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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


610. DEUTSCHE STAATSANGEHÖRIGKEIT

Nr.90/1

[a] Der Anspruch von Abkömmlingen aus Art.116 Abs.2 GG auf Einbürgerung steht nur solchen Kindern eines während der nationalsozialistischen Zeit Ausgebürgerten zu, die von ihm nach dem zum Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Staatsangehörigkeitsrecht kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten, wenn er nicht zuvor ausgebürgert worden wäre. Folglich haben vor dem 1. April 1953 geborene eheliche Kinder ausgebürgerter Frauen keinen Einbürgerungsanspruch.

[b] Art.116 Abs.2 GG gilt nicht für die Abkömmlinge von Personen, die vor dem sog. Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938 österreichische Staatsbürger waren, im Gefolge des Anschlusses die deutsche Staatsangehörigkeit erhielten, danach aus rassischen Gründen ausgebürgert und schließlich vom wiederhergestellten Österreich mit Wirkung vom 27. April 1945 als Staatsangehörige in Anspruch genommen wurden.

[a] Children of a person expatriated during the Nazi period can invoke the right of descendants to naturalization embodied in Art.116 (2) of the Basic Law only if they would have acquired the German citizenship by law, on the basis of the jus sanguinis, according to the German nationality law in force at the time of their birth but for the parent's prior expatriation. Consequently, children born in wedlock before April 1, 1953 to expatriated women do not have a right to naturalization.

[b] Art.116 (2) of the Basic Law does not apply to descendants of persons who were Austrian citizens before the so-called Anschluß (annexation) of Austria by the German Reich in 1938, who acquired German citizenship as a result of the Anschluß, were later expatriated for racial reasons, and were finally claimed as citizens by the reconstituted Austria as of April 27, 1945.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.3.1990 (1 C 5.87), BVerwGE 85, 108 (ZaöRV 52 [1992], 374)

Einleitung:

      Die 1948 und 1952 in Haifa geborenen Kläger begehren die Einbürgerung. Ihre als deutsche Staatsangehörige jüdischer Abstammung im Westteil Berlins geborene Mutter war 1938 nach Palästina ausgewandert, wo sie 1946 die Ehe mit dem Vater der Kläger schloß. Dieser war als österreichischer Staatsbürger jüdischer Abstammung in Wien geboren. 1980 bürgerte der Beklagte die Mutter der Kläger auf ihren Antrag ein, weil ihr aufgrund der 11.Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941 (RGBl. 1941 I S.722) die deutsche Staatsangehörigkeit aus rassischen Gründen entzogen worden sei, so daß sie einen Einbürgerungsanspruch nach Art.116 Abs.2 habe. Den späteren Einbürgerungsantrag der Kläger lehnte der Beklagte jedoch ab, weil er diese nicht zu den anspruchsberechtigten Abkömmlingen im Sinne des Art.116 Abs.2 Satz 1 GG zählte. Anders als das Verwaltungsgericht billigte das Bundesverwaltungsgericht diese Auslegung sowohl hinsichtlich der Abstammung der Kläger von der Mutter als auch vom Vater.

Entscheidungsauszüge:

      1. Nach Art.116 Abs.2 Satz 1 GG sind frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts steht den Klägern nach dieser Vorschrift kein Einbürgerungsanspruch zu.
      a) Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, daß der Mutter der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund des §2 Buchst.a der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 (RGBl.I S.722) im Sinne des Art.116 Abs.2 GG entzogen wurde, weil sie als Jüdin bei Inkrafttreten dieser Verordnung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte. Daraus folgt nicht, daß nach Art.116 Abs.2 Satz 1 GG auch die Kläger als eheliche Abkömmlinge ihrer Mutter Anspruch auf Einbürgerung haben.
      Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 6. Dezember 1983 (BVerwGE 68, 220) auf den Zweck des Art.116 Abs.2 GG hingewiesen, wonach die durch die Ausbürgerung entzogene oder vorenthaltene deutsche Staatsangehörigkeit wiederhergestellt werden soll, und daraus hergeleitet, daß der Einbürgerungsanspruch nach dieser Vorschrift nur den Kindern eines Ausgebürgerten zusteht, die zu ihm in einem rechtlichen Verhältnis stehen, an welches das Staatsangehörigkeitsrecht den gesetzlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpft (a.a.O. S.234). Daran ist festzuhalten. Demgemäß sind nicht nur nichteheliche Kinder ausgebürgerter Väter, wie der Senat in dem genannten Urteil entschieden hat, sondern auch vor dem 1. April 1953 geborene eheliche Kinder ausgebürgerter Mütter aufgrund dieser Abstammung nicht einbürgerungsberechtigt, also auch nicht die vor diesem Stichtag geborenen Kläger ... In dem maßgebenden Zeitpunkt der Geburt der Kläger galt §4 Abs.1 RuStAG noch in seiner ursprünglichen Fassung. Danach erwarb das eheliche Kind eines Deutschen die Staatsangehörigkeit des Vaters. Es wurde nicht durch Geburt kraft der Abstammung von seiner Mutter Deutscher. Diese Regelung widersprach zwar dem Grundsatz der Gleichberechtigung nach Art.3 Abs.2 GG (BVerfGE 37, 217), galt aber gemäß Art.117 Abs.1 GG bis zum 31. März 1953 fort. Das Grundgesetz billigt somit auch für das Staatsangehörigkeitsrecht die Folgen, die aus der befristeten Fortgeltung des dem Art.3 Abs.2 GG widersprechenden Rechts entstanden sind (BVerwGE 71, 301 [305]). Vor dem 1. April 1953 geborene eheliche Kinder erfüllen somit nicht aufgrund ihrer Abstammung von einer ausgebürgerten deutschen Frau die Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs nach Art.116 Abs.2 Satz 1 GG.
      b) Die Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht dieses Ergebnis in Frage stellt greifen nicht durch.
      aa) ... Das Auslegungsergebnis des Senats ist mit dem Wortsinn des Gesetzes vereinbar.
      Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 6. Dezember 1983 dargelegt, daß der Begriff des Abkömmlings je nach dem Gesetzeszweck unterschiedlichen Auslegungen zugänglich sei. Er hat aber sein Ergebnis nicht aus einer isolierten Interpretation dieses Begriffs gewonnen, sondern wesentlich auf die gesetzliche Rechtsfolge abgehoben, die auch für die Abkömmlinge der ausgebürgerten früheren Deutschen in den Fällen des Art.116 Abs.2 Satz 1 GG in der "Wiedereinbürgerung" und in den Fällen des Art.116 Abs.2 Satz 2 GG darin besteht, daß die Betroffenen als "nicht ausgebürgert" gelten (a.a.O. S.234). Bei den - nicht selbst ausgebürgerten, sondern nach der Ausbürgerung des maßgebenden Elternteils geborenen - Abkömmlingen, die das Gesetz neben den Ausgebürgerten in seine Regelung einbezieht, kann von einer "Wiedereinbürgerung" sinnvoll nur gesprochen werden, wenn an die infolge der Ausbürgerung vorenthaltene deutsche Staatsangehörigkeit angeknüpft, also der staatsangehörigkeitsrechtliche Zustand "wieder" hergestellt wird, wie er ohne die Ausbürgerung bestanden hätte. Entsprechendes gilt für Art.116 Abs.2 Satz 2 GG: Nicht selbst ausgebürgerte Abkömmlinge können sinnvoll nur dann als "nicht ausgebürgert" gelten, wenn sie infolge der Ausbürgerung eines Elternteils nicht kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben konnten. ... Mit der Begrenzung der Rechtsfolge auf eine "Wiedereinbürgerung" zum Zwecke der Herstellung der vorenthaltenen deutschen Staatsangehörigkeit wird demnach zugleich der Kreis der Berechtigten auf den im Urteil des Senats vom 6. Dezember 1983 umschriebenen Personenkreis beschränkt. Diese Auslegung überschreitet folglich nicht den möglichen Wortsinn des Gesetzes, sondern wird ihm gerecht.
