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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


1600. STATIONIERUNGSSTREITKRÄFTE

Nr.90/1

Eine Person, welche die völkervertraglichen Voraussetzungen einer eingangsabgabenrechtlichen Privilegierung, nämlich die Eigenschaft als Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges oder als Angehöriger eines solchen Mitglieds, nicht erfüllt, kann diese Privilegierung auch durch eine irrige Statusanerkennung seitens der Militärbehörden des Entsendestaates nicht erwerben.

A person who does not meet the requirements for privileged treatment with regard to customs and import duties laid down in an international treaty, namely membership in the armed forces or a civilian component, cannot obtain this privileged treatment merely on account of an erroneous recognition of his or her status by the military authorities of the sending state.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.1.1990 (VII R 40/87), BFHE 160, 83 (ZaöRV 52 [1992], 462)

Einleitung:

      Der Kläger wurde von den US-Streitkräften durch Erteilung eines entsprechenden Ausweises als Angehöriger eines Mitglieds eines zivilen Gefolges im Sinne von Art.I Abs.1 Buchst. c des NATO-Truppenstatuts anerkannt, ohne daß dieser Tatbestand erfüllt war. Entsprechend dem tatsächlichen Sachverhalt setzte das Hauptzollamt gegen ihn für Wareneinkäufe bzw. -einfuhren Eingangsabgaben fest, weil die Voraussetzungen für eine Abgabenbefreiung nicht vorlägen. Klage und Revision blieben erfolglos.

Entscheidungsauszüge:

      Das Finanzgericht hat richtig entschieden, daß dem Kläger ... die Abgabenbefreiungen nach Art.XI Abs.4 und 12 des Abkommens vom 19. Juni 1951 zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen - NATOTrStat (BGBl. II 1961, 1190) in Verbindung mit Art.65 Abs.2 und 1 des Zusatzabkommens vom 3. August 1959 ... NATOTrStatZAbk (BGBl. II 1961, 1218) bzw. nach Art.66 Abs.1 NATOTrStatZAbk nicht zustanden. ...
      Der Kläger war ... nicht mehr "Angehöriger", weil er nach seiner Arbeitsaufnahme nicht im Sinne von Art.I Abs.1 Buchst. c NATOTrStat seinem Vater gegenüber unterhaltsberechtigt und von diesem auch nicht im Sinne der weitergehenden Begriffsbestimmung in Art.2 Abs.2 Buchst. a NATOTrStatZAbk aus wirtschaftlichen Gründen abhängig (dependent) war. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Sie beruft sich vielmehr auf eine abgabenrechtlich bindende Wirkung der Statusanerkennung, eine Wirkung, die sich aus dem NATOTrStat (Art.III), aus völker- und verfahrensrechtlichen Grundsätzen ergeben soll. Sie besteht indessen nicht ...
      Jedenfalls für die Frage der eingangsabgabenrechtlichen Privilegierung gegenüber Behörden des Aufnahmestaats kommt entsprechenden Statusbezeichnungen in Personalpapieren ... keine Bedeutung zu. Soweit die truppenzollrechtlichen Vergünstigungen von militärbehördlichen Bescheinigungen abhängen, ist dies in den maßgebenden Vorschriften des zwischenstaatlichen Rechts ausdrücklich geregelt (Art.XI Abs.4 Satz 2 NATOTrStat; vgl. auch Art.66 Abs.3 NATOTrStatZAbk). Die Rechtsstellung des Endverwenders bzw. Einführers ist nicht Gegenstand der Bescheinigungen. Daraus ist zu schließen, daß die Eigenschaft als "Angehöriger" ohne Rücksicht auf etwaige militärbehördliche Statusanerkennungen oder -bescheinigungen allein nach den in den Abkommen enthaltenen Definitionen zu bestimmen ist. Diese Auslegung entspricht nach Ansicht des Senats auch dem Zweck der im zwischenstaatlichen Truppenzollrecht für "Angehörige" vorgesehenen Zollvergünstigungen (Art.65 Abs.2, Art.66 Abs.1 NATOTrStatZAbk). Er schließt es aus, die Vergünstigungen auf Personen zu erstrecken, die zwar über eine militärbehördliche Statusanerkennung verfügen, nicht aber in dem vorausgesetzten besonderen Verhältnis zu dem Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges stehen (hier: Abhängigkeitsverhältnis). ... Überdies ist zu berücksichtigen, daß eine rechtsbegründende Kraft der Statusanerkennung die Legaldefinition ihres Sinnes entleeren, sie jedenfalls der Außenwirkung vollständig berauben würde. Der Entsendestaat hätte es in der Hand, nach freiem Belieben abgabenrechtliche Privilegien - mit Wirkung im Hoheitsbereich des Aufnahmestaats - zu vergeben. Das ginge über die "gewöhnliche Bedeutung" völkerrechtlicher Vertragsbestimmungen hinaus ... und bedürfte besonderer, ausdrücklicher Vereinbarung, wie sie hinsichtlich anderer Vorrechte in anderen Bereichen auch getroffen worden ist (Recht zum Führen von Schußwaffen durch bestimmte Personen aufgrund militärbehördlichen Waffenausweises; Art.12 Abs.3 NATOTrStatZAbk). ... Die Militärbehörde scheint im übrigen ... die Angehörigeneigenschaft nur nach der Legaldefinition beurteilt zu haben. Anders dürfte es nicht zu erklären sein, daß sie dem Kläger die Statusanerkennung mit Hinweis auf den mit der finanziellen Unabhängigkeit eintretenden Rechtsverlust erteilt hat.
      Die rein innerdienstliche Wirkung der gleichwohl ... fortdauernden Anerkennung bleibt freilich unberührt. Insoweit mag der Kläger im Verhältnis zu der Truppe und ihren Behörden bis zum Entzug der Anerkennung noch berechtigt gewesen sein, Waren in den Verkaufseinrichtungen der Truppe zu erwerben (vgl. Art.65 Abs.2 NATOTrStatZAbk). Eine nicht durch die Abkommen gedeckte eingangsabgabenrechtliche Privilegierung des Klägers im Außenverhältnis, mit Wirkung gegenüber deutschen Steuerbehörden und -gerichten, konnte damit jedoch ... nicht begründet werden.
      Eine allgemeine Regel des Völkerrechts (vgl. Art.25 ... GG), die diesem Ergebnis entgegenstände, läßt sich ... nicht finden. Die Steuerbefreiung selbst und ihre Voraussetzungen ergeben sich nicht aus allgemeinen Völkerrechtsregeln, sondern aus dem Völkervertragsrecht. Allgemeiner Art ist zwar der Grundsatz, daß hoheitliche Eingriffe in Verhältnisse ausgeschlossen sind, die mit dem deutschen Hoheitsbereich in keiner Verbindung stehen ..., doch wird dieser Grundsatz durch die Anwendung und Auslegung des hier maßgebenden Völkervertragsrechts nicht verletzt. Die rein innerdienstliche, den deutschen Hoheitsbereich nicht berührende Wirkung der Statusanerkennung wird nicht in Frage gestellt. Sie ist ohne Einfluß auf die Entscheidung. Die vom Kläger beantragte Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art.100 Abs.2 GG kommt somit nicht in Betracht.