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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1994


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Peter-Tobias Stoll

XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

a. GATT und WTO

    221. Auf einer Ministerkonferenz des GATT in Marrakesch unterzeichnete Deutschland am 15. April 1994 die Schlußakte der am 15. Dezember 1993 erfolgreich abgeschlossenen Uruguay-Runde sowie das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen.508 Die Bundesregierung führte dazu aus:

    "Das bisherige, aus dem Jahre 1947 stammende GATT ist mit seinen zahlreichen Unterabkommen und Einzelentscheidungen ein nur provisorisch angewandtes Vertragswerk und hatte keine eigene Rechtsfähigkeit. Zum Abschluß der GATT-Uruguay-Runde wurde die Errichtung einer völkerrechtlich selbständigen Welthandelsorganisation beschlossen. Das WTO-Übereinkommen schaffte einen umfassenden vertraglichen und institutionellen Rahmen für die Gestaltung der Handelsbeziehungen seiner Mitglieder. Es umfaßt das alte GATT 1947 mit seinen Unterabkommen und Entscheidungen sowie alle Ergebnisse der Uruguay-Runde."509
    Die Schlußakte enthält das Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation mit Anhängen sowie Entscheidungen und Erklärungen der Ministerkonferenz. Die Anhänge zum WTO-Übereinkommen enthalten vollständig die Ergebnisse der Uruguay-Runde. In Anhang 1 finden sich in einer ersten Untergruppe unter dem Titel "Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994" als Interpretationsregelungen gefaßte Abkommen zu einzelnen Artikeln des GATT.510 Außerdem enthält der erste Anhang zum WTO-Übereinkommen das Protokoll von Marrakesch zum allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen von 1994, das die Konzessionslisten511 enthält sowie insgesamt zwölf vertragliche Regelungen über einzelne Bereiche des Welthandels512, Investitionsmaßnahmen513 und verschiedene andere Themen.514 Als Anhang 1 B ist dem WTO-Übereinkommen das Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen beigefügt.515 Dazu gehört eine besondere Zugeständnisliste516 sowie eine Liste, mit der bestimmte Bereiche von der Geltung des in dem Übereinkommen vorgesehenen Meistbegünstigungsgrundsatzes ausgenommen sind.517 In Anhang 1 C zu dem WTO-Übereinkommen findet sich das Übereinkommen über die handelsrelevanten Aspekte des geistigen Eigentums.518 Anhang 2 enthält eine Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten und einen Ministerbeschluß.519 Schließlich enthält die Schlußakte noch vier sog. plurilaterale Handelsabkommen, bei denen es sich um neu gefaßte GATT-Kodizes handelt, die nur für den Kreis der Signatarstaaten verbindlich sind. Der Bundeswirtschaftsminister hob im Hinblick auf die Gründung der WTO hervor520:
    "Sie wird dazu beitragen, daß der mit der Uruguay-Runde zunächst zum Abschluß gebrachte Prozeß der Handelserleichterungen, der Zollsenkungen, der Verbesserungen bei Dienstleistungen, permanent in dieser Organisation vorangebracht werden kann und vollzogen wird. Noch wichtiger ist: Wir werden mit dieser Welthandelsorganisation erstmals auch ein funktionierendes Schlichtungsinstrument schaffen. Es wird im Welthandel dann weniger nach dem Motto 'Auge um Auge, Zahn um Zahn' gehen. Wenn man tatsächlich oder mutmaßlich Handelsprobleme und Maßnahmen eines Landes hat hinnehmen müssen, reagiert man eben nicht mit Vergeltungsmaßnahmen. Vielmehr sollen in dieser internationalen Schlichtungseinrichtung die Dinge möglichst in die Reihe gebracht werden. Das ist ein ganz großer Fortschritt; das ist ein Durchbruch im Welthandel."521