      bb) Das dargelegte Ergebnis entspricht dem Gesetzeszweck. Art.116 Abs.2 GG bezweckt die Wiedergutmachung staatsangehörigkeitsrechtlicher Unrechtsmaßnahmen des Nationalsozialismus. Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß der aus rassischen Gründen erfolgte Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit grobes Unrecht war und deswegen keinen Bestand haben kann, wenn die Betroffenen das Wiederaufleben ihrer deutschen Staatsangehörigkeit wünschen ... Dieser Gesetzeszweck führt nicht über den ohne die Ausbürgerungen gegebenen Rechtszustand hinaus.
      Nach den Materialien zum Grundgesetz soll die Erstreckung des Einbürgerungsanspruchs der Ausgebürgerten auf die Abkömmlinge den Fällen Rechnung tragen, in denen ein ausgebürgerter Deutscher verstorben war und die Ausbürgerung Rechtsfolgen hat (BVerfGE 23, 98 [109]). Zwar ist der Einbürgerungsanspruch nicht auf Abkömmlinge Verstorbener beschränkt (BVerwGE 68, 220 [234]). Rechtsfolgen hat aber die Ausbürgerung für Abkömmlinge nur, wenn ihnen infolge der Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit vorenthalten wurde, die sie sonst erworben hätten ... Danach zielt der Gesetzeszweck ebenfalls nur auf den Rechtszustand, der ohne die Ausbürgerung für die Abkömmlinge eingetreten wäre.
      Auch im übrigen besteht kein Anhalt, daß der Verfassungsgeber eine weitergehende Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit mit Art.116 Abs.2 GG schaffen wollte. Auf das sonstige Verfolgungs-, insbesondere das Emigrationsschicksal, wie es etwa §12 des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit in der Fassung vom 19. August 1957 (BGBl. I S.1251) berücksichtigt, stellt Art.116 Abs.2 GG nicht ab. Unerheblich ist auch, wie das individuelle Lebensschicksal des Betroffenen ohne die nationalsozialistische Verfolgung verlaufen wäre und zu welchen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen es geführt hätte (BVerwGE 68, 220 [235]). Allenfalls insoweit kann von einer Berücksichtigung des Verfolgungs-, insbesondere des Emigrationsschicksals gesprochen werden, als der nachträgliche Eintritt eines staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlusttatbestandes den Einbürgerungsanspruch nicht ausschließt; dies entspricht dem Wortlaut des Gesetzes und rechtfertigt sich vornehmlich deswegen, weil der Eintritt des Verlusttatbestandes häufig eine Folge der Verfolgung und Ausbürgerung war und deswegen die Wiedergutmachung des vorangegangenen Entzugs der Staatsangehörigkeit nicht hindern kann ...
      cc) Auch der Grundsatz der Gleichberechtigung im Sinne des Art.3 Abs.2 GG führt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu einer abweichenden Auslegung des Art.116 Abs.2 GG.
      Wie bereits erwähnt, ist es mit Art.3 Abs.2 GG unvereinbar, bei dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt für eheliche Kinder ausschließlich an die Staatsangehörigkeit des Vaters anzuknüpfen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, daß im Rahmen des Art.116 Abs.2 GG für die vor dem 1. April 1953 geborenen ehelichen Kinder auch an die Staatsangehörigkeit der Mutter anzuknüpfen sei, obwohl nach Art.117 Abs.1 GG das dem Art.3 Abs.2 GG widersprechende Recht bis zum 31. März 1953 in Kraft blieb. Zwar hätte der Verfassungsgeber ... eine solche Regelung treffen können. Er hat dies aber nicht getan. Die Voraussetzungen für den gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb der Abkömmlinge sind nicht Regelungsgegenstand des Art.116 Abs.2 GG. Die Vorschrift knüpft lediglich an das jeweils geltende (verfassungsmäßige) Staatsangehörigkeitsrecht in dem Sinne an, daß sie es den Abkömmlingen der Verfolgten ermöglicht, sich die ihnen danach zukommende Rechtsstellung zu verschaffen. ...
      c) Im Schrifttum wird außerdem geltend gemacht, die dargelegte Auslegung werde dem Wiedergutmachungszweck nicht hinreichend gerecht, denn durch §1 Satz 1 der Elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz seien im Ausland geborene jüdische eheliche Kinder von dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt auch dann ausgeschlossen worden, wenn der Vater nicht ausgebürgert worden sei. In diesen Fällen könne die gebotene Wiedergutmachung nur gewährt werden, wenn auf die Ausbürgerung der Mutter abgestellt werde, was nach der Rechtsauffassung des Senats nicht möglich sei (vgl. Silagi, StAZ 1984, 165 [Fn.2]; StAZ 1987, 144 [145]; ROW 1986, 160 [163]). Auch dieser Kritik ist nicht zu folgen.
