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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 2000


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1881. VORABENTSCHEIDUNGSVERFAHREN

Nr.89/2

Holt ein Finanzgericht nach Zurückverweisung einer Sache durch den Bundesfinanzhof eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ein, so ist diese nach Art.177 EWG-Vertrag ungeachtet der Bindung des Finanzgerichts an die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs nach §126 Abs.5 FGO verbindlich.

A German tax court, having requested a preliminary ruling from the European Court of Justice in a case on remand, will be bound by this ruling according to Art.177 of the EEC Treaty, irrespective of the binding force of the legal reasoning of the Federal Tax Court (§126 [5] of the Tax Court Code).

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 6.9.1989 (4 K 226/86 Z), RIW 1990, 230 (ZaöRV 51 [1991], 225)

Einleitung:

      Hebt der Bundesfinanzhof das mit Revision angefochtene finanzgerichtliche Urteil auf und verweist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so hat nach §126 Abs.5 FGO das Finanzgericht seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen. Holt das Finanzgericht nunmehr eine Vorabentscheidung des EuGH ein, fragt sich, ob es der Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs oder des EuGH Vorrang einräumen muß.

Entscheidungsauszüge:

      Die vom EuGH vorgenommene Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hat gegenüber einer nur nach nationalem Recht bestehenden Bindungswirkung in der rechtlichen Beurteilung Vorrang. Die auch einem Instanzgericht nach Art.177 des EWG-Vertrages gegebene Möglichkeit eines Vorabentscheidungsersuchens wegen Auslegung von Gemeinschaftsrecht, das selbst nach einer Revision und Zurückverweisung nicht ausgeschlossen ist [EuGH, Slg.1974, 33 und 139], erfordert, die in diesem supranationalen Zwischenverfahren getroffene Entscheidung der eigenen Entscheidung zugrunde legen zu können. Anderenfalls verlöre das Vorabentscheidungsverfahren seinen Sinn.
      Eine weitergehende Bindung des erkennenden Gerichts nach §126 Abs.5 FGO wäre auch nicht verfahrensökonomisch ..., denn die durch den EuGH bestimmte, geänderte Auslegung müßte dann erst in einem Revisionsverfahren berücksichtigt werden, ohne daß es dort zu einer abschließenden Entscheidung kommen kann, sollten noch weitere Tatsachenfeststellungen aufgrund der Entscheidung des EuGH erforderlich werden ...
      Soweit vertreten wird, §126 Abs.5 FGO habe Vorrang vor Entscheidungen nach Art.177 EWG-Vertrag ..., lehnt der Senat diese Auslegung ab. Die für die ausweitende Auslegung des §126 Abs.5 FGO gegebene Begründung, hinsichtlich der Bindungswirkung gehe es primär um die nur deutschen Gerichten zustehende Auslegung des §126 Abs.5 FGO, nicht um die Auslegung des EWG-Vertrags ..., verkennt die unmittelbare Geltung des anzuwendenden und der Entscheidung zugrundeliegenden, auslegungsbedürftigen Gemeinschaftsrechts. Erfordert die Sicherung einer einheitlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, den nationalen Gerichten ein unbeschränktes Recht zur Vorlage an den EuGH zu geben ..., kann dessen einheitliche Anwendung nicht durch eine nationale Vorschrift wie §126 Abs.5 FGO, die unter anderem auch der einheitlichen nationalen Rechtsanwendung dient, eingeschränkt werden.

Hinweis:

      Das Urteil ist rechtskräftig. Vgl. auch BFH, Urteil vom 2.4.1996 (VII R 119/94), EuZW 1996, 668.