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266. Zum 1. Januar 1994 trat das Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) in der durch das Anpassungsprotokoll vom 17. März 1993 geänderten Fassung für Deutschland in Kraft.647 Im Hinblick auf die Beitrittsstaaten Finnland, Österreich und Schweden sind im Beitrittsvertrag entsprechende Übergangsregelungen vorgesehen.648
267. Zum 1. Juni 1994 traten die Assoziierungsabkommen mit Ungarn und Polen in Kraft.649 Am 17. Oktober 1994 ergingen Zustimmungsgesetze zu dem Assoziierungsabkommen mit Bulgarien, Rumänien, der Slowakei und Tschechien.650 Mit den baltischen Staaten wurden entsprechende Verhandlungen aufgenommen.651
268. Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beschloß der Rat aufgrund von Art. J.3 des Vertrages über die Europäische Union mehrere gemeinsame Aktionen. So wurde der Beschluß 93/603/GASP zur Unterstützung der Beförderung der humanitären Hilfe in Bosnien-Herzegowina verlängert652 und erweitert653 und wiederum verlängert.654 Weitere Beschlüsse zu gemeinsamen Aktionen betrafen die Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten655, die Eröffnungskonferenz für einen Stabilitätspakt in Europa656, die Vorbereitung der für 1995 geplanten Konferenz der Vertragsparteien des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen657, die weitere Unterstützung der Verwaltung der Stadt Mostar durch die Europäische Union658, sowie die Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck.659
Auf der Grundlage von Art. J.2 des Vertrages über die Europäische Union definierte der Rat im Berichtszeitraum im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik außerdem mehrfach einen gemeinsamen Standpunkt. Diese gemeinsamen Standpunkte hatten die Verhängung eines Embargos für Waffen, Munition und militärische Ausrüstung gegen den Sudan660, die Einschränkung der wirtschaftlichen Beziehungen zu Haiti661, die Resolution Nr. 757 (1992) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen662, die Einschränkung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu den von bosnisch-serbischen Streitkräften kontrollierten Gebieten der Republik Bosnien-Herzegowina663, die Aussetzung einiger Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)664, die Aufhebung der Einschränkungen der wirtschaftlichen Beziehungen zu Haiti665 und Ziele und Prioritäten der Europäischen Union in bezug auf Ruanda666 und die Ukraine667 zum Gegenstand.
Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gab die Europäische Union eine Reihe von Stellungnahmen ab. So verurteilte sie die Suspendierung der Verfassung in Lesotho sowie die Auflösung des Parlaments und der Regierung von Lesotho und forderte den König und die Streitkräfte auf, die Bestimmungen der Verfassung einzuhalten und die demokratisch gewählte Regierung von Lesotho zu achten. Sie verurteilte ferner, daß am 17. August 1994 am königlichen Palast auf Demonstranten geschossen wurde. Ferner wird in der Verlautbarung ausgeführt:
"Wird die verfassungsmäßige Ordnung nicht sofort wiederhergestellt und die angeblich erfolgte Absetzung der demokratisch gewählten Regierung nicht rückgängig gemacht, so wird die Europäische Union die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Lesotho, einschließlich der Programme für Entwicklungszusammenarbeit überprüfen."668 |
269. Eine weitere ausführliche Entschließung des Europäischen Parlaments befaßt sich mit der Finanzierung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Das Parlament spricht sich für die Finanzierung gemeinsamer Aktionen im Bereich der GASP aus dem Haushalt der Europäischen Union aus und weist insoweit auf seine Beteiligungsrechte hin. Das Parlament macht weiter darauf aufmerksam, daß die finanzielle Vorausschau im Anhang zur institutionellen Vereinbarung vom 29. Oktober 1990 keine ausreichenden Mittel für die derzeit geplanten gemeinsamen Aktionen im Bereich GASP enthält. Es fordert insoweit eine Änderung der finanziellen Vorausschau und macht einige Vorschläge im Hinblick auf die zukünftige Aufgliederung der Ausgaben im Bereich der GASP. Es legt außerdem seine Auffassung dar, daß gemeinsame Aktionen im Bereich der GASP � einschließlich der bereits in die Wege geleiteten humanitären Aktionen in Mostar � als solche im Haushaltsplan der Europäischen Union beschrieben werden sollten, um sie von anderen politischen Aktionen im Rahmen der Außenbeziehungen und der humanitären Hilfe zu unterscheiden.683
270. Auf der Agenda der beiden Tagungen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 24. und 25. Juni 1994 auf Korfu sowie am 9. und 10. Dezember 1994 in Essen standen vielfältige Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoltik.684 Der Rat nahm u.a. mit einer gesonderten Erklärung zur Lage im ehemaligen Jugoslawien685, zu der Entwicklung in Südafrika686, zu den Beziehungen zu den AKP-Staaten687, zum Friedensprozeß im Nahen Osten688, zu seiner Politik im Hinblick auf die Staaten Mittel- und Osteuropas und zu anderen Bereichen Stellung. Insbesondere befaßte er sich mit den Beziehungen zu den Ländern des Mittelmeerraums.689 Insoweit setzte sich der Rat vor allem für den Abschluß von Verhandlungen mit Marokko, Tunesien und Israel über neue Kooperationsabkommen ein.690
271. Mehrfach stellte die Bundesregierung ihre Position zu den Außenbeziehungen der Europäischen Union auf Parlamentarische Anfragen klar: Im Hinblick auf den fortdauernden Krieg in Angola führte die Bundesregierung aus, daß sie eine eigene EU-Initiative zur Beendigung des Bürgerkrieges nicht für angebracht halte, da unter Vermittlung der Vereinten Nationen Friedensgespräche in Lusaka zwischen der angolanischen Regierung und der UNITA stattfänden.691
272. Zu den Beziehungen zwischen dem Europarat und der Europäischen Union führte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage hin aus, daß jede Form der politischen Abstimmung und praktischen Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen angesichts ihrer gemeinsamen Ziele willkommen und unterstützenswert sei. Die Vereinbarung zwischen dem Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und dem Generalsekretär des Europarats für die gegenseitigen Beziehungen der beiden Organisationen vom 16. Juni 1987 stellten unverändert die Grundlage der Zusammenarbeit dar. Eine Aktualisierung und Ausdehnung dieser Vereinbarung könne nur von den beiden Parteien gemeinsam vorgenommen werden; die Bundesregierung würde solche Initiativen begrüßen und sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Ein Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Europarat stehe jedoch nicht zur Diskussion, da die Satzung des Europarates nur Staaten eine solche Möglichkeit einräume. Zwar prüfe die Europäische Kommission die Frage eines solchen Beitritts, doch beabsichtige der Rat der Europäischen Union zumindest derzeit nicht, einen solchen Beitritt zu vollziehen. Im Hinblick auf einen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention verwies die Bundesregierung auf das mit Ratsbeschluß vom 18. April 1994 beantragte Gutachten beim Europäischen Gerichtshof über die Vereinbarkeit eines Beitritts mit dem EG-Vertrag.692
Zu dem Vorschlag der Kommission für einen Beschluß des Rates über die Wahrnehmung der auswärtigen Zuständigkeit der Europäischen Union im Rahmen internationaler Arbeitskonferenzen bei gemeinsamer Zuständigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten und der ablehnenden Haltung von Bundesregierung und Bundestag, s.o. unter XII. c., Ziff. 163.