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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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Giegerich / Philipp / Polakiewicz / Rädler / Zimmermann


610. DEUTSCHE STAATSANGEHÖRIGKEIT

Nr.88/2

[a] Das Erfordernis einer Zustimmung der iranischen Regierung zur Einbürgerung nach Nr.II des Schlußprotokolls zum Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 ist auch auf iranische Staatsangehörige mit deutschem Ehegatten anwendbar, die als Asylberechtigte anerkannt sind. Dem steht Völkerrecht nicht entgegen.

[b] Einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung in Folge einer Ermessensreduktion nach §8 Abs.1 RuStAG kann es auch bei asylberechtigten Bewerbern mit deutschem Ehegatten nicht geben, wenn die Einbürgerung zur Mehrstaatigkeit führen würde und der Bewerber diese zumutbarerweise vermeiden kann.

[a] According to No.II of the Final Protocol to the Agreement on Establishment between the German Reich and the Persian Empire of 17 February 1929 the naturalization of an Iranian citizen requires the consent of the Iranian government even if the Iranian is married to a German and has been recognized as having a right of asylum. This is in conformity with international law.

[b] The margin of discretion concerning the naturalization of an applicant pursuant to Sec.8 (1) of the German Nationality Law can be reduced to the extent the applicant becomes legally entitled to be naturalized. This entitlement will not arise, however, if the naturalization would lead to multiple nationality which the applicant has not taken reasonable measures to prevent, even if the applicant is married to a German and has been recognized as having a right of asylum.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.9.1988 (1 C 20.88), InfAuslR 1988, 91 (ZaöRV 50 [1990], 80)

Einleitung:

      Der 1944 geb. Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, begehrt seine Einbürgerung. Er lebt seit 1962 in der Bundesrepublik Deutschland und arbeitet als Arzt an einem Universitätsklinikum. Seit Juni 1976 ist er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet. Seine aus dieser Ehe stammenden beiden Kinder besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Kläger ist seit November 1982 als Asylberechtigter anerkannt. Da seine Versuche, aus der iranischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden, erfolglos blieben, wurde über seinen Einbürgerungsantrag nicht entschieden. Nach Klageabweisung in zwei Instanzen hatte seine Revision Erfolg.

Entscheidungsauszüge:

      2. ... a) Nach §8 Abs.1 RuStAG steht die Einbürgerung bei Vorliegen bestimmter Mindestvoraussetzungen im Ermessen der Behörde. ... Nach Nr.II des ... Schlußprotokolls zum Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.Februar 1929 (RGBl. 1930 II S.1002, 1006; Bekanntmachung vom 15.August 1955, BGBl. II S.829) - SchlPr - haben sich die Regierungen der vertragschließenden Staaten verpflichtet, keinen Angehörigen des anderen Staates ohne vorherige Zustimmung seiner Regierung einzubürgern. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Vorschrift innerstaatlich geltendes Recht ist und eine zwingende Einbürgerungsvoraussetzung statuiert ...
      b) Das Berufungsgericht hat ferner ... zu Recht angenommen, daß Nr.II SchlPr auch für asylberechtigte Einbürgerungsbewerber gilt. ...
      aa) Völkerrechtliche Verträge sind so auszulegen, daß sich der angestrebte Zweck des Vertrages verwirklichen läßt, die vertragliche Bindung aber nicht über das gewollte Maß hinausgeht (BVerfGE 4, 157 [168]). Es besteht kein Anhalt, daß nach dem Willen der Vertragsparteien das Zustimmungserfordernis der Nr.II SchlPr entfallen soll, wenn dem Einbürgerungsbewerber Asyl gewährt wird. Der insoweit klare Wortlaut der Vertragsvorschrift gibt für eine derartige Beschränkung ihres Anwendungsbereichs nichts her. Er bezieht sich auf alle Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei, und zwar unabhängig davon, ob sie von den Rechten des Abkommens Gebrauch machen oder nicht. Dem Zweck der Vertragsvorschrift ist Gegenteiliges nicht zu entnehmen. Das Zustimmungserfordernis der Nr.II SchlPr ist Teil der zwischenstaatlichen Bemühungen, Mehrstaatigkeit zu vermeiden oder zu begrenzen, weil sie innerstaatlich und international als ein Übel gilt ... Es wirkt dahin, daß die Einbürgerung iranischer Staatsbürger nur möglich ist, wenn Mehrstaatigkeit vermieden wird oder, sollten die deutschen Behörden sie hinzunehmen bereit sein, die iranische Regierung mit ihr ebenfalls einverstanden ist. Mehrstaatigkeit kann danach nur einvernehmlich zustande kommen. Das Ziel, Mehrstaatigkeit zu vermeiden, trifft auch auf Asylberechtigte zu, zumal die Verfolgung bei einer Änderung der politischen Lage in dem Heimatstaat entfallen kann.
      Gegen diese Auslegung spricht nicht, daß die Lage der politisch Verfolgten der der Staatenlosen vergleichbar ist und daß sie deswegen weitgehend als faktisch staatenlos angesehen werden. Im zwischenstaatlichen Verkehr erfolgt die Zuordnung eines Menschen zu einem Staat nach der geltenden Rechtsordnung dieses Staates und nicht nach dessen faktischer Bereitschaft oder Fähigkeit, dem Betroffenen die für Staatsangehörige üblichen Rechte und den üblichen Rechtsschutz zu gewähren. Demgemäß führen politische Verfolgung und Gewährung von Asyl nicht zum Verlust der völkerrechtlich maßgebenden Staatsangehörigkeit ... Von diesen Grundsätzen des zwischenstaatlichen Verkehrs ist bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Abkommens staatsangehörigkeitsrechtlichen Inhalts auszugehen, wenn - wie hier - keine Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die Vertragsparteien für die Anwendung des Abkommens den Begriff der Staatsangehörigkeit abweichend bestimmt haben. Demgemäß sind von Nr.II SchlPr Asylberechtigte nicht ausgeschlossen ... Das entspricht sichtlich der für die Auslegung ebenfalls zu berücksichtigenden Praxis der Vertragsstaaten bei der Anwendung der Bestimmung (vgl. dazu Art.31 Abs.3 Buchst.b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23.Mai 1969 -WÜV-, BGBl. 1985 II S.926 ... ). ... Auch zugunsten des als asylberechtigt anerkannten Klägers hat die Bundesrepublik Deutschland Kontakt zu der iranischen Regierung aufgenommen, um sicherzustellen, daß seine Einbürgerung nur in Übereinstimmung mit der Vertragsvorschrift der Nr.II SchlPr erfolgt.
      bb) Gegen diese Auslegung greift der Einwand nicht durch, daß der Status der Flüchtlinge erst nach dem Abschluß des Abkommens international näher ausgestaltet worden sei. Die Auslegung ist mit den insoweit maßgebenden Vorschriften vereinbar.
      Das gilt zunächst für das Grundrecht auf Asyl. Es gewährleistet in seinem Kernbereich Verfolgungsschutz, um den es hier nicht geht. Es enthält außerdem einen Auftrag, das Schicksal der politisch Verfolgten befriedigend zu regeln, was vor allem durch die Übernahme der Genfer Flüchtlingskonvention in innerstaatliches Recht geschehen ist (BVerwGE 49, 202 [206f.]). Aus Art.16 Abs.2 Satz 2 GG folgt danach nicht eine grundrechtliche Gewährleistung der Einbürgerung. Erst recht ist ihm nicht eine Ermächtigung der Behörden zu entnehmen, bei der Einbürgerung Asylberechtigter zwingende gesetzliche Voraussetzungen unberücksichtigt zu lassen ... .
      Auch innerstaatlich geltendes Völkervertragsrecht schließt die Anwendung der Nr.II SchlPr auf Asylberechtigte nicht aus. Insbesondere steht ihr die Genfer Flüchtlingskonvention nicht entgegen. Anerkannte Asylberechtigte genießen die Rechtsstellung eines Flüchtlings im Sinne dieser Konvention (§3 Abs.1 AsylVfG). Daraus folgt nicht, daß das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen nebst Schlußprotokoll auf sie unanwendbar wäre. Das Schlußprotokoll bleibt insoweit anwendbar, als es mit der - auch für den Iran geltenden (BGBl. 1976 II S.1908) - Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar ist (vgl. dazu Art.30 Abs.3 WÜV). Das ist für das hier maßgebende Einbürgerungsrecht der Fall.
      Nach Art.34 Satz 1 GK wird die Bundesrepublik Deutschland soweit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung der Flüchtlinge erleichtern. Die Pflicht, Einbürgerungen zu erleichtern, setzt nicht zwingende Einbürgerungsvoraussetzungen außer Kraft. Sie ermächtigt auch nicht die Einbürgerungsbehörden, zugunsten von Asylberechtigten sich im Einzelfall über diese Voraussetzungen hinwegzusetzen. Ebenso bildet die Vertragsvorschrift keine Grundlage für Einbürgerungen entgegen den völkervertraglichen Pflichten der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist unmittelbar anwendbar nur im Sinne eines auf das Einbürgerungsermessen einwirkenden Wohlwollensgebots (BVerwGE 49, 44 [47f.]). Art.34 Satz 1 GK verdrängt folglich nicht das eine zwingende gesetzliche Einbürgerungsvoraussetzung darstellende Zustimmungserfordernis nach Nr.II SchlPr.
      Andere Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention rechtfertigen kein abweichendes Ergebnis. Sie regeln nicht die Einbürgerung. Aus ihnen kann nicht hergeleitet werden, daß der Kläger bei der Einbürgerung nicht als iranischer Staatsangehöriger behandelt werden darf und folglich das Zustimmungserfordernis nach Nr.II SchlPr trotz seiner Vereinbarkeit mit Art.34 Satz 1 GK auf ihn nicht anwendbar ist.
      Die Konvention wird nicht im Sinne des vom Kläger angeführten Art.3 GK aus Gründen des Herkunftslandes unterschiedlich angewendet, wenn bei der Einbürgerung iranischer Flüchtlinge das Zustimmungserfordernis beachtet wird. Die Konvention sieht Einbürgerungen entgegen den völkerrechtlichen Verpflichtungen des jeweiligen Vertragsstaates nicht vor.
      Nach Art.8 GK, auf den der Kläger hingewiesen hat, sind außergewöhnliche Maßnahmen, die gegen die Person, das Eigentum oder die Interessen der Staatsgehörigen eines bestimmten Staates ergriffen werden können, gegen Flüchtlinge, die formell Staatsangehörige dieses Staates sind, allein ihrer Staatsangehörigkeit wegen möglichst nicht durchzuführen. Hier steht keine Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift in Rede, wie z.B. eine völkerrechtliche Repressalie. Der Vorschrift liegt zudem die Auffassung zugrunde, daß die Staatsangehörigkeit des Flüchtlings de jure fortbesteht und die Staaten berechtigt sind, sie in ihrem innerstaatlichen Recht zu berücksichtigen, wenn und soweit nicht völkervertragliche Vereinbarungen sie daran hindern.
      Gemäß Art.12 Abs.1 GK, auf den der Kläger sich außerdem beruft, bestimmt sich das Personalstatut eines Flüchtlings nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, nach dem Recht seines Aufenthaltslandes. Diese Vorschrift regelt ebenfalls nicht die Einbürgerung. Aus ihr folgt nicht, daß der Kläger in allen rechtlichen Zusammenhängen und damit auch bei der Entscheidung über seine Einbürgerung nicht als Staatsangehöriger seines Heimatstaates behandelt werden darf. Art.12 GK ist eine Vorschrift des internationalen Privatrechts. Nach ihr ist für die persönlichen Verhältnisse der Flüchtlinge nicht das Heimatrecht, sondern das des Zufluchtlandes maßgebend. Insoweit wird nicht an die Staatsangehörigkeit des Flüchtlings angeknüpft, wenn das Recht des Zufluchtlandes dies eigentlich vorsieht. Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang aber nicht. Hier ist maßgebend, ob der Kläger nicht ohne Zustimmung der Regierung seines Heimatstaates eingebürgert werden darf. Dies anzunehmen, verbietet Art.12 GK nicht. Der Revision ist auch nicht darin beizupflichten, daß der Kläger dem Sinn und Zweck des Asylrechts zuwider durch das Zustimmungserfordernis unter die Personalhoheit des Verfolgerregimes gezwungen wird. Das Zustimmungserfordernis schmälert den ihm zustehenden Schutz vor Verfolgung und seinen sonstigen Rechtsstatus als Asylberechtigter nicht.
      Art.25 Abs.1 GK, auf den sich der Kläger ferner bezieht, regelt die Verwaltungshilfe durch den Aufenthaltsstaat in Fällen, in denen die Ausübung eines Rechts durch einen Flüchtling die Mitwirkung ausländischer Behörden erfordert, die er nicht in Anspruch nehmen kann. Die erforderliche Mitwirkung soll dem Flüchtling durch Behörden des Aufenthaltsstaates oder durch eine internationale Behörde zuteil werden. Die Vorschrift betrifft nicht die Einbürgerungsvoraussetzungen und gebietet auch sonst nicht, bei der Einbürgerung ausländischer Flüchtlinge von einer gesetzlich vorgesehenen Zustimmung ihres Heimatstaates abzusehen. Die Vorschrift will vor allem sichern, daß die Ausübung von Rechten nicht scheitert, wenn Flüchtlinge die zum Nachweis erforderlichen Urkunden und Bescheinigungen von ihren Heimatbehörden nicht erhalten können. Um eine derartige Problematik handelt es sich hier nicht.
      cc) Das Recht der Staatenlosen, das der Kläger für sich in Anspruch nimmt, gibt für sein Begehren ebenfalls nichts her. Das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28. September 1954 (BGBl. 1976 II S.473/1977 II S.235), das der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechende Bestimmungen enthält, ist nach seinem Art.1 Abs.1 nur auf Personen anwendbar, die kein Staat aufgrund seines Rechts als Staatsangehöriger ansieht, also nur auf solche, die de jure staatenlos sind. Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger nicht. Das Übereinkommen vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit und das Übereinkommen vom 13. September 1973 zur Verringerung der Fälle von Staatenlosigkeit (BGBl. 1977 II S.597, 1217, 1219) sowie das dazu ergangene Gesetz zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 29. Juni 1977 (BGBl. I S.1101) enthalten keine für die Einbürgerung des Klägers einschlägige Regelung. Der Kläger kann ferner nichts daraus für sich herleiten, daß die Bundesregierung erklärt hat, faktisch staatenlose Personen bei der Anwendung bestimmter Abkommen wie De-jure-Staatenlose behandeln zu wollen. Derartige im Gesetzgebungsverfahren bezüglich des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (BT-Drucks.7/4170 S.34), des Übereinkommens vom 30. August 1961 zur Verminderung der Staatenlosigkeit (BT-Drucks.8/12 S.33) sowie des Gesetzes zur Verminderung der Staatenlosigkeit (BT-Drucks.8/13 S.6) abgegebene Erklärungen ändern die dargelegte Rechtslage nicht. Sie sind auch nicht dahin zu verstehen, daß entgegenstehende Rechtsvorschriften einschließlich völkervertraglicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht zu beachten seien.
      dd) Des weiteren besteht keine zwingende Völkerrechtsregel (Art.25 GG), die politisch Verfolgte bei der Einbürgerung den de-jure-Staatenlosen gleichstellt und demgemäß eine Anwendung der Nr.II SchlPr auf Asylberechtigte ausschließt (vgl. auch Art.64 WÜV). Es entspricht nicht allgemeiner Staatenpraxis, politisch Verfolgte bei der Einbürgerung den de-jure-Staatenlosen gleichzustellen. Das zeigt sich namentlich daran, daß die wiederholten Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die Einbürgerung von Flüchtlingen durch Verzicht auf Entlassungsbemühungen im Heimatstaat zu erleichtern, ohne durchschlagenden Erfolg geblieben sind (Hannappel, Staatsangehörigkeit und Völkerrecht, 1986, S.36 ff.). Es bedarf auch keiner Erörterung, inwieweit Art.15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 ..., die nicht durch ein Bundesgesetz für innerstaatlich anwendbar erklärt worden ist, Ausdruck einer Völkerrechtsregel im Sinne des Art.25 GG sein könnte. Die Bestimmung sieht vor, daß jeder Mensch Anspruch auf eine Staatsangehörigkeit hat (Nr.1) und daß niemandem seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen und das Recht versagt werden darf, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln (Nr.2). Der Kläger besitzt die iranische Staatsangehörigkeit und will diese nicht wechseln, sondern die deutsche Staatsangehörigkeit hinzuerwerben. Selbst wenn Art.15 Nr.1 der Menschenrechtserklärung für De-facto-Staatenlose einschlägig sein und sich gegen den Aufenthaltsstaat richten sollte, enthält er doch keine Aussage darüber, welche Voraussetzungen für eine Einbürgerung solcher Personen gefordert werden dürfen. Angemessenen und zumutbaren Voraussetzungen steht er jedenfalls nicht entgegen und damit auch nicht Regelungen, mit denen das international angestrebte Ziel, Mehrstaatigkeit zu vermeiden oder zu beseitigen, in einer Weise wie durch Nr.II SchlPr gefördert wird.
      c) Das Zustimmungserfordernis nach Nr.II SchlPr gilt auch für Einbürgerungsbewerber mit deutschem Ehegatten. ... Art.6 Abs.1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, gewährleistet ausländischen Ehegatten Deutscher keinen grundrechtlichen Anspruch auf Einbürgerung. Das Schutz- und Förderungsgebot des Art.6 GG wirkt zwar dahin, daß eine einheitliche deutsche Staatsangehörigkeit der im Bundesgebiet lebenden Familie wünschenswert ist, verpflichtet aber nicht, ihr unter allen Umständen Geltung zu verschaffen. Es beläßt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er öffentliche Interessen, die von einer Einbürgerung berührt werden, angemessen berücksichtigen darf, selbst wenn ihnen Verfassungsrang nicht zukommt (vgl. dazu BVerfGE 76, 1 [53]). Als öffentliches Interesse kann daher das international angestrebte Ziel, Mehrstaatigkeit zu verhindern, auch gegenüber Ehegatten Deutscher berücksichtigt werden. Die Regelung der Nr.II SchlPr stellt eine diesem Zweck dienende angemessene Einbürgerungsvoraussetzung dar und hat deswegen vor der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung zugunsten von Ehe und Familie Bestand.
      Entgegen der Auffassung der Revision führt Nr.II SchlPr auch nicht zu einer dem Differenzierungsverbot des Art.3 Abs.2 GG zuwiderlaufenden Unterscheidung zwischen Frauen und Männern bei der Einbürgerung iranischer Ehegatten Deutscher. Die Regelung macht keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Sie stellt nicht darauf ab, ob der Einbürgerungsbewerber mit einem Deutschen verheiratet ist oder nicht. Das Zustimmungserfordernis ist auch auf die Einbürgerung iranischer Ehefrauen Deutscher anzuwenden. Daß bei Abschluß des Niederlassungsabkommens ausländische Ehefrauen deutscher Staatsangehöriger gemäß §6 RuStAG a.F. durch Eheschließung kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, steht dem nicht entgegen. Von der Zustimmungsklausel sind nicht solche Sachverhalte ausgenommen, die nach dem Recht einer Vertragspartei zur Zeit des Abschlusses des Abkommens unter einen - später aufgehobenen - gesetzlichen Erwerbstatbestand fielen. Das völkerrechtliche Gegenseitigkeitsprinzip gebietet keine abweichende Beurteilung. Die Leistungen der Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages müssen nicht völlig gleichartig und gleichgewichtig sein. Die Gestaltung des Vertragsinhalts liegt grundsätzlich in der freien Entscheidung der Vertragsstaaten ... Durch Nr.II SchlPr haben sich die Vertragsstaaten für alle Maßnahmen gebunden, die im Sinne dieser Vorschrift Einbürgerungen von Staatsangehörigen der jeweils anderen Vertragspartei sind. Dazu zählt der Staatsangehörigkeitserwerb kraft Gesetzes nicht. In der Regelung der gesetzlichen Erwerbstatbestände sind die Vertragsstaaten nicht gebunden. Die gesetzlichen Erwerbstatbestände in den nationalen Rechtsordnungen der Vertragspartner können nicht nur bei Abschluß des Vertrages unterschiedlich sein, sondern auch während der Vertragsdauer unterschiedlich geregelt werden. Demgemäß kann der für Einbürgerungen verbleibende Raum verschieden sein und sich unterschiedlich ändern. Das entspricht dem Inhalt des Vertrages. Die Anwendung der Nr.II SchlPr auf iranische Ehefrauen Deutscher ist demnach weder dadurch ausgeschlossen, daß bei Abschluß des Abkommens nach deutschem Recht ausländische Ehefrauen Deutscher kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben, noch dadurch, daß das iranische Recht auch gegenwärtig den gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerb für ausländische Ehefrauen iranischer Staatsangehöriger vorsieht (Art.976 Nr.6 iranisches Zivilgesetzbuch). Diese Auslegung ist mit Art.3 des Freundschaftsvertrages vom 17. Februar 1929 (RGBl.II 1930 S.1002) vereinbar, nach dem die Vertragsparteien u.a. die Niederlassung und den Aufenthalt ihrer Angehörigen im Gebiet des anderen Staates auf der Grundlage vollständiger Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit regeln wollten. Abgesehen davon, daß die Einbürgerung nicht zu den Bereichen der Niederlassung und des Aufenthalts gehört, ist bei dem dargelegten Verständnis der Vertragsvorschrift weder die Gleichberechtigung noch die Gegenseitigkeit verletzt.
      Die Auslegung, wonach Nr.II SchlPr auch für die Einbürgerung iranischer Ehefrauen Deutscher gilt, entspricht dem Grundsatz, daß eine völkerrechtliche Vertragsvorschrift nicht in einer Weise auszulegen ist, die einer Verwirklichung ihres Zieles entgegenstehen würde. Danach verbietet sich im Zweifel eine Auslegung, die mit dem innerstaatlich weitgehend verbindlichen Prinzip der Gleichberechtigung (vgl. auch Art.26 des für die Bundesrepublik Deutschland und den Iran in Kraft befindlichen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.Dezember 1966, BGBl. 1973 II S.1533/1976 II S.1068) in Widerspruch stünde und es den Vertragsparteien u.U. zu einem erheblichen Teil unmöglich machte, der Vertragspflicht zu entsprechen.
      3. Das Zustimmungserfordernis der Nr.II SchlPr ist jedoch auf Einbürgerungsansprüche nicht anwendbar. Das gilt auch, wenn sich ein solcher Anspruch aus einer im Einzelfall gegebenen Ermessensreduktion herleitet, nach der die Behörde rechtmäßig von dem Ermessen nur durch Vornahme der beantragten Einbürgerung Gebrauch machen kann [s.o. Nr.88/1]. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht auszuschließen, daß sich das Ermessen des Beklagten in diesem Sinne verdichtet hat und dem Kläger demgemäß ein Anspruch auf Einbürgerung zusteht. ...
      b) Für die Ausübung des grundsätzlich weiten Ermessens nach §8 Abs.1 RuStAG ist maßgebend, ob die Einbürgerung im staatlichen Interesse liegt (BVerwGE 75, 86 [88] ...). Dabei sind die Wertentscheidungen der Verfassung zu beachten, insbesondere Art.6 Abs.1 GG, nach dem Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen (BVerwGE 64, 7 [11 f.]) ...
      In Fällen wie dem vorliegenden muß bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden, daß nach dem Schutz- und Förderungsgebot des Art.6 Abs.1 GG eine einheitliche Staatsangehörigkeit in der Familie wünschenswert ist, wenn der Einbürgerungsbewerber seine Ehe mit einem deutschen Staatsbürger im Bundesgebiet führt. Eine gemeinsame Staatsangehörigkeit fördert regelmäßig die Einheit und den Zusammenhalt der im Inland lebenden Familie (BVerwGE 77, 164 [173] ...). Sie spricht daher für eine Einbürgerung.
      Ferner ist zu beachten, daß der Kläger Asylberechtigter ist und die Rechtsstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Art.34 Satz1 GK enthält ein das Ermessen beschränkendes Wohlwollensgebot. Danach ist wegen des gruppentypischen Schicksals der Flüchtlinge ein staatliches Interesse an der Einbürgerung gesetzlich vorgezeichnet. Die Einbürgerung darf nur abgelehnt werden, wenn andere staatliche Belange entgegenstehen und überwiegen (BVerwGE 49, 44 [47f.]; 75, 86 [89] ...).
      Außerdem ist als staatliches Interesse das Ziel erheblich, Mehrstaatigkeit zu vermeiden. Dieses Interesse ist gesetzlich anerkannt durch §§9 Abs.1 Nr.1, 25 Abs.1 RuStAG und das Übereinkommen über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern vom 6.Mai 1963 (BGBl. 1969 II S.1953, 1962/BGBl. 1974 II S.1588). Die Behörde ist grundsätzlich befugt, eine zu Mehrstaatigkeit führende Einbürgerung abzulehnen (BVerwGE 64, 7 [10] ...).
      c) Wenn alle weiteren im Rahmen des Ermessens zu würdigenden Umstände Bedenken gegen die Einbürgerung nicht aufzeigen, muß zwischen dem Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit und den für die Einbürgerung sprechenden Interessen abgewogen werden.
      aa) Die gebotene Abwägung führt nicht zu einem generellen Vorrang der für die Einbürgerung sprechenden Interessen und zwar auch nicht unter Berücksichtigung dessen, daß die Familienangehörigen des Klägers außer der deutschen ebenfalls die iranische Staatsangehörigkeit besitzen dürften. Daran ändert nichts, daß diese Interessen in den Grundrechten der Art.6 Abs.1 und 16 Abs.2 Satz2 GG eine verfassungsrechtliche Grundlage haben.
      Aus diesen Grundrechtsbestimmungen ergibt sich für asylberechtigte Ehegatten Deutscher keine grundrechtliche Gewährleistung der Einbürgerung. Beide Bestimmungen wirken zwar auf das Ermessen lenkend ein, belassen aber den Behörden einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen sie andere durch die Einbürgerung berührte Interessen angemessen berücksichtigen können. Das Ermessen ist deswegen nicht grundsätzlich dahin reduziert, daß asylberechtigte Bewerber mit deutschen Ehegatten bei Fehlen anderer Hindernisse unter Inkaufnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden müssen. So ist es in der Regel nicht rechtsfehlerhaft, das Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit ausschlaggebend sein zu lassen, wenn der Bewerber seine bisherige Staatsangehörigkeit zumutbar aufgeben kann. Ferner dürfen regelmäßig langfristige Entlassungsbemühungen verlangt werden, etwa um den Fortfall solcher Umstände abzuwarten, die den Heimatstaat vorübergehend veranlassen, die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit zu verweigern. Eine Schrumpfung des Ermessens zu einem Einbürgerungsanspruch hin kann nur unter engen Voraussetzungen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls bejaht werden.
      ... cc) Das Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit muß jedoch um so eher zurücktreten, je länger die eheliche und familiäre Gemeinschaft besteht, der Ausländer im Inland lebt und des Schutzes vor politischer Verfolgung bedarf. Die ständig zunehmende Bindung an Deutschland stärkt das Interesse an der Einbürgerung und mindert das Gewicht des gegenläufigen Interesses, Mehrstaatigkeit zu vermeiden. Unter diesen Umständen tritt ein allgemeines Interesse hinzu, Ausländer im fortgeschrittenen Lebensalter nicht ständig von der staatlichen Gemeinschaft auszuschließen, wenn sie aufgrund ihrer hiesigen langjährigen familiären, beruflichen und sozialen Bindungen auf Dauer im Bundesgebiet leben. Danach verdichtet sich bei auf Dauer im Bundesgebiet lebenden Bewerbern das Ermessen zu einem Einbürgerungsanspruch vor allem mit Rücksicht auf einen langen ununterbrochenen - zumal verfolgungsbedingten - Aufenthalt im Inland, eine langjährige Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen, ein fortgeschrittenes Lebensalter sowie das Zusammenwirken dieser Umstände, wenn alle übrigen Voraussetzungen, die aufgrund des Ermessens verlangt werden dürfen, erfüllt sind. ...
      d) Nach diesen Maßstäben kann sich im Falle des Klägers das Einbürgerungsermessen in der genannten Weise verdichtet haben. ... Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einschließlich der in Bezug genommenen Verwaltungsvorgänge sind - abgesehen von der noch zu erörternden Frage weiterer Bemühung um Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit - alle sonst zu verlangenden Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllt. Der Kläger ist insbesondere in die hiesigen Lebensverhältnisse voll eingegliedert. Umstände, die gegen seine Einbürgerung sprechen könnten, sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich. Das gilt auch für die entwicklungspolitischen Belange der Bundesrepublik Deutschland. Wie sich aus den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen ergibt, hat sich der Kläger für den Fall seiner Einbürgerung zur Rückzahlung der ihm für seine medizinische Ausbildung aus deutschen öffentlichen Mitteln gewährten Stipendien gegenüber dem Bundesverwaltungsamt verpflichtet. Damit ist entwicklungspolitischen Belangen des Staates in einem solchen Maße Rechnung getragen, daß sie dem Interesse an der Einbürgerung des Klägers nicht mehr entgegengesetzt werden können ...
      e) Eine Ermessensreduktion, die eine Verpflichtung zur Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit begründet, ist allerdings nicht gegeben, wenn der Bewerber dem Interesse an der Vermeidung von Mehrstaatigkeit zumutbar entsprechen kann. ... Demnach ist vorauszusetzen, daß der Bewerber die Entlassung aus seiner Staatsangehörigkeit nicht erlangen kann. Es müssen sachgerechte Bemühungen um Entlassung über eine hinreichende Zeitspanne erfolglos geblieben, von vornherein aussichtslos oder dem Bewerber nicht zumutbar sein. Das Berufungsgericht ist der Frage, ob der Kläger die Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit erlangen kann, nicht nachgegangen, weil sie von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht erheblich war. Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen läßt sie sich nicht abschließend beantworten.
      ... Es ist mithin bisher nicht ausgeschlossen, daß der Kläger Mehrstaatigkeit vermeiden kann, die dafür erforderlichen Bemühungen aber unterlassen hat. Liegt es so, ist der Beklagte nicht verpflichtet, dem Interesse an der Einbürgerung Vorrang beizumessen.
      Anderes würde gelten, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf die ihm im Iran drohende politische Verfolgung nicht zumutbar ist, bei der iranischen Auslandsvertretung einen Entlassungsantrag zu stellen. Die Frage, ob einem Asylberechtigten zugemutet werden darf, ein Entlassungsverfahren vor den Behörden seines Heimatstaates zu betreiben, läßt sich nicht allgemeingültig, sondern nur nach Maßgabe der besonderen Umstände des Einzelfalls beantworten. Entlassungsbemühungen Asylberechtigter überschreiten nicht grundsätzlich die Grenze des Zumutbaren, und zwar auch dann nicht, wenn der Entlassungsantrag es erforderlich machen sollte, die Auslandsvertretung des Heimatstaates persönlich aufzusuchen ... Entlassungsbemühungen sind aber unzumutbar, wenn sie für den Bewerber oder Dritte, namentlich für im Heimatstaat lebende Angehörige des Bewerbers, mit Gefahren verbunden sind, insbesondere solchen, vor denen das Grundrecht auf Asyl schützen soll. Das Berufungsgericht hat tatsächliche Feststellungen hierzu nicht getroffen.