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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


II. Forschungsvorhaben

D. Internationales Umweltschutzrecht und Seerecht

2. Der völkerrechtliche Schutz der Wälder - Nationale Souveränität, multilaterale Schutzkonzepte und unilaterale Regelungsansätze (Dissertation)

Angesichts der Tatsache, daß die Zerstörung der weltweiten Waldbestände eines der derzeit größten globalen Umweltprobleme darstellt und in den letzten Jahrzehnten ein kontinuierlicher und bisher nicht kontrollierter Prozeß der Waldvernichtung vor allem in den tropischen Gebieten der Erde zu registrieren ist, zeigt die Dissertation von Beate Schulte zu Sodingen zunächst in einem einführenden Kapital die maßgeblichen Aspekte der weltweiten Waldzerstörung in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht auf. Sodann werden in einem zweiten Kapital bestehende Maßnahmen zum internationalen Waldschutz ebenso wie zukünftige Instrumente vor dem Hintergrund der Diskussion um eine rechtlich verbindliche Waldschutzkonvention untersucht. Angesichts der weltwirtschaftlichen Verflechtungen des Forstsektors und des Holzhandels wird in einem weiteren Kapitel geprüft, ob und inwieweit durch unilaterale außenhandelspolitische Instrumente in Form von Verwendungsbeschränkungen und Kennzeichnungsregelungen in völkerrechtlich zulässiger Weise Einfluß auf die Vernichtung der weltweiten Waldbestände ausgeübt werden kann.

Die Arbeit stellt zunächst die derzeitige Situation der weltweit wichtigsten Waldökosysteme, die unterschiedlichen Funktionen der Wälder sowie die regionalspezifischen Ursachen für die Waldverluste dar. Schwerpunktmäßig geht die Verfasserin dabei auf die forstwirtschaftliche Nutzung der Wälder und die Bedeutung des internationalen Holzhandels sowie die diesbezüglichen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen ein. Die Untersuchung konzentriert sich nicht nur auf die gefährdeten Tropenwälder, sondern berücksichtigt auch die spezifischen Probleme der Wälder in den mittleren und nördlichen Breiten, wie beispielsweise das dort verstärkt auftretende Phänomen der Waldschäden infolge starker Luftverschmutzungen. Auch wenn es nach den jüngsten Statistiken der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erste Anzeichen dafür gibt, daß sich die Entwaldungstendenzen in den Entwicklungsregionen während der letzten Jahren verlangsamt haben, ist die globale Bedrohung der Wälder weiterhin besorgniserregend hoch.

Sodann werden im zweiten Teil die derzeitigen politischen Prozesse und internationalen Instrumentarien zum Waldschutz unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung des Umweltvölkerrechts beschrieben. Als zeitliche Eckpfeiler dienen die bisherigen Umweltkonferenzen der Vereinten Nationen in Stockholm (1972), Rio de Janeiro (1992) und New York (1997). Die Jahre zwischen diesen bedeutsamen internationalen Umweltkonferenzen waren geprägt von zahlreichen Regelungsaktivitäten im Umweltbereich, bei denen das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) verstärkte Aufmerksamkeit erfahren hat. Die vorliegende Arbeit untersucht insbesondere die waldpolitischen Aktivitäten nach der UN-Umweltkonferenz in Rio, die maßgeblich vom Intergovernmental Panel on Forests (IPF) sowie von dessen Nachfolgeorgan, dem Intergovernmental Forum on Forests (IFF), begleitet worden sind. Außerdem wird das erst im Oktober 2000 eingesetzte UN Forum on Forests (UNFF) als Nebenorgan des Entwicklungs- und Sozialrats der Vereinten Nationen mit seinen Aufgaben vorgestellt. Nachdem zuletzt im Rahmen des UN-Umweltgipfels 1997 in New York der vergebliche Versuch unternommen worden ist, ein zwischenstaatliches Verhandlungskomitee zur Erarbeitung einer Waldkonvention einzusetzen, liegt es nunmehr in der Hand des UNFF, bis zum Jahre 2005 Empfehlungen bezüglich eines Verhandlungsmandats für ein Rechtsinstrument zum Schutz aller Wälder auszusprechen.

Neben den waldspezifischen UN-Foren werden mit Blick auf den dritten Teil der Untersuchung das Internationale Tropenholzabkommen sowie die Internationale Tropenholzorganisation ausführlicher darstellt. Des weiteren untersucht die Verfasserin die auf der Rio-Konferenz 1992 verabschiedete rechtlich unverbindliche Waldgrundsatzerklärung, das für den Waldschutz maßgebliche Kapitel 11 der Agenda 21 sowie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt sowie die Klimarahmenkonvention auf mögliche Waldschutzaspekte hin. Welche Rolle die Wälder insbesondere beim globalen Klimaschutz spielen, zeigt das aktuelle Problem der Anrechnung sog. Kohlenstoffsenken bei den sich aus dem Kyoto-Protokoll ergebenen Reduktionsverpflichtungen der Industriestaaten für Treibhausgase. Die Berücksichtigung der in den Wäldern gebundenen Kohlenstoffmenge stellte einen der Hauptkonfliktpunkte in den jüngsten Verhandlungen über die konkrete Umsetzung des Kyoto-Protokolls dar.

Ausführlich diskutiert werden am Ende des zweiten Kapitels Optionen für ein rechtsverbindliches Instrument zum Schutz der Wälder; schließlich werden regelungsbedürftige Elemente einer zukünftigen Waldkonvention vorgestellt. Den wesentlichen Grund für das bisherige Scheitern der Verhandlungen über eine rechtlich verbindliche Waldkonvention sieht die Verfasserin darin, daß innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft bislang kein Konsens über einen Verhandlungsgegenstand gefunden werden konnte und die Einordnung des Waldes als "common concern/heritage of mankind" noch erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Ohne die Einigung über den völkerrechtlichen Status der Wälder fehlt aber eine Grundlage, Verhandlungen über ein internationales Waldschutzinstrument zu führen. Im Spannungsverhältnis zwischen territorialen Souveränitätsrechten über die Umwelt und globalen Umweltschutzerfordernissen stellt sich daher auch zukünftig das Problem, inwieweit die negativen umweltpolitischen Auswirkungen der Zerstörung der Wälder mit Folgen auf globaler Ebene den Souveränitätsrechten der Staaten Schranken setzen können.

Der abschließende dritte Teil der Dissertation beschäftigt sich mit der rechtlichen Zulässigkeit handelspolitischer Maßnahmen, die primär Ziele des Waldschutzes verfolgen. Zunächst wird anhand eines kurzen geschichtlichen Rückblicks die Verknüpfung von Freihandel und Umweltschutz aufgezeigt. Nach einem Überblick über die umweltschutzrelevanten Bestimmungen im GATT/WTO-Vertragswerk sowie die Auslegung dieser Vorschriften durch die Streitschlichtungsausschüsse des GATT (sog. Panels) werden die umweltpolitischen Dimensionen des internationalen Holzhandels dargestellt, wobei mögliche unilaterale Handelsbeschränkungen bezüglich des Ex- und Imports von (Tropen-) Holzprodukten beschrieben werden.

In einem zweiten Schritt erfolgt die Überprüfung der völkerrechtlichen Zulässigkeit von nationalen Verwendungsverboten für Tropenholz sowie von obligatorischen und freiwilligen Kennzeichnungsregelungen für (Tropen-) Holzprodukte. Die Untersuchung der Verwendungsbeschränkungen erfolgt zunächst am Maßstab des Internationalen Tropenholzabkommens, sodann werden die Maßnahmen anhand des WTO-Abkommens über technische Handelshemmnisse überprüft; diesbezüglich wird insbesondere der nach wie vor ungelösten Frage nachgegangen, ob Herstellungs- und Produktionsmethoden, die sich nicht in der Qualität eines Produkts manifestieren, in den Anwendungsbereich dieses Abkommens fallen. Anschließend wird die Vereinbarkeit mit den maßgeblichen Vorschriften des GATT unter besonderer Berücksichtigung der Rechtfertigungsnorm des Art. XX GATT sowie unter Zugrundelegung der einschlägigen Rechtsprechung der GATT-Panel untersucht. Da die Ungleichbehandlung gleichartiger Waren aufgrund der unterschiedlichen Umweltschädlichkeit der Herstellungsverfahren nach der derzeitigen Rechtsprechung der GATT-Panel nicht zulässig ist, verletzen mach Ansicht der Verfasserin Verwendungsempfehlungen, nur Tropenholz aus nachhaltiger Forstbewirtschaftung zu verwenden, die Diskriminierungsgrundsätze des GATT bzw. des Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement) und sind auch nicht nach Maßgabe der Ausnahmetatbestände des Art. XX (b) und (g) GATT gerechtfertigt. Um den Erfordernissen des GATT zu genügen, müßten entsprechende Verwendungsempfehlungen vielmehr darauf gerichtet sein, nur Holz aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung zu verwenden, unabhängig davon, ob es aus tropischen Regionen oder inländischen Forstbetrieben stammt.

Schließlich wird das duale System der Holzzertifizierung, das sich durch seine möglicherweise importbeschränkende Wirkung auch als potentielles nichttarifäres Handelshemmnis erweisen kann, auf seine völkerrechtliche Zulässigkeit hin überprüft. Wie bei den zuvor untersuchten Verwendungsbeschränkungen ergeben sich parallele Problematiken in bezug auf die Vereinbarkeit mit dem GATT/WTO-Regelwerk. Zusätzlich taucht bei privaten Umweltkennzeichen die Frage auf, inwieweit sich eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Staates für das Handeln Privater ergibt. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Auseinandersetzung mit den Zurechnungskriterien im Völkerrecht unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis der GATT-Streitschlichtungsorgane. Hinsichtlich der völkerrechtlichen Zulässigkeit von Kennzeichnungssystemen für (Tropen-) Holzprodukte gelangt die Verfasserin zu dem Ergebnis, daß die Vergabe von Holzkennzeichen für Tropenholz bzw. für Tropenholz aus nicht nachhaltiger Bewirtschaftung, soweit diese obligatorisch ist, gegen den Inländergleichbehandlungsgrundsatz und das Meistbegünstigungsprinzip verstößt und nicht nach Art. XX GATT gerechtfertigt ist. Da die meisten der derzeitigen Kennzeichnungssysteme allerdings auf freiwilliger Basis beruhen und rein private Initiativen darstellen, kann mangels effektiver staatlicher Beeinflussung und Kontrolle in der Regel eine völkerrechtliche Zurechnung des Staates für das Verhalten dieser privaten Organisationen nicht in dem Sinne erfolgen, daß die Maßnahmen als staatliches Verhalten zu werten sind; ein Verstoß gegen die GATT-Regeln wegen einer objektiven Völkerrechtsverletzung wird insoweit verneint. Dies gilt nach Auffassung der Verfasserin jedenfalls insoweit, als eine effektive staatliche Einflußnahme nicht ersichtlich ist und sich auch unter dem Aspekt der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der Staaten für eigenes rechtswidriges Verhalten keine Unterbindungsverpflichtung des Staates für Maßnahmen Privater ergibt. Die enge Abgrenzung zwischen zulässiger Handelsbe-schränkung und diskriminierender Maßnahme ist jedoch maßgeblich abhängig von den aufgestellten Kriterien, die für die Vergabe des Holzkennzeichens erfüllt werden müssen.