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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1550. WIEDERVEREINIGUNG DEUTSCHLANDS

Nr.93/1

Art.2 Abs.1 Satz 1 des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) hindert deutsche Gerichte daran, die Rechtmäßigkeit besatzungshoheitlicher Enteignungsmaßnahmen zu überprüfen. Dies gilt auch nach dem Inkrafttreten des Vertrages über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland.

Pursuant to Art.2 (1) (1) of the Convention on the Settlement of Matters arising out of the War and the Occupation (Transition Agreement), German courts are prevented from reviewing the legality of expropriations made under the authority of occupation law. This still holds true after the entry into force of the Treaty on the Final Settlement with respect to Germany.

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 22.7.1993 (2Z BR 70/93), DtZ 1994, 37 ff. (ZaöRV 55 [1995], 893f.)

Einleitung:

      Im Jahre 1949 übertrug das Bayerische Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung aufgrund von Besatzungsrecht zwei Grundstücke, als deren Eigentümer "Heß, Rudolf, Reichsminister, Stellvertreter des Führers in München" im Grundbuch eingetragen war, an den Freistaat Bayern. Der Freistaat wurde daraufhin 1950 als Eigentümer eingetragen. Die Erben von Heß, die dessen Enteignung für nichtig halten, regten 1992 (erneut) vergeblich die Eintragung eines Amtswiderspruches an. Auch ihre weitere Beschwerde blieb erfolglos.

Entscheidungsauszüge:

      II. ... 2. ... b) ... (1) Ein Amtswiderspruch ist einzutragen, wenn das Grundbuch durch eine Eintragung unrichtig geworden ist, die das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat (§53 Abs.1 Satz 2 GBO). ...
      Der Senat hat [in einer Entscheidung aus dem Jahr 1979] ... im einzelnen begründet, daß die Übertragung der Grundstücke durch das Bayerische Landesamt für Vermögensverwaltung und Wiedergutmachung im Jahr 1949 nach Art.2 Abs.1 Satz 1 des Vertrags zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (Überleitungsvertrag) vom 26.5.1952 (Gesetz vom 24.3.1955, BGBl.II, 213 und Bekanntmachung vom 30.3.1955, BGBl.II, 301, 405) von deutschen Gerichten nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden kann, weil es sich dabei um eine Verwaltungsmaßnahme einer Besatzungsbehörde im Sinne der genannten Bestimmung handelte. Damit entfalle die Möglichkeit, von einer Unrichtigkeit des Grundbuchs durch die Eintragung ... im Jahr 1950 auszugehen. An dieser rechtlichen Beurteilung hält der Senat fest. ...
      (3) Die auf zwei Rechtsgutachten ... gestützte Argumentation der [Erben] geht dahin, daß durch den Vertrag über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland (Gesetz vom 11.10.1990, BGBl.II, 1317 [1318]) im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands die Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Siegermächte beendet worden seien und die Bundesrepublik Deutschland die volle Souveränität erlangt habe; zwar gelte Art.2 Abs.1 des Vertrags vom 26.5.1952 weiter; die Bestimmung habe aber eine grundlegend geänderte Normqualität erlangt; die Gerichte seien nunmehr nicht nur völkerrechtlich befugt, sondern auch verfassungsrechtlich verpflichtet, die willkürfreie Anwendung von Besatzungsrecht durch deutsche Behörden zu überprüfen. Jedenfalls die Fehlanwendung von Besatzungsrecht (sog. "Konfiskationsexzeß") durch besatzungshoheitlich handelnde Behörden könne und müsse jetzt korrigiert werden.
      Auf die damit aufgeworfenen Rechtsfragen braucht der Senat nicht einzugehen. Auch wenn die in den Rechtsgutachten vertretene Rechtsansicht als richtig unterstellt wird, kann ein Amtswiderspruch nicht eingetragen werden. Dann mag ein Anspruch der [Erben] auf Rückübertragung des Grundbesitzes bestehen, der jedenfalls nicht im Grundbuchverfahren geltend gemacht werden kann.