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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


221. VERHÄLTNIS VON VÖLKERVERTRAGSRECHT UND INNERSTAATLICHEM RECHT

Nr.87/1 [a] Das Grundgesetz schreibt eine Bindung des Gesetzgebers an das Völkervertragsrecht nicht vor.
[b] §2 Abgabenordnung über den Vorrang völkerrechtlicher Verträge vor den Steuergesetzen ist daher verfassungskonform im Sinne des lex posterior-Grundsatzes auszulegen.
[a] The Basic Law does not decree that international treaties are binding upon the legislature.
[b] Accordingly Sec.2 of the Tax Code pursuant to which treaties shall prevail over tax statutes must, for constitutional reasons, be interpreted in conformity with the lex posterior principle.

Finanzgericht Hamburg, Beschluß vom 15.1.1987 (V 124/86), RIW 1987, 482 (ZaöRV 48 [1988], 723) (rechtskräftig)

Entscheidungsauszüge:

      2. ... a) Nach §2 AO gehen zwar Verträge mit anderen Staaten i.S. des Art.59 Abs.2 Satz 1 GG über die Besteuerung, soweit sie - wie das DBA-USA [Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA] - unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor. Diese Vorschrift kann aber nicht so verstanden werden, daß sie dem Steuergesetzgeber jegliche Verfügungsmacht über den Regelungsinhalt eines DBA entzieht. Das wäre nicht vereinbar mit dem Grundgesetz, das eine Vorrangigkeit nur für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts (Art.25 Satz 2 GG), nicht aber für völkerrechtliche Verträge (Art.59 Abs.2 Satz 1 GG) vorsieht. Das Grundgesetz schreibt eine Bindung der Gesetzgebung an das Vertragsrecht nicht vor, sondern überläßt die Erfüllung der bestehenden völkerrechtlichen Vertragspflichten der Verantwortung des zuständigen Gesetzgebers ( ...BVerfGE 6, 309; ... BVerfGE 31, 145); die Verpflichtung des Staates als Völkerrechtssubjekt zur Vertragstreue im Rahmen des völkerrechtlichen Außenverhältnisses bleibt hiervon unberührt. §2 AO ist daher - verfassungskonform - in dem Sinne auszulegen, daß ein späteres Steuergesetz einem DBA im Kollisionsfall nach allgemeinen Kollisionsregeln jedenfalls dann vorgeht, wenn es die speziellere Regelung enthält ...