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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2001


II. Forschungsvorhaben

D. Internationales Umweltschutzrecht und Seerecht

3. Konfliktbewältigung bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen im Wandel (Dissertation)

Im Rahmen seiner Dissertation befaßt sich Stefan Ohlhoff eingehend mit herkömmlichen Methoden der friedlichen Streitbeilegung im grenzüberschreitenden Umweltschutz, innovativen Methoden der Normdurchsetzung durch Non-Compliance Mechanismen und völkerrechtlichen Regeln für die Einbeziehung von Privatpersonen und -organisation in Verfahren zur Lösung von grenzüberschreitenden Umweltproblemen auf nationaler und internationaler Ebene.

Die Arbeit untersucht zunächst in einem ersten einleitenden Teil die wirtschaftlichen, politischen und technischen Rahmenbedingungen der Beilegung von grenzüberschreitenden Umweltkonflikten. Konflikte über grenzüberschreitende Umweltprobleme stellen Streitbeilegungssysteme vor besondere Anforderungen. Umweltprobleme sind in ihrer Größenordnung sehr unterschiedlich und können von der lokalen bis zur globalen Konfliktebene reichen und eine Vielzahl von Akteuren verschiedener rechtlicher Natur betreffen. Ihre Entwicklung ist oft dynamisch, ihr Ausmaß ist schwer einzuschätzen und ihre Folgen sind oftmals unumkehrbar. Die Ursachen von Umweltproblemen sind oft nur schwer aufklärbar, weil verschiedene Kausalbeiträge zusammenkommen, ihre Entstehung bis weit in die Vergangenheit zurückreicht und die wissenschaftlichen Grundlagen oft nicht genügend gesichert sind, um verläßliche Erkenntnisse über Ursachen, Folgen und Bekämpfung zu gewinnen. Materielle völkerrechtliche Regeln bestehen nicht selten überhaupt nicht, sind in ihrem Bestand, Umfang oder Inhalt unklar und umstritten oder legen nur allgemeine Verhaltensmaßstäbe fest, die der Konkretisierung im Einzelfall bedürfen. Konflikte über Umweltprobleme berühren zumeist über ihre umweltpolitischen Aspekte hinaus ein schwer zu erfassendes und undurchsichtiges Bündel verschiedenster innen-, wirtschafts-, entwicklungs-, sozial-, kultur-, sicherheits- und außenpolitischer Interessen. Werden gemeinsame Umweltgüter oder -interessen beeinträchtigt, entstehen zudem keine "klassischen" bipolaren, sondern polyzentrisch-multipolare Interessenkonflikte.

Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der kritischen Analyse der Verwendung herkömmlicher Streitbeilegungsmechanismen zur Beilegung von Konflikten über grenzüberschreitende Umweltverschmutzung. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass sie vor allem zur Bewältigung von Konflikten über örtlich oder/und inhaltlich beschränkte internationale Umweltprobleme beitragen können. Herkömmliche Streitbeilegungsmechanismen geraten jedoch dort an ihre Grenzen, wo entweder Konflikte zwischen privaten Verursachern und Betroffenen oder die Durchsetzung von solchen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Vordergrund stehen, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen, sondern erga omnes (partes) gelten. Die Hilfskonstrukte der Mediatisierung von Privatinteressen - vor allem im Wege des diplomatischen Schutzes - und der actio pro socio, mit der Staaten die Interessen der Gesamtheit der Staatengemeinschaft oder einer Vertragsgemeinschaft als eigenes Recht geltend machen, lassen nur eine verkürzte und unpräzise Erfassung von komplexen Interessengegensätzen zu und führen zur Verschiebung der eigentlichen Konflikt(lösungs)ebenen. Hierdurch entstehen erhebliche Transaktionskosten und beachtliche Mängel bei der Normdurchsetzung im Umweltvölkerrecht.

In diesem Zusammenhang sind auch die im dritten Teil dargestellten Non-Compliance-Mechanismen zu sehen, die ihren Ursprung im Rüstungskontrollrecht haben und Eingang in das Umweltvölkerrecht mit dem Montreal Protocol von 1987 über den Schutz der Ozonschicht fanden. Sie sind mittlerweile in modernen Umweltabkommen weit verbreitet. Mit diesem Verfahren sui generis, das die adversielle Struktur der herkömmlichen Streitbeilegung aufgibt und auf die Verwirklichung des gemeinschaftlichen Interesses ausgerichtet ist, hat sich ein flexibles und wirksames Instrument zur Überwachung der Einhaltung gesellschaftlich strukturierter Umweltabkommen herausgebildet.

Der vierte Teil wendet sich dann dem wichtigen Komplex der Einbeziehung privater Parteien in die Beilegung von grenzüberschreitenden Umweltproblemen zu. Dabei werden zum einen die Beteiligung an internationalen Verfahren und zum anderen völkerrechtliche Regeln für nationale Zivil- und Verwaltungsverfahren untersucht. Die Arbeit untersucht unter anderem regionale und globale Menschenrechtssysteme, Claims Commissions, das World Bank Inspection Panel und vergleichbare Einrichtungen anderer Entwicklungsbanken, das Beschwerdeverfahren nach dem Umweltkooperationsabkommen der NAFTA und die Regeln für nationale Verfahren aus Zivilhaftungs- und anderen völkerrechtlichen Abkommen sowie Völkergewohnheitsrecht.

Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass die herkömmlichen Methoden zur Beilegung von Streitigkeiten über moderne Umweltprobleme nur bedingt geeignet sind. Die Entwicklung innovativer Methoden steht noch am Anfang. Mit den Non-Compliance-Mechanismen wurde allerdings bereits ein richtiger und wichtiger Schritt gemacht. Dagegen zeichnet sich ein systematischer Ansatz für die Einbeziehung privater natürlicher und juristischer Personen noch nicht ab.