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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995


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Rainer Grote

XIII. Umwelt- und Naturschutz

6. Artenschutz und biologische Vielfalt

    220. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Artenschutzpolitik der Bundesrepublik und dem Verhalten der deutschen Delegation auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz zum Washingtoner Artenschutzübereinkommen erläuterte die Bundesregierung ausführlich ihre Position zur Durchsetzung des Artenschutzes unter den Bedingungen des EG-Binnenmarktes:

    "Nach dem Wegfall der innergemeinschaftlichen Grenzkontrollen setzt sich die Bundesregierung dafür ein, daß in der neuen EG-Artenschutzverordnung bessere Rechtsgrundlagen geschaffen werden für eine einheitliche strenge Einfuhrgenehmigungspraxis in allen Mitgliedstaaten sowie für eine wirksame Kontrolle des innergemeinschaftlichen Handels. Hierzu gehört u.a., daß im Bereich des Handels mit stark gefährdeten Arten auch künftig der Nachweis der legalen Herkunft von Tieren und Pflanzen mit amtlichen Dokumenten geführt werden sollte und offensichtlich unrichtige Genehmigungen und Bescheinigungen von Behörden anderer Mitgliedstaaten nicht bindend sein sollten. Ferner unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen, die Einfuhrkontrollen für geschützte Tiere und Pflanzen an den internationalen Flughäfen und an den Grenzen zu Nicht-EU-Mitgliedstaaten zu verstärken."481
    In Anbetracht der Tatsache, daß die EU neben den USA und Japan zu den Hauptkonsumentenländern für tierische und pflanzliche Ressourcen gehöre, hätten die deutschen Vertreter in den Gremien der EU-Kommission sich bereits frühzeitig für eine Begrenzung der Einfuhren auf Exemplare ausgesprochen, für die eine naturverträgliche Entnahme dargelegt worden sei. Auf Initiative von Deutschland sei die wissenschaftliche Arbeitsgruppe bei der EU-Kommission eingerichtet worden, die � soweit es die Rechtslage zulasse � alle Einfuhren vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen betroffener Waren auf ihre Naturverträglichkeit überprüfe. Sei diese nicht gegeben, müsse die Einfuhr für die gesamte EU untersagt werden. Damit sei eine einheitliche Anwendung in der EU gegeben:
    "Dieses Prinzip möchte Deutschland auch auf andere, noch nicht vom WA erfaßte Arten angewendet wissen. Deshalb hat sich die deutsche Delegation in Brüssel bei der Diskussion der neuen EG-Artenschutzverordnung stets für eine umfangreiche Erweiterung der Artenliste eingesetzt, deren darin enthaltene Arten dann bei der Einfuhr auf ihre Naturverträglichkeit überprüft werden können. Dies wird als Beitrag zur Erhaltung der weltweiten Biodiversität mit rechtlichen Mitteln angesehen."482
    Zu den artenschutzpolitischen Zielen des deutschen Vertreters im Tier-Ausschuß des Washingtoner Artenschutzübereinkommens erklärte die Bundesregierung:
    "Seit der Vertragsstaatenkonferenz von Lausanne 1989, auf der er als Vertreter für die Region Europa gewählt wurde, vertritt Dr. Blanke vom Bundesamt für Naturschutz die europäischen Interessen im Tier-Ausschuß. Als Europavertreter ist er gezwungen, nicht nur die deutschen, sondern auch die Standpunkte aller anderen europäischen Staaten zu vertreten. Den ihm verbleibenden Spielraum nutzt er voll aus, um in Zusammenarbeit mit den Ursprungsländern eine Verbesserung des Schutzes der dort vorkommenden Arten zu erzielen. Als Strategie wird hierbei überall das Prinzip des 'sustainable use' angewandt, es sei denn, daß wegen des besorgniserregenden Populationsstatus ein absoluter Schutz der betreffenden Arten erforderlich ist."483

    221. Im Berichtszeitraum wurde die Schlußakte zum Regionalabkommen zur Erhaltung der wandernden afrikanisch-eurasischen Wasservögel gezeichnet.484 Es handelt sich um das 4. Regionalabkommen im Rahmen der Bonner Konvention vom 23. Juni 1979 zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten485. Das Abkommen gilt für alle dort im Anhang aufgelisteten Wasservögel des europäischen, afrikanischen und asiatischen Raums. Unter Wasservögel werden alle Vogelarten verstanden, die zumindest während eines Teils ihres Jahreszyklus ökologisch auf Feuchtgebiete angewiesen sind. Die Aufgaben der Vertragsparteien und damit der wesentliche Inhalt des Abkommens sind in einem Aktionsplan in der Anlage zum Regionalabkommen näher definiert. Dazu gehören u.a. die Einführung von Jagdverboten für bestimmte Arten, die Entwicklung von artspezifischen Schutzplänen und die Sicherung der Lebensräume.

    222. Im Plenum der Generalversammlung der Vereinten Nationen gab der spanische Vertreter im Namen der Europäischen Union zu dem zur Zeichnung aufgelegten United Nations Agreement on the Application of the Provisions of the Convention of the Law of the Sea on Straddling Stocks and Highly Migratory Species die folgende Erklärung ab:

    "The European Community and its Member States have actively participated in the Conference where this text was negotiated and finally adopted. At present, however, it is not possible for the European Community and its Member States to sign the Agreement, as the required internal procedures have not yet been completed.
    Once these procedures are brought to a conclusion, the European Community and its Member States will assure their continued participation and engagement in this important process. This active participation is based on the firm commitment of the European Community and Member States in favor of responsible fishing and international cooperation in the management and conservation of living marine resources."486

    223. Die Bundesregierung äußerte sich im Berichtszeitraum mehrfach zu den Gefahren einer Überfischung der Meere.487 Sie vertrat die Auffassung, neben einem dauerhaften Abbau der Überkapazitäten bei den Fangflotten sei eine Verbesserung der Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Bestandserhaltung dringend geboten. Dazu gehörten neben der Festsetzung von Gesamtfangmengen auf der Grundlage wissenschaftlicher, gesicherter Erkenntnisse eine Verbesserung technischer Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere eine Steigerung der Selektivität der Netze, um den Fischnachwuchs zu schonen und den unerwünschten Beifang anderer Meerestiere zu vermeiden, die Einschränkung der Industriefischerei, wo sie ökologisch schädlich ist sowie eine Verschärfung der Kontrollen, um die Einhaltung der Regelungen sicherzustellen.488 Zur Durchführung und Kontrolle der Bewirtschaftungsmaßnahmen äußerte sich die Bundesregierung wie folgt:

    "Für die Bewirtschaftung außerhalb der 200-Seemeilen-Zonen sollten internationale oder regionale Fischereiorganisationen zuständig sein, wie dies nach dem Internationalen Seerecht vorgesehen ist und in zahlreichen Fällen bereits praktiziert wird, z.B. durch die Nordwest-Atlantische-Fischerei-Organisation (NAFO) oder die Nordost-Atlantische-Fischerei-Kommission (NEAFC). Wo solche Fischereiorganisationen bislang nicht existieren, sollte ein bilaterales Bewirtschaftungssystem zwischen den betroffenen Küstenstaaten und jenen Flaggenstaaten, deