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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


500. ORGANE DES DIPLOMATISCHEN UND KONSULARISCHEN VERKEHRS

Nr.88/1

Ein Konsul, der Mitglieder einer Delegation aus seinem Heimatstaat nach Abschluß des offiziellen Besuchsprogramms in Stimmungslokale begleitet hat, genießt vor einer Strafverfolgung wegen auf der Heimfahrt begangener Unfallflucht keinen Immunitätsschutz.

A consul, having accompanied members of a delegation from his home state to places of entertainment after the conclusion of the official schedule of their visit, does not enjoy immunity from prosecution with respect to his unlawfully leaving the scene of a traffic accident on his way home.

Oberlandesgericht Hamburg, Beschluß vom 30.6.1988 (1 Ss 83/88), NJW 1988, 2191 (ZaöRV 50 [1990], 89)

Einleitung:

      Der Angeklagte betreute als Konsul beim finnischen Generalkonsulat in Hamburg eine finnische Handelsdelegation. Nach einem gemeinsamen Arbeitsessen besuchte er mit dieser Lokale an der Reeperbahn. Während der anschließenden Heimfahrt beschädigte der Angeklagte als Lenker eines Kraftfahrzeugs ein Verkehrszeichen. Gegen seine Verurteilung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort legte er Revision ein und machte geltend, daß er wegen seines Fahrverhaltens nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliege. Das Oberlandesgericht verwarf die Revision als unbegründet.

Entscheidungsauszüge:

      Das Landgericht ist mit Recht davon ausgegangen, daß der als Konsul beim finnischen Generalkonsulat in Hamburg tätige Angeklagte hinsichtlich des ihm zur Last gelegten unerlaubten Entfernens vom Unfallort der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist. Die über Art.25 GG aus den allgemeinen Regeln des Völkerrechts abzuleitende Amtsimmunität schützt den Angeklagten nur dann vor Strafverfolgung, wenn die Zuwiderhandlung in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben begangen wurde (§19 GVG i.V. mit Art.43 Abs.1 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963). Das ist hier nicht der Fall. Die vom Angeklagten dienstlich übernommene Betreuung der finnischen Handelsdelegation endete, nachdem das offizielle Besuchsprogramm schon um 19 Uhr mit der Rückkehr in das Hotel R ausgelaufen war, spätestens mit dem gegen 22 Uhr erfolgten Abschluß des gemeinsamen Abendessens im Restaurant W, bei dem noch ein Arbeitsgespräch stattgefunden hatte. Der anschließende Besuch der an der Reeperbahn gelegenen Stimmungslokale Z und B hatte nur noch den Charakter eines geselligen Beisammenseins auf privater Ebene. Die vom Angeklagten gegen 1.50 Uhr angetretene Heimfahrt, in deren Verlauf es dann alsbald zur Beschädigung eines Verkehrszeichens kam, kann deshalb nicht mehr dem Bereich seiner konsularischen Tätigkeit zugerechnet werden ... Die im Schrifttum zum Teil vertretene Auffassung, Fahrten von und zu geselligen Treffen sollten angesichts der notwendigen Kontaktpflege grundsätzlich der konsularischen Tätigkeit zugerechnet werden ..., berücksichtigt nicht genügend, daß Immunität einen engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs und der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben voraussetzt (Abschn.IV B Nr.4 des Rundschreibens des Bundesministers des Innern über Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen vom 21.3.1973, abgedruckt in GMBl 1975, S.341).