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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XII. Zusammenarbeit der Staaten

6. Entwicklungs- und Finanzhilfe

    115. Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zur Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba war wie folgt: 239 Die Bundesregierung wies zur Präambel darauf hin, daß die DDR-Handelsverträge nicht einseitig aufgelöst worden seien, sondern größtenteils mit Ablauf des Jahres 1990 endeten. Den deutschen Guthaben aus dem Transferrubel-Verrechnungsverkehr entspreche ein realer Gütertransfer nach Kuba, für den ein Ausgleich beansprucht werden könne, der jedoch noch zu verhandeln sei. Daß der Lebensstandard der kubanischen Bevölkerung gesunken sei, sei nicht in erster Linie auf das US-Embargo, sondern auf die ausbleibende Unterstützung des ehemaligen Ostblocks sowie eine Politik zurückzuführen, die - wenn auch mit Abstrichen - grundsätzlich daran festhalte, das sozialistische Wirtschaftssystem beizubehalten. Die Bundesregierung unterhalte normale diplomatische Beziehungen zu Kuba. Durch den Zusammenbruch des RGW habe Kuba 85 % seiner Märkte und fast seine gesamte Entwicklungshilfe verloren. Die Bundesregierung sei der Auffassung, daß ohne einschneidende Wirtschaftsreformen und ohne substantielle Schritte in Richtung auf größere politische Freiheiten und Beachtung der Menschenrechte eine Besserung der wirtschaftlichen und politischen Situation in Kuba nicht möglich sei. Dennoch verfolge die Bundesregierung nicht einen Kurs der politischen Isolierung Kubas, sondern führe einen vielfältigen Dialog, nicht nur mit der kubanischen Bundesregierung und dem Parlament, sondern auch mit Vertretern breiter Kreise der kubanischen Gesellschaft. Sie unterstütze Maßnahmen, die einen Beitrag zu einem friedlichen Transformationsprozeß darstellten und habe ihre Bereitschaft erklärt, dieses Engagement künftig fortzusetzen. Gleiches geschehe von Seiten der EU, in der die Haltung gegenüber Kuba laufend abgestimmt werde. Bei der Erarbeitung des am 2. Dezember 1996 verabschiedeten gemeinsamen Standpunkts der EU nach Art. J.2 des EU-Vertrages habe die Bundesregierung ihren Einfluß geltend gemacht, die Kubapolitik der EU mit Augenmaß und in Kontinuität zu gestalten. Die Bundesregierung habe sich dem US-Embargo gegenüber Kuba nicht angeschlossen und lehne insbesondere das Helms-Burton-Gesetz wegen seiner extraterritorialen Wirkung entschieden ab. Die Bundesregierung habe mit der kubanischen Regierung einen Investitionsförderungs- und -schutzvertrag abgeschlossen, auf den sich deutsche Unternehmen, die in Kuba investieren wollten, berufen könnten.

    116. Im Rahmen ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage zur Stärkung der kommunalen Nord-Süd-Arbeit und dem Aufbau kommunaler Selbstverwaltungsstrukturen in Entwicklungsländern legte die Bundesregierung die zur Vorbereitung der Habitat II-Konferenz, aber auch in enger Abstimmung mit der Weltbank, dem UN-Zentrum für menschliche Siedlungen in Nairobi (UNCHS) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) ergriffenen Initiativen dar.240

    117. Bundeskanzler Kohl und der philippinische Präsident Ramos kamen bei ihrem ersten Gespräch am 28. Oktober 1996 überein, vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken. Eine gemeinsame Erklärung hierzu wurde abgegeben. Im Beisein von Ramos und Kohl wurde ein Abkommen über den gegenseitigen Schutz von Investitionen und über die deutsche Entwicklungshilfe für die Philippinen unterzeichnet.241

