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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1881. VORABENTSCHEIDUNGSVERFAHREN

Nr.90/1

[a] Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist und ob ihr deshalb die Geltung versagt werden muß, nicht zuständig. Eine Entscheidung über diese Normenkollision ist insoweit der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der Fachgerichte überlassen.

[b] Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art.177 EWGV verletzt die Garantie des gesetzlichen Richters (Art.101 Abs.1 Satz 2 GG), wenn ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der seiner Auffassung nach bestehenden Entscheidungserheblichkeit einer zweifelhaften gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, es in seiner Entscheidung bewußt von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur entscheidungserheblichen Frage abweicht oder wenn das Gericht trotz Fehlens oder nicht abschließender Aussagen einer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen seine Entscheidung auf eine europarechtliche Auffassung stützt, obwohl mögliche Gegenauffassungen eindeutig vorzuziehen sind.

[a] In the framework of the constitutional complaint procedure, the Federal Constitutional Court has no competence to decide the ques-tion whether an ordinary norm of municipal law is incompatible with an overriding provision of European Community law, and whether, consequently, it must be considered invalid. The decision about this collision of norms is to this extent left to the comprehensive power of review and nullification of the specialized courts.

[b] The non-institution of a reference procedure under Art.177 (3) of the EEC Treaty violates the guarantee of not being removed from the jurisdiction of one's lawful judge (Art.101 [1] clause 2 of the Basic Law), if a court of last instance in the merits stage of the procedure either (1) does not even consider the making of a reference, even though the court itself assumes that a decision of a doubtful question of Community law is necessary to enable it to give judgement, or (2) the court in its decision deliberately deviates from the jurisprudence of the European Court of Justice concerning the relevant question of Community law, or (3) if the court, in the absence of relevant case law of the European Court of Justice, bases its decision of a relevant question on a certain interpretation of Community law, even though preference must obviously be given to another possible interpretation.

Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 31.5.1990 (2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87), BVerfGE 82, 159 (ZaöRV 52 [1992], 452)

Einleitung:

      Nach dem Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft (AbsfondsG) vom 26.6.1969 (BGBl. 1969 I S. 635) wird von Betrieben der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft eine Sonderabgabe erhoben. Das Abgabenaufkommen dient dazu, den Absatz von Produkten der deutschen Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft zentral zu fördern und ihre Marktstellung in der EWG zu festigen. Gegenstand der vorliegenden Verfahren ist die Verfassungsmäßigkeit dieser Sonderabgabe. Die Beschwerdeführerin war als Betreiberin einer Versandschlachterei zu Beiträgen gemäß §10 Abs.3 Nr.9 AbsfondsG herangezogen worden. Nach erfolgloser Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs rügte sie mit ihrer Verfassungsbeschwerde u.a., das Absatzfondsgesetz sei mit dem EG-Recht unvereinbar; ihre Belastung mit der Abgabe verletze sie daher in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG. Außerdem machte sie geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe unter Verstoß gegen Art.177 Abs.3 EWGV keine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs eingeholt und sie daher in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art.101 Abs.1 Satz 2 GG) verletzt. Beide Rügen blieben erfolglos.

Entscheidungsauszüge:

