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Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1.12.1987 (1 C 29.85), BVerwGE 78, 285 (s.820 [87/1])
1. ... Der Kläger beruft sich auf die in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 ... enthaltene Unschuldsvermutung. Nach Art.6 Abs.2 EMRK wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld unschuldig ist. Diese bereits im Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes begründete ... Unschuldsvermutung bezieht sich auf den subjektiven Schuldvorwurf im Rahmen eines Strafverfahrens; denn sie schützt nur den "wegen einer strafbaren Handlung Angeklagten". Sie hat keine Auswirkungen auf die Ausweisungstatbestände des §10 Abs.1 AuslG, weil diese einen subjektiven Schuldvorwurf nicht notwendig einschließen, sondern lediglich objektiv die Sachverhalte gesetzlich konkretisieren, die vornehmlich im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Anlaß für die Entfernung von Ausländern aus dem Bundesgebiet bieten können (BVerwGE 60, 75 [76]). Die Objektivierung der Ausweisungstatbestände wird besonders in den Nrn.1, 3, 9, 10 und 11 des §10 Abs.1 AuslG deutlich, gilt aber ebenfalls für den Tatbestand der strafgerichtlichen Verurteilung in Nr.2, auch wenn das Strafgericht seinerseits eine Verurteilung nicht ohne Feststellung eines Schuldvorwurfs aussprechen darf ...