Rainer Grote
1. Ausländische Streitkräfte in Deutschland
311. Am 27. Juli 1995 trat das Gesetz über die Rechtsstellung ausländischer Streitkräfte bei vorübergehenden Aufenthalten in der Bundesrepublik Deutschland (Streitkräfteaufenthaltsgesetz) in Kraft.784 Das Gesetz soll eine Rechtsgrundlage für den Aufenthalt von ausländischen Streitkräften in der Bundesrepublik im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" schaffen. Nach Auffassung der Bundesregierung ist das Gesetz selbst dann notwendig, wenn die angestrebte multilaterale vertragliche Regelung (dazu oben unter XVI.2., Ziff. 276) zustande kommt, da das NATO-Truppenstatut, dessen Anwendung die fragliche Regelung vorschreiben würde, für die Stationierung und das ständige Zusammenwirken von Bündnispartnern konzipiert wurde, nicht jedoch für den vorübergehenden Aufenthalt oder Übungen fremder Streitkräfte.785 Die Rechtsstellung sowohl der Vertragsparteien des NATO-Truppenstatuts als auch des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut werden nicht berührt.786
Durch Art. 1 des Gesetzes wird die Bundesregierung ermächtigt, auf der Basis der Gegenseitigkeit Vereinbarungen mit ausländischen Staaten über Einreise und vorübergehenden Aufenthalt ihrer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland für Übungen, Durchreise auf dem Landweg und Ausbildung von Einheiten durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft zu setzen. In Art. 2 sind eine Reihe von Regelungen aufgeführt, die in die mit den Partnerstaaten zu schließenden Vereinbarungen jeweils Eingang finden sollen, soweit dies nach dem Gegenstand und Zweck der Vereinbarung erforderlich ist. Danach sollen Mitglieder ausländischer Streitkräfte während ihres Aufenthalts in der Bundesrepublik nur insoweit zum Besitzen und zum Führen von Waffen berechtigt sein, als dies für den dienstlichen Zweck ihres Aufenthalts unerläßlich ist (Art. 2, § 5). Sie unterliegen grundsätzlich der deutschen Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, doch soll von der Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit bei Straftaten abgesehen werden, es sei denn, daß wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung erfordern (Art. 2, § 7). Die Disziplinargewalt über die Mitglieder der ausländischen Streitkräfte liegt grundsätzlich bei den vom ausländischen Staat zu bestimmenden Behörden oder Vorgesetzten. Allerdings dürfen Disziplinarmaßnahmen, die die Würde des Menschen verletzen, in der Bundesrepublik weder verhängt noch vollstreckt werden.
Auf der Grundlage des Streitkräfteaufenthaltsgesetzes schloß die Bundesregierung im Berichtszeitraum mit Polen eine Vereinbarung zur Regelung der Übung "Spessart 95" ab787, der ersten Übung, die in Deutschland im Zusammenhang mit dem PfP-Programm durchgeführt wurde.788
312. Mit Notenwechsel vom 13. Juli 1995 trafen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten eine Vereinbarung über die Anwendung des Artikels 73 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut789 bei der Beschäftigung technischer Fachkräfte durch die US-Streitkräfte.790