      In Fällen, in denen jüdische Kinder trotz ihrer Abstammung von einem die deutsche Staatsangehörigkeit besitzenden Vater durch die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz von dem gesetzlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen wurden, mag zwar zweifelhaft sein, ob die Betroffenen mit Rücksicht auf die vom Bundesverfassungsgericht wiederholt betonte Nichtigkeit der genannten Verordnung (vgl. BVerfGE 23, 98 [106]; 54, 53 [68]) als eheliche Abkömmlinge deutscher Väter ohne weiteres Deutsche sind und deswegen keinen Einbürgerungsantrag zu stellen brauchen. Ihnen stehen aber zumindest die Rechte aus Art.116 Abs.2 GG aufgrund einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift zu. Der Nichteintritt des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs aus rassischen Gründen ist im vorliegenden Zusammenhang einer Entziehung der Staatsangehörigkeit aus solchen Gründen gleichzuerachten. Wurde dem Abkömmling der gesetzliche Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aus rassischen Gründen vorenthalten, so handelt es sich um wiedergutzumachendes Unrecht unabhängig davon, ob sein Vater Deutscher geblieben oder ob diesem die Staatsangehörigkeit entzogen worden ist. Einer Anknüpfung an eine etwaige Ausbürgerung der Mutter bedarf es daher nicht.
      d) Ferner wird die Ansicht vertreten, die dargelegte Rechtsauffassung des Senats sei unvereinbar mit dem Abkömmlingsbegriff des Art.116 Abs.1 GG; für eine unterschiedliche Auslegung gebe es keine Rechtfertigung ... Diese Erwägung überzeugt ebenfalls nicht.
      Nach Art.116 Abs.1 GG ist Deutscher im Sinne des Grundgesetzes auch, wer als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.
      Zu den Abkömmlingen zählen auch die Kinder einer Frau deutscher Volkszugehörigkeit, gleich ob sie ehelich sind oder nicht (BVerfGE 37, 217 [252]; BVerwGE 71, 301 [303 f.]). Darin liegt kein Widerspruch zu der vom Senat befürworteten Auslegung des Art.116 Abs.2 GG. Die in Art.116 Abs.1 GG angeordnete Rechtsfolge zielt nicht wie die des Art.116 Abs.2 GG auf die Wiederherstellung eines dem geltenden Staatsangehörigkeitsrecht entsprechenden - bestimmten Abkömmlingen allerdings nicht zustehenden - Rechtszustandes. Art.116 Abs.1 GG verschafft vielmehr den Abkömmlingen und Ehegatten ohne deutsche Volkszugehörigkeit einen neuen Rechtsstatus, wenn sie im Hinblick darauf aufgenommen werden, daß ihr Ehegatte bzw. Elternteil deutscher Volkszugehörigkeit als Flüchtling oder Vertriebener in dem genannten Gebiet Aufnahme gefunden hat. Ihnen soll, nachdem die Aufnahme wegen ihrer familiären Verbundenheit erfolgt ist, einheitlich ein die Eingliederung fördernder Status verschafft werden. Die Regelung unterscheidet sich daher nach Zweck und Inhalt wesentlich von der des Art.116 Abs.2 GG und läßt deswegen keine Rückschlüsse darauf zu, inwieweit Art.116 Abs.2 GG die "Wiedereinbürgerung" von Abkömmlingen ermöglicht ...
      2. ... Die Kläger können nicht aus der Abstammung von ihrem Vater einen Anspruch nach Art.116 Abs.2 Satz 1 GG herleiten. Das hat der Beklagte zu Recht entschieden.
      a) Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Vater der Kläger von Geburt österreichischer Staatsbürger. Er erwarb durch die Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 3. Juli 1938 (RGBl.I S.790) die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach der Darstellung der Kläger emigrierte er noch vor dem Zweiten Weltkrieg. Danach ist im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, daß ihm als Juden durch die Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz die deutsche Staatsangehörigkeit aus rassischen Gründen entzogen wurde. Gleichwohl zählt er nicht zu dem nach Art.116 Abs.2 GG berechtigten Personenkreis. Demgemäß können auch die Kläger nicht verlangen, als seine Abkömmlinge nach diese Vorschrift eingebürgert zu werden. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes haben die Abkömmlinge der Ausgebürgerten nur dann Anspruch auf Einbürgerung, wenn auch der Ausgebürgerte seine Einbürgerung beanspruchen kann oder hätte beanspruchen können, wenn er noch lebte.
      Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. November 1955 (BVerfGE 4, 322) klargestellt hat, haben ehemalige österreichische Staatsbürger (sog. Anschlußdeutsche) mit der Wiederherstellung des österreichischen Staates ab dem 27. April 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft wiedererlangt und die auf dem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich beruhende deutsche Staatsangehörigkeit verloren (vgl. §1 des Zweiten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 17. Mai 1956, BGBl. I S.431). Danach hätte der Vater der Kläger auch ohne seine Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit nicht behalten.