      C. Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet.
      I. Die Beschwerdeführerin ist durch die angegriffenen Entscheidungen und die zugrundeliegende Vorschrift des §10 Abs.3 Nr.9 AbsfondsG nicht in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG verletzt.
      2. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, daß sie durch die Unvereinbarkeit des Absatzfondsgesetzes mit europäischem Gemeinschaftsrecht in ihrem Grundrecht aus Art.2 Abs.1 GG verletzt sei, ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde ist das Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage, ob eine innerstaatliche Norm des einfachen Rechts mit einer vorrangigen Bestimmung des europäischen Gemeinschaftsrechts unvereinbar ist und ob ihr deshalb die Geltung versagt werden muß, nicht zuständig; eine Entscheidung über diese Normenkollision ist insoweit der umfassenden Prüfungs- und Verwerfungskompetenz der zuständigen Gerichte überlassen (vgl. BVerfGE 31, 145 [174 f.]).
      I. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem verfassungsrechtlichen Anspruch auf den gesetzlichen Richter gemäß Art.101 Abs.1 Satz 2 GG.
      1. a) Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 [366 ff.]). In dieser Funktion hat der Europäische Gerichtshof die einheitliche Auslegung und Anwendung des Vertrages zu wahren und zu gewährleisten (Art.164, 173, 177 EWGV). Im Rahmen des miteinander verschränkten und für wechselseitige Einwirkungen zugänglichen Zusammenwirkens von mitgliedstaatlicher Rechtsordnung und Gemeinschaftsrechtsordnung ist die Anwendung des Gemeinschaftsrechts weitgehend den nationalen Gerichten überlassen. Art.177 EWGV weist dem Europäischen Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren jedoch die Aufgabe zu, das Gemeinschaftsrecht einheitlich auszlegen und die Beachtung des einheitlich ausgelegten Rechts zu gewährleisten. Art.177 EWGV soll sicherstellen, daß das Gemeinschaftsrecht in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft immer die gleiche Wirkung hat (EuGH, Urteil vom 16. Januar 1974, Rs. 166/73, Slg. 1974, S. 33 [38, Nr.2]).
      Auf dieser Grundlage sind die Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof geteilt. Das jeweilige nationale Gericht ist für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zuständig, hat also das Recht - einschließlich des Gemeinschaftsrechts - auf den Einzelfall anzuwenden. Sind für diese Einzelfallentscheidung Zweifel über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts oder die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsaktes zu klären, so trifft der Europäische Gerichtshof diese Vorabentscheidung gegenüber dem nationalen Gericht. Der Europäische Gerichtshof stellt also dem nationalen Gericht einen bisher zweifelhaften Rechtsmaßstab in einer für die Gemeinschaft einheitlichen Auslegung zur Verfügung; das nationale Gericht wendet diesen europarechtlichen Maßstab zusammen mit dem sonst einschlägigen Recht zur Entscheidung des anhängigen Einzelfalles an.
      b) Ein letztinstanzliches nationales Gericht ist unter den Voraussetzungen des Art.177 Abs.3 EWGV von Amts wegen gehalten, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Diese Anrufungspflicht nach dem EWG-Vertrag wird kraft der durch die Zustimmungsgesetze gemäß Art.24 Abs.1, Art.59 Abs.2 Satz 1 GG erteilten Rechtsanwendungsbefehle Teil der innerstaatlich geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und ist von ihren Gerichten zu beachten; der dem Einzelnen im Ausgangsverfahren zukommende Anspruch auf Wahrung der Gewährleistungen des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG bestätigt und bestärkt diese Pflicht zur Einleitung eines Vorlageverfahrens (vgl. BVerfGE 73, 339 [367 ff.]).
      Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Oktober 1982, C.I.L.F.I.T., Rs. 283/81, Slg. 1982, S. 3415 [3431]) muß ein nationales letztinstanzliches Gericht gemäß Art.177 Abs.3 EWGV seiner Vorlagepflicht nachkommen, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts stellt, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Frage bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt." Ein nationales Gericht darf einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage nur verneinen, wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf das innerstaatliche Gericht davon absehen, diese Frage dem Gerichtshof vorzulegen und sie statt dessen in eigener Verantwortung lösen (Urteil des Europäischen Gerichtshofs, a.a.O., S. 3430). Diese Auffassung entspricht auch einer im Schrifttum weitverbreiteten Meinung, wonach die Vorlagepflicht dann entfällt, wenn es auf die sich stellende Frage für jeden erfahrenen Juristen offensichtlich und vernünftigerweise nur eine Antwort geben kann (Daig in: Groeben/Boeckh/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, ... Art.177 RdNr.42 m.w.N.; Wohlfahrt in: Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, ... Art.177 RdNr.5 m.w.N.; vgl. auch Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr.608/78 des Abgeordneten Krieg in ABl. Nr.C 28/8 vom 31. Januar 1979). Die Entscheidungserheblichkeit der europarechtlichen Frage für den Ausgangsrechtsstreit hingegen beurteilt allein das nationale Gericht, bei dem der Ausgangsrechtsstreit anhängig ist.
      Außerdem sind alle innerstaatlichen Gerichte zur Vorlage verpflichtet, wenn sie eine Handlung von Gemeinschaftsorganen für fehlerhaft halten; die nationalen Gerichte können die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht selbst feststellen (EuGH, Urteil vom 22. Oktober 1987, Foto-Frost, Rs. 314/85, Slg. 1987, S.4225).
      c) ... Art.101 Abs.1 Satz 2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Durch diese grundrechtsähnliche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenden, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müßte. Vielmehr beurteilt das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeitsgarantie des Art.101 Abs.1 Satz 2 GG als Teil des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots, das auch die Beachtung der Kompetenzregeln fordert, die den oberen Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung überträgt und auf den Instanzenzug begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 [207]).
      Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art.177 EWGV kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Europarechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters - des Europäischen Gerichtshofs - vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen. Die Einheit der im EWG-Vertrag angelegten Rechtsordnung ist bedroht, wenn gleiches Recht in den jeweiligen Mitgliedstaaten ungleich gesprochen wird. Deshalb gliedert Art.177 EWGV den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften funktional in die Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten ein, soweit ihm im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts aufgegeben ist (vgl. BVerfGE 73, 339 [368]). Das Bundesverfassungsgericht überprüft nur, ob diese Zuständigkeitsregel in offensichtlich unhaltbarer Weise gehandhabt worden ist. Allein ein solcher Kontrollmaßstab entspricht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts.
      d) Die Vorlagepflicht wird insbesondere in den Fällen offensichtlich unhaltbar gehandhabt, in denen ein letztinstanzliches Hauptsachegericht eine Vorlage trotz der - seiner Auffassung nach bestehenden - Entscheidungserheblichkeit der gemeinschaftsrechtlichen Frage überhaupt nicht in Erwägung zieht, obwohl es selbst Zweifel hinsichtlich der richtigen Beantwortung der Frage hegt (grundsätzliche Verkennung der Vorlagepflicht). Gleiches gilt in den Fällen, in denen das letztinstanzliche Hautpsachegericht in seiner Entscheidung bewußt von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu entscheidungserheblichen Fragen abweicht und gleichwohl nicht oder nicht neuerlich vorlegt (bewußtes Abweichen ohne Vorlagebereitschaft; vgl. BVerfGE 75, 223). Liegt zu einer entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vor oder hat eine vorliegende Rechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nicht erschöpfend beantwortet oder erscheint eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht nur als entfernte Möglichkeit, so wird Art.101 Abs.1 Satz 2 GG nur dann verletzt, wenn das letztinstanzliche Hauptsachegericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (Unvollständigkeit der Rechtsprechung). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mögliche Gegenauffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage des Gemeinschaftsrechts gegenüber der vom Gericht vertretenen Meinung eindeutig vorzuziehen sind.
      2. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verstößt schon deshalb nicht gegen Art.101 Abs.1 Satz 2 GG, weil dieses Gericht gemäß Art.177 Abs.2 EWGV lediglich zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof berechtigt, nicht aber gemäß Art.177 Abs.3 EWGV zur Vorlage verpflichtet gewesen ist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist mit dem Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde angreifbar; deshalb liegen die Voraussetzungen des Art.177 Abs.3 EWGV nicht vor. Die von der Beschwerdeführerin gerügten europarechtlichen Fragen betreffen revisibles Bundesrecht im Sinne von §137 Abs.1 Nr.1 VwGO (vgl. BVerwGE 35, 277); Rechtsfragen aus dem Bereich des Gemeinschaftsrechts sind bereits dann grundsätzlich im Sinne von §132 Abs.2 Nr.1 VwGO und eröffnen damit den Revisionsrechtsweg, wenn sich voraussichtlich in einem künftigen Revisionsverfahren die Notwendigkeit ergeben würde, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen (vgl. BVerwGE, Beschluß vom 22. Juli 1986 - 3 B 104.85 - Buchholz 451.90 Nr.64, S. 128 ...).
      3. Der Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts verletzt nicht Art.101 Abs.1 Satz 2 GG, denn das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Nichtzulassung der Revision und damit die Entscheidung, das Verfahren nicht an den Europäischen Gerichtshof vorzulegen, die Beschwerdeführerin nicht ihrem gesetzlichen Richter entzogen.
      Das Bundesverwaltungsgericht verneint die Vorlageverpflichtung mit sachlich einleuchtender Begründung. Es orientiert sich an der einschlägigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs und setzt sich mit den Argumenten der Beschwerdeführerin auseinander. Begründete Zweifel an der Richtigkeit der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Frage drängen sich nicht in einer Weise auf, daß die Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof unvertretbar erschiene. Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Verfassungsbeschwerde lediglich geltend, daß der Europäische Gerichtshof die Vereinbarkeit des Absatzfondsgesetzes mit Art.30 EWGV bisher noch nicht geprüft habe und daß der Europäische Gerichtshof wettbewerbsverzerrende Maßnahmen einer zunehmend strengeren Überprüfung unterwerfe. Aus diesem Vorbringen läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung zu der gemeinschaftsrechtlichen Frage deutlich den Vorzug vor der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsmeinung verdient. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin gab dem Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung, eine Vorabentscheidung nach Art.177 EWGV einzuholen, zumal die Beschwerdeführerin sich lediglich auf Entscheidungen bezog, die das Bundesverwaltungsgericht selber ausführlich in früheren Entscheidungen gewürdigt hatte.
      4. Die Beschwerdeführerin ist auch nicht deshalb in ihrem Recht aus Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verletzt, weil die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Bundesregierung am 21. Oktober 1986 ersucht hat, sich gemäß Art.169 EWGV zu Fragen des Absatzfondsgesetzes zu äußern. Die Kommission war in diesem Schreiben zu der Auffassung gekommen, daß die Beitragserhebung nach dem Absatzfondsgesetz den EWG-Vertrag verletzen könnte.
      Selbst wenn sich aus einer solchen Äußerung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine Vorlageverpflichtung gemäß Art.177 Abs.3 EWGV und eine Verletzung von Art.101 Abs.1 Satz 2 GG ergeben könnte, vermag dieses Vorbringen der Verfassungsbeschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Bundesregierung nämlich erst nach dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts zu einer Stellungnahme aufgefordert. Das Bundesverwaltungsgericht hatte zum Zeitpunkt seiner Entscheidung keine Kenntnis von einer möglicherweise entgegenstehenden Rechtsauffassung der Kommission. Es ist daher nicht erkennbar, daß das Bundesverwaltungsgericht die Grenze grober Mißachtung oder Fehlanwendung des Gesetzesrechts überschritten und damit Art.101 Abs.1 Satz 2 GG verletzt hätte.
      Im übrigen hat die Kommission bereits am 10. Juni 1987 das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingestellt und der Bundesregierung in einem weiteren Schreiben mitgeteilt, die Untersuchungen zum Absatzfondsgesetz hätten zu dem Ergebnis geführt, daß ein Verstoß gegen Art.30 EWGV nicht vorliege.