscheidend, in welchem Umfang sie im nationalen Bereich Erfahrung mit der Bekämpfung von Terrorismus gesammelt haben. Die Landesberichte werden von Mitarbeitern des Instituts und ausländischen Wissenschaftlern erarbeitet werden. Als Länder wurden ausgewählt: Deutschland, Europäische Union, Frankreich, Großbritannien, Indien/Pakistan, Israel, Italien, Japan, Kanada, Rußland, Spanien, Türkei und die USA.

Der Ablauf der Tagung selbst entspricht inhaltlich der konzeptionellen Skizze. Die Referate werden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts und deutscher Universitäten gehalten werden. Zu den einzelnen Referaten sind kürzere Kommentare vorgesehen, für die inländische und ausländische Professoren des Völkerrechts gewonnen werden konnten.