    118. Hinsichtlich der Gewährung von Finanzkrediten an Rußland legte die Bundesregierung dar, Rußland benötige in den nächsten Jahren eine Zahlungsbilanzhilfe, da es wegen des Transformationsprozesses nicht genügend Devisen erwirtschafte, noch nicht über ausreichende Devisenreserven verfüge und deswegen die Gefahr eines Kaufkraftverlustes der Währung und der Verringerung der für die Reformen benötigten Einfuhren drohe. In dieser Situation gewähre der Internationale Währungsfonds an seine Mitgliedstaaten mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten Hilfe, um die Währung zu stabilisieren, den Handel zu stärken und die Reformen zu stützen. Dies sei auch Sinn und Zweck des IWF-Anpassungsabkommens, das abschließend zwischen Ministerpräsident Tschernomyrdin und dem geschäftsführenden Direktor des IWF Camdessus am 22. Februrar 1996 verhandelt worden sei. Die Bundesregierung sei der Auffassung, daß der russische Reformprozeß durch die internationale Staatengemeinschaft nachhaltig unterstützt werden müsse. Die Bundesregierung habe daher der Regierung der Russischen Föderation eine Bundesgarantie für einen Bankenkredit von insgesamt 4 Mrd. DM in enger Abstimmung mit dem IWF zugesagt. Außerdem habe sie sich aktiv im Pariser Klub für das Umschuldungsabkommen vom 29. April 1996 eingesetzt, das eine umfassende Regelung der russischen Altschulden im Volumen von insgesamt 40 Mrd. US$ durch eine langfristige Streckung der Rückzahlungsfristen vorsehe. Neben diesen Maßnahmen seien darüber hinaus zur Schließung der russischen Zahlungsbilanzlücke weitere Kredite anderer Länder und eine Rückführung des russischen Fluchtkapitals erforderlich. Von dem von der Bundesregierung garantierten Gesamtkreditbetrag von 4 Mrd. DM sei ein Teilbetrag von 3 Mrd. DM im März 1996 durch ein Konsortium Deutscher Banken an die Russische Föderation bereits ausgezahlt worden. Er solle der unmittelbaren Unterstützung der Wirtschaftsreformen dienen, die von der Regierung der Russischen Föderation durchgeführt würden. Mit derselben Zielsetzung hätten auch Frankreich und Japan ähnliche Kredite gewährt. Die russische Regierung habe der Bundesregierung versichert, daß sie die Mittel - in enger Abstimmung mit dem IWF - nur für den vorgesehenen Zweck, nämlich unmittelbare Unterstützung der Wirtschaftsreformen verwenden wolle. Die russische Regierung habe auf Nachfrage auf ein Dekret von Präsident Jelzin hingewiesen, welches dies sicherstelle. Die Bundesregierung gehe ebenso wie der IWF daher davon aus, daß diese Mittel entsprechend der Zweckbestimmung des Kredits verwendet würden. Auch habe die russische Regierung der Bundesregierung hochrangig versichert, daß die Mittel aus diesem Kredit nicht an die in Tschetschenien eingesetzte Regierung weitergeleitet würden. Die Bundesregierung gehe daher davon aus, daß mit diesen Kreditmitteln kein Kriegsmaterial finanziert werde. Neben dem Kredit zur unmittelbaren Unterstützung der russischen Wirtschaftsreformen, stehe ein weiterer Kredit von 1 Mrd. DM, der von der KfW bereitgestellt werde, zur Finanzierung längerfristiger Projekte zur Verfügung, die im gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse Rußlands und Deutschlands lägen. Über die Konkretisierung der mit diesem Kredit zu finanzierenden Projekte fänden zur Zeit Gespräche zwischen der Bundesregierung und der Regierung der Russischen Föderation statt.242

    119. Nach dem 10. Bericht zur Entwicklungspolitik liegt Deutschland mit öffentlichen Hilfsleistungen in Höhe von 15,5 Mrd. DM im Jahre 1993 nach Japan 11,8 Mrd. US $ und den USA 10,9 Mrd. US $ an dritter Stelle der Geberländer.243

    120. Vor afrikanischen Diplomaten in Addis Abeba am Sitz der OAU legte Bundespräsident Herzog die Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Achtung der Menschenrechte dar.244 Ein Geberland könne jederzeit seine Hilfsleistungen für einen Staat zurückhalten, dessen Politik Demokratie unterlaufe. Herzog erklärte: "Kein Land, keine Regierung kann die Souveränität oder die Unantastbarkeit seiner inneren Angelegenheiten anführen, um Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen."



    239 BT-Drs. 13/6611.
    240 BT-Drs. 13/6047.
    241 FAZ vom 30.10.1996, 2.
    242 BT-Drs. 13/5772, 23.
    243 BT-Drs. 13/3342.
    244 SZ vom 29.1.1996, 5.