      Ein Erlöschen der deutschen Staatsangehörigkeit der sog. Anschlußdeutschen scheidet allenfalls dann aus, wenn Österreich sie nicht mit Wirkung vom 27. April 1945 in Anspruch genommen hat ... Wie der Senat mangels entsprechender Feststellungen des Verwaltungsgerichts selbst prüfen kann, hat Österreich, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, lediglich die ehemaligen österreichischen Staatsbürger nicht in Anspruch genommen, die in der Zeit des Anschlusses an das Deutsche Reich einen Verlusttatbestand nach dem österreichischen Bundesgesetz über den Erwerb und Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft vom 30. Juli 1925 (BGBl. Nr.285) verwirklicht haben (vgl. Abschnitt I §1 Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz vom 10. Juli 1945, StGBl. Nr.59). Nach §10 Abs.1 Nr.2 dieses Gesetzes verlor u.a. die österreichische Staatsbürgerschaft, wer freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates trat. Die Kläger machen zwar geltend, ihr Vater sei nach seiner Emigration in die britische Armee eingetreten. Durch die Novelle zum Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz vom 18. Januar 1946 (BGBl. Nr.51) ist aber bestimmt worden, daß der Staatsbürgerschaftsverlust durch den freiwilligen Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates nicht eingetreten ist bei Personen, die in den Armeen der Vereinten Nationen gedient haben. Danach hat auch der Vater der Kläger ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zur britischen Armee mit dem 27. April 1945 die österreichische Staatsangehörigkeit wiedererlangt. Durch diese Regelung hat der österreichische Gesetzgeber klargestellt, daß sich der Verlusttatbestand des Eintritts in einen fremden Militärdienst sinnvoll nicht auf Personen beziehen konnte, die als Angehörige der Armeen der Vereinten Nationen entsprechend den Kriegszielen der Alliierten gerade an der Wiederherstellung des österreichischen Staates mitgewirkt haben und deren Verhalten sich deswegen nicht als eine den Verlust der Staatsangehörigkeit rechtfertigende Abwendung von dem Heimatstaat werten ließ ...
      b) Gehört der Vater der Kläger somit zu den mit dem 27. April 1945 von Österreich in Anspruch genommenen ehemaligen österreichischen Staatsbürgern, so ist auf ihn und damit auch auf seine nach dem 27. April 1945 geborenen ehelichen Abkömmlinge Art.116 Abs.2 GG nicht anwendbar. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28. September 1965 - BVerwG 1 C 93.63 - (Buchholz 11 Art.116 GG Nr.8) entschieden, daß Art.116 Abs.2 GG auf Personen, die im Jahre 1945 von Österreich als Staatsbürger in Anspruch genommen wurden, nicht anzuwenden ist. Es besteht kein Anlaß, hiervon abzurücken. Durch die Wiederherstellung Österreichs ist auch das, was infolge des Anschlusses in bezug auf die österreichische Staatsbürgerschaft geschehen ist, beseitigt worden. Damit sind zugleich die Ausbürgerungen der sog. Anschlußdeutschen aus dem deutschen Staatsverband hinfällig geworden. Für eine Beseitigung des in den Ausbürgerungen liegenden staatsangehörigkeitsrechtlichen Unrechts ist daher kein Raum. Die Betroffenen haben ihre österreichische Staatsbürgerschaft zurückerhalten und sind damit bereits so gestellt worden, wie sie ohne die Ausbürgerung stehen würden.
      3. Obwohl danach den Klägern ein Einbürgerungsanspruch nach Art.116 Abs.2 GG nicht zusteht, kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden.
      Nach dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Sachverhalt ist nicht auszuschließen, daß die Kläger aufgrund des allgemeinen Einbürgerungsrechts die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten können. ...
      b) Als Rechtsgrundlage für eine Einbürgerung kommt die Ermessensermächtigung des §13 RuStAG in Betracht. Danach kann ein ehemaliger Deutscher, der sich nicht im Inland niedergelassen hat, eingebürgert werden, wenn er den Erfordernissen des §8 Abs.1 Nr.1 und 2 RuStAG entspricht. Im Rahmen ihres Ermessens kann die Behörde dabei den Gedanken der Wiedergutmachung angemessen berücksichtigen, und zwar auch im Zusammenhang mit der Frage der Hinnahme einer etwa eintretenden Mehrstaatigkeit.
      Einem ehemaligen Deutschen im Sinne dieser Vorschrift steht u.a. gleich, wer von einem solchen abstammt (§13 Satz 1, 2.Halbsatz RuStAG). Die Kläger stammen von einer ehemaligen Deutschen ab. Ihre Mutter war eine ehemalige Deutsche. Daß sie nach Art.116 Abs.2 Satz 1 GG wieder eingebürgert worden ist, steht dem nicht entgegen (BVerwGE 68, 220 [238]). Das zwischen den Klägern und ihrer Mutter bestehende Abstammungsverhältnis genügt für die Anwendung des §13 RuStAG. Das Gesetz verlangt nicht, daß der Abkömmling ohne den Staatsangehörigkeitsverlust des ehemaligen Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit von ihm hätte ableiten können, und geht insofern über Art.116 Abs.2 GG hinaus (BVerwGE 68, 220 [238]).