    Zum Stand der Liberalisierung in Einzelbereichen erklärte der Bundeswirtschaftsminister:
    "Nachverhandlungen sind notwendig, und zwar in erster Linie bei Dienstleistungen, hier insbesondere bei den Finanzdienstleistungen, aber auch im Seeverkehr. Der audiovisuelle Bereich ist nicht abschließend geregelt. Wir werden uns über ein multilaterales Abkommen über Zivilflugzeuge und auch eine multilaterale Regelung für Stahl unterhalten müssen."522
    Im Hinblick auf die mit der WTO angestrebte Vertiefung der Integration der Entwicklungsländer in das multilaterale Handelssystem legte der Bundeswirtschaftsminister dar:
    "Außerdem haben wir in Marrakesch gegenüber den Entwicklungsländern eine Verpflichtungserklärung abgegeben: 'Wir werden die Auswirkungen der Uruguay-Runde mit Blick darauf überprüfen, daß positive Maßnahmen zur Erreichung ihrer Entwicklungsziele unterstützt werden.'"523
    Weiter begrüßte der Bundeswirtschaftsminister, daß eine große Zahl von Ländern einen Antrag auf Mitgliedschaft im GATT bzw. der WTO gestellt habe. Er führte dazu aus:
    "Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß diese Beitrittsverhandlungen jetzt aufgeschlossen und zügig vorankommen. Gerade die Länder des ehemaligen Ostblocks müssen eine Beitrittsperspektive haben. Ihre Mitgliedschaft wird wesentlich zum Gelingen des strukturellen Reformprozesses beitragen."524
    Der Zeichnung war ein Streit mit der EG-Kommission vorausgegangen, in dem diese für das gesamte Übereinkommen die Abschlußkompetenz der EG beanspruchte.525 Auf einer Sitzung des Rats der EG am 7. März 1994 wurde jedoch entschieden, daß die Schlußakte und das WTO-Übereinkommen sowohl von der Gemeinschaft als auch von den Mitgliedstaaten der EG unterzeichnet werden sollten.526 Zu dem Streit führte die Bundesregierung aus:
    "Die Bundesregierung und die übrigen EG-Mitgliedstaaten sind ... der Auffassung, daß die Verhandlungsergebnisse neben unstreitigen EG-Kompetenzen auch nationale Kompetenzbereiche berühren. Dies gilt insbesondere für die Zollzugeständnisliste der EG zum Marrakesch-Protokoll 1994 hinsichtlich der Waren, die unter den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl � EGKS � fallen, für das neue Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen � GATS � für das ebenfalls neue Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums � TRIPs � sowie hinsichtlich der Vereinbarung zur Streitbeilegung. Da alle diese Übereinkommen von der Schlußakte umfaßt werden und zur Arbeitsmaterie der neuen Welthandelsorganisation gehören, sind nach Auffassung der Bundesregierung auch die Schlußakte und das WTO-Übereinkommen ratifizierungsbedürftig. Die in Marrakesch vorgenommenen Unterzeichnungen präjudizieren die zwischen der EG-Kommission und den EG-Mitgliedstaaten offene Rechtsfrage nicht."527
    In diesem Streit beantragte am 6. April 1994 die Kommission beim Europäischen Gerichtshof ein Gutachten zu der Frage, wem die Abschlußkompetenz zukomme. Dieses Gutachten erstattete der EuGH am 15. November 1994.528 Er kommt darin zu der Auffassung, daß die Gemeinschaft gemäß Art. 113 EGV für den Abschluß der multilateralen Handelsübereinkünfte allein zuständig sei. Die Zuständigkeit für den Abschluß des GATS sei jedoch zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geteilt. Ebenso geteilt sei die Zuständigkeit für den Abschluß des TRIPS.

    222. Mit dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. April 1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation und zur Änderung anderer Gesetze vom 30. August 1994 stimmte der Bundestag dem WTO-Übereinkommen zu. Weiterhin finden sich in dem Gesetz Regelungen zur Umsetzung der sich aus dem Übereinkommen für Deutschland ergebenden Verpflichtungen. Zur Welthandelsorganisation heißt es in der Denkschrift:

    "Die Welthandelsorganisation besitzt eigene Rechtspersönlichkeit, hat aber zugleich einen deutlich kontraktuellen Charakter. ... Die Verfahrensregeln zur Beschlußfassung waren lange strittig und folgen nach schwierigem Kompromiß im Grundsatz dem für das GATT typischen Konsensprinzip (Art. IX). Abweichend hiervon können nach Art. X und genau definierten Kriterien Änderungen einzelner Bestimmungen des WTO-Übereinkommens und der in Annex I aufgeführten Übereinkommen, die nicht den Kernbereich der Verpflichtungen (Meistbegünstigungsprinzip) betreffen, durch Mehrheitsvoten durchgesetzt werden. Ob hierdurch im Einzelfall deutsche Rechtsnormen betroffen werden können, ist derzeit völlig unvorhersehbar. Eine antizipierte Zustimmungsregelung erscheint daher insoweit nicht angebracht. Im übrigen stünde der Bundesrepublik Deutschland für den � sehr unwahrscheinlichen � Fall inakzeptabler Mehrheitsbeschlüsse als äußerste Möglichkeit der Austritt aus der WTO offen."529
    Im Hinblick auf die Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Europäischen Gemeinschaft an dem WTO-Abkommen führt die Denkschrift aus:
    "Originäre Mitglieder der Welthandelsorganisationen werden alle bisherigen GATT-Mitglieder (d.h. auch die Bundesrepublik Deutschland) sowie die Europäischen Gemeinschaften, die das WTO-Abkommen akzeptieren und für die Listen von Zollzugeständnissen und Liberalisierungsverpflichtungen im Dienstleistungshandel vorliegen. ... Alle Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation sind ... auch Mitglieder der Ministerkonferenz und aller Räte. Bei Abstimmungen hat die EG aber nur so viele Stimmen wie die Zahl ihrer Mitgliedstaaten. Einzelheiten der EG-internen Aufgabenverteilung bei der künftigen mitgliedschaftlichen Mitwirkung in der Welthandelsorganisation (z.B. Außenvertretung in Handelsverhandlungen und Streitschlichtungsverfahren, Rede- und Antragsrecht in den Ausschüssen) müssen noch EG-intern geklärt werden, wobei Kohärenz nach außen und Solidarität im Innenverhältnis zu wahren sind. Die endgültige EG-interne Regelung dieser Fragen ist voraussichtlich erst möglich, wenn die Meinungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und der EG-Kommission über die Kompetenzverteilung geklärt sind."530
    Ausdrücklich ausgewiesen sind in der Denkschrift diejenigen Abkommen, die der Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaften unterliegen und deshalb nicht ratifiziert werden. Dazu gehören das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994, die Vereinbarung zur Auslegung von Art. II: 1 (b) und die zur Auslegung von Art. XVII, diejenige über Zahlungsbilanzbestimmungen des GATT und über die Auslegung von Art. XXIV bzw. XXV und XXVIII. Weiterhin gehört dazu das Marrakesch-Protokoll zum allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen 1994, soweit es Warenbereiche außer der EGKS betrifft. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang das Agrarabkommen genannt, wobei ausführlich die Auswirkungen auf die gemeinsame Agrarpolitik geschildert werden. Außerdem gehörten dazu die Entscheidung über Maßnahmen hinsichtlich möglicher negativer Auswirkungen des Reformprogramms auf am wenigsten entwickelte Länder und Nettoimporteure von Nahrungsmitteln unter Entwicklungsländern, das Übereinkommen über Gesundheits- und Pflanzengesundheitsmaßnahmen, das Übereinkommen über Textilien und Bekleidung, über technische Handelshemmnisse, über handelsrelevante Investitionsmaßnahmen (TRIMS), zur Durchführung von Art. VI GATT (Anti-Dumping), das Übereinkommen zur Durchführung von Art. VII GATT (Zollwert), dasjenige über Exportpreisprüfung bzw. Ursprungsregelungen, über Einfuhrlizenzen, Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Schutzmaßnahmen sowie das beschlossene Verfahren zur Überprüfung der Handelspolitiken. Ferner gehören hierzu die in Anhang 4 aufgeführten plurilateralen Handelsübereinkommen, die aus ehemaligen GATT-Kodizes entstanden sind und nur für die jeweiligen Signatarstaaten verbindlich sind. Dies sind die Übereinkommen über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen, über öffentliches Beschaffungswesen, über Milcherzeugnisse und über Rindfleisch. Außerdem erwähnt die Denkschrift in diesem Zusammenhang die Ministerentscheidung über Maßnahmen zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder.531 532

    223. Im Hinblick auf die in der Schlußakte enthaltenen "gemischten" Übereinkommen führt die Bundesregierung in ihrer Denkschrift aus:

    "Die in den oben erwähnten 'gemischten' Übereinkommen enthaltenen Regelungen entsprechen ganz überwiegend der in Deutschland geltenden Rechts- und Gesetzeslage. Zur Umsetzung der völkerrechtlichen Verpflichtungen sind daher Änderungen des innerstaatlichen deutschen Rechts nur in geringem Umfang erforderlich; zudem ist ein Teil der Vertragsbestimmungen, jedenfalls aus dem Übereinkommen über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums, innerstaatlich unmittelbar anwendbar. Im einzelnen sind gesetzliche Änderungen erforderlich
    � aufgrund des allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen:
     � der Bundesrechtsanwaltsordnung
     � des Rechtsanwaltsgesetzes
     � des Rechtsberatungsgesetzes
     � der Wirtschaftsprüferordnung
    � aufgrund des Übereinkommens über die handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums:
     � des Erstreckungsgesetzes hinsichtlich der Patentdauer."

    224. Die erforderliche Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung wird mit Art. 2 des Zustimmungsgesetzes vorgenommen. Sie sieht vor, daß § 206 Abs. 2 neu gefaßt wird. Damit entfällt die im bisherigen Recht geforderte Verbürgung der Gegenseitigkeit als Voraussetzung für die Aufnahme eines ausländischen Mitglieds der Rechtsanwaltskammer. Darüber hinaus wird die bislang vorgesehene Befugnis zur Rechtsbesorgung im Recht des Herkunftsstaates für diesen Personenkreis um das Völkerrecht erweitert. Die Neuregelung des Abs. 2 sieht für Angehörige von Vertragsstaaten des GATS von der Gegenseitigkeit ab.533

    225. Mit Art. 5 des Vertragsgesetzes wird § 5 des Erstreckungsgesetzes geändert. Nach diesem § 5 war auf Patente mit Ursprung in der ehemaligen DDR das Recht der ehemaligen DDR anwendbar, das eine Patentlaufzeit von 18 Jahren ab dem Anmeldetag vorsah. Die Änderung mußte erfolgen, weil Art. 33 des TRIPS-Abkommens eine Patentlaufzeit von mindestens 20 Jahren vorsieht und nach Art. 70 Abs. 2 des Abkommens auch auf Patente anwendbar ist, die bereits angemeldet worden sind.534

    226. Art. 6 des Vertragsgesetzes betrifft eine Änderung des § 10 Abs. 2 Nr. 3 der Wirtschaftsprüferordnung, nach der bisher die Zulassung zur Prüfung als Wirtschaftsprüfer versagt werden konnte, sofern der Bewerber nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum war und die Gegenseitigkeit nicht gewährleistet war. Diese Reziprozitätsvoraussetzung widerspricht der Meistbegünstigungspflicht nach Art. II Abs. 1 des GATS. Zu dieser Änderung führt die Bundesregierung in ihrer Begründung zu dem Vertragsgesetz aus:

    "Die Europäische Union hat am Schluß der Verhandlungen der Uruguay-Runde auf eine ganze Reihe derartiger Gegenseitigkeitserfordernisse der Union und vieler Mitgliedstaaten für verschiedene Dienstleistungssektoren wie Banken, Versicherungen und freie Berufe verzichtet, weil insgesamt ein befriedigendes Niveau spezifischer Liberalisierungsverpflichtungen auf Meistbegünstigungsbasis erreicht wurde, besonders auch im Bereich Wirtschaftsprüfung seitens einer Reihe wichtiger Staaten einschließlich vieler US-Staaten. Das Gegenseitigkeitserfordernis in § 10 Abs. 2 Nr. 3 WPO ist deshalb zu streichen."535

    227. Deutschland hinterlegte am 30. Dezember 1994 beim Generaldirektor der Vertragsparteien des GATT (1947) die Annahmeurkunde für das WTO-Abkommen. Dieses trat für Deutschland am 1. Januar 1995 in Kraft.536

    228. Zu der während der Uruguay-Runde mehrfach angesprochenen Thematik der Arbeits- und Sozialstandards in der Welthandelsordnung, die der Bundesrat aufgegriffen hatte537, bemerkte die Bundesregierung, daß vor deren Behandlung in der WTO � wozu es spezifischer Ministerentscheidungen im Einvernehmen der Mitglieder bedarf � "eine gründliche Analyse in den dafür zuständigen und geeigneten Organisationen, vor allem in der OECD und den Vereinten Nationen (ELO und ECOSOC)" erforderlich sei.538 Der Bundeswirtschaftsminister äußerte sich dazu folgendermaßen:

    "... spannungsgeladen und politisch hochsensibel ist der ... Themenkomplex Arbeits- und Sozialstandard ... niemand kann ausbeutende Kinderarbeit, Gefangenenarbeit und Zwangsarbeit akzeptieren. Wir müssen entschlossen darauf hinwirken, daß diese unerträglichen Zustände in der Welt überwunden werden. Dazu brauchen wir Konsens, wir brauchen Kooperation, wenn notwendig, auch politischen Druck. Aber ... wir wollen keine neuen Barrieren schaffen, die den Kreislauf von Armut, Arbeitslosigkeit und Kinderarbeit weiter verstärken. Wir wollen eine Diskussion im multilateralen Rahmen, in die alle Beteiligten ihre Beiträge einbringen. Ganz wichtig ist, daß diese Diskussion in den richtigen Gremien � in den Gremien der Vereinten Nationen und der ILO, der Weltarbeitsorganisation � stattfindet. Diese Diskussion wird sicher auch die WTO beschäftigen. Sie darf aber nicht die zuständige Arbeit der WTO dominieren oder gar lähmen. Und eines muß klar sein: Weder Umweltschutz noch Arbeits- und Sozialstandards dürfen zum Vehikel von Handelsbeschränkungen gemacht werden. Einige warten nur darauf, daß sie mit diesem Vehikel den Protektionismus der Welt neu beleben können. Wir würden alle daran Schaden nehmen, und gerade diejenigen würden Schaden nehmen, die die Umwelt- und Sozialstandards in der Welt verbessern wollen."539
    Zum Themenkomplex Handel- und Umwelt, der auf der Konferenz in Marrakesch in Form einer Ministerentscheidung Berücksichtigung gefunden hatte, mit der ein besonderer Ausschuß für Handel und Umwelt eingerichtet wurde540, führte der Bundeswirtschaftsminister aus:
    "Zahlreiche neue Komplexe und kontroverse Themenbereiche werden in Kürze auf der Agenda handelspolitischer Gremien stehen. Hierzu gehört das Spannungsverhältnis zwischen Handel und Umwelt. Handels- und Umweltpolitik sind eng miteinander verknüpft. So lassen sich viele Produkte weltweit kaum produzieren oder transportieren, ohne daß dies Auswirkungen auf die Umwelt hat. Umgekehrt kann nationale Weltpolitik den internationalen Handel beeinflussen; denken wir an unterschiedliche Standards, die sich auf die Produktionskosten vor Ort auswirken. Das wird von einigen als Bedrohung empfunden. Sie sprechen sogar von Umweltdumping. Und nun wird mit der Einsetzung eines Ausschusses in der WTO � in Marrakesch so beschlossen � die Frage eines global wirksamen Umweltschutzes einen entscheidenden Schritt vorwärts machen. Wir haben dies so vereinbart und sehen in diesem Gremium eine geeignete Institution, um diese wichtigen Zusammenhänge zu diskutieren."541
    Außerdem machte der Bundeswirtschaftsminister auf folgendes aufmerksam:
    "Ein drittes wichtiges Thema betrifft die Schnittstelle zwischen Handel und Wettbewerbspolitik. Grenzüberschreitende Investitionen sowie weltumspannende Aktivitäten von multinationalen Unternehmen entziehen sich oft der Kontrolle herkömmlicher Wettbewerbsvorschriften, obwohl sie häufig wettbewerbsverzerrende oder handelsbeschränkende Wirkungen haben. Wir können beobachten, daß der politische Druck wächst, auf diese Verzerrungen mit handelspolitischen Maßnahmen zu reagieren. Eine solche Entwicklung könnte die neuen GATT-Vereinbarungen und Konzessionen konterkarieren und entwerten. Deshalb sollte über das Ob und das Wie einer internationalen Wettbewerbsordnung bald gesprochen werden."542

    229. Die Botschafterkonferenz Asien-Pazifik, die unter der Leitung des Bundesaußenministers im Januar 1994 stattfand, setzte sich nachdrücklich für die Aufnahme Chinas und Taiwans in das GATT bzw. die WTO und für die Aufnahme weiterer Mitglieder aus dem Kreise der dynamischen Volkswirtschaften Asiens in die OECD ein.


    508 BT-Drs. 12/7655 (neu); siehe Langenfeld (Anm. 4), Ziff. 154; Walter (Anm. 29), Ziff. 193; siehe zum Ganzen auch Peter-Tobias Stoll, Die WTO: Neue Welthandelsorganisation, neue Welthandelsordnung, ZaöRV 54 (1994), 241-339.
    509 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7655 (neu), 337.
    510 Sie betreffen die Einbeziehung von nicht tarifären Handelshemmnissen in die Zugeständnislisten (Understanding on the Interpretation of Art. II: 1 (b) of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); Staatshandelsunternehmen (Understanding on the Interpretation of Art. XVII of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); Importbeschränkungen aus Zahlungsbilanzgründen (Understanding on the Balance of Payments Provision of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 � Art. XII, XVIII: B); Freihandelszonen und Zollunionen (Understanding on the Interpretation of Art. XXIV of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); Waiver (Ausnahmen) (Understanding in Respect of Waivers of Obligations under Art. XXV of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); die Abänderung von Zugeständnissen (Understanding on the Interpretation of Art. XXVIII of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994).
    511 Siehe BT-Drs. 12/755 (neu), 200 und BGBl. 1994 II, 1453 (englisch) bzw. 1631 (deutsch).
    512 Agreement on Agriculture, Agreement on Textiles and Clothing.
    513 Agreement on Trade-Related Investment Measures.
    514 Gesundheitspolizeiliche Maßnahmen (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures); technische Handelshemmnisse (Agreement on Technical Barriers to Trade); Dumping- und Anti-Dumpingzölle (Agreement on Implementation of Art. VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); Zollwertfestsetzungen (Agreement on Implementation of Art. VII of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994); Pre-Shipment Inspection (Agreement on Pre-Shipment Inspection); Ursprungsregelungen (Agreement on Rules of Origin); Importlizenzen (Agreement on Import Licencing Procedures); Subventionen und Ausgleichszölle (Agreement on Subsidies and Countervailing Measures) sowie Schutzmaßnahmen (Agreement on Safeguards).
    515 BGBl. 1992 II, 1473 (englisch) bzw. 1643 (deutsch).
    516 Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zum allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, BGBl. 1994 II, 1521 (englisch) bzw. 1678 (deutsch).
    517 Endgültige Liste der Ausnahmen zu Art. II (Meistbegünstigung) der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten zum allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, BGBl. 1994 II, 1560 (englisch) bzw. 1723 (deutsch).
    518 BGBl. 1994 II, 1565 (englisch) bzw. 1730 (deutsch).
    519 BGBl. 1994 II, 1598 (englisch) bzw. 1749 (deutsch).
    520 Bull. Nr. 36 vom 26.4.1994, 318.
    521 Ibid.
    522 Ibid.
    523 Ibid.
    524 Ibid.
    525 Meinhard Hilf, EG-Außenkompetenzen in Grenzen. Das Gutachten des EuGH zur Welthandelsorganisation, EuZW 1995, 7 ff.
    526 Denkschrift der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7655 (neu), 335 (337).
    527 Ibid., 337.
    528 EuGH, Gutachten vom 15.11.1994-1/94, EuZW 1995, 210; siehe auch Hilf (Anm. 525).
    529 BT-Drs. 12/7655 (neu), 337.
    530 BT-Drs. 12/7655 (neu), 339 f.
    531 BT-Drs. 12/7655 (neu), 348.
    532 Im Entwurf des Zustimmungsgesetzes heißt es im Hinblick auf die Veröffentlichung der Texte der Schlußakte: "Die Veröffentlichung erfolgt nur bezüglich derjenigen Übereinkommen, bei denen eine � zumindest teilweise � nationale Gesetzgebungskompetenz besteht: Marrakesch-Protokoll zum allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen 1994 und ... Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und ... Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs), Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung. Die übrigen Übereinkommen werden im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Die Zollzugeständnislisten sowie die Listen der Verpflichtungen und Meistbegünstigungsausnahmen im Dienstleistungshandel der übrigen Mitglieder der Welthandelsorganisation können beim Sekretariat dieser Organisation in Genf eingesehen werden.", BT-Drs. 12/7655 (neu), 5, Anm. 1. Nach Fertigstellung der deutschen Übersetzung durch die Europäische Kommission machte die Bundesregierung diejenigen multilateralen Übereinkommen der GATT-Uruguay-Runde, die nicht unter die nationale Gesetzgebungszuständigkeit fallen, in dieser Übersetzung bekannt, BT-Drs. 12/7968 zu BT-Drs. 12/7655 (neu).
    533 Begründung zum Vertragsgesetz, BT-Drs. 12/7655 (neu), 7.
    534 Ibid.
    535 Ibid.
    536 BGBl. 1995 II, 456.
    537 In seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf führte der Bundesrat aus: "Der Bundesrat hält es für erforderlich, daß der Themenbereich 'Handel und soziale Normen' Gegenstand des Arbeitsprogramms an der Welthandelsorganisation wird. Allerdings darf das nicht zum Vorwand für protektionistische Absichten im Welthandel werden. Diese Fragen sollen in einem konstruktiven Dialog mit den betroffenen Ländern behandelt werden", BT-Drs. 12/7984, 3.
    538 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundestags, ibid., 5.
    539 Bull. Nr. 36 vom 26.4.1994, 317, 319.
    540 Umwelt 7-8/1994, 264 (265).
    541 Bull. Nr. 36 vom 26.4.1994, 318.
    542 Ibid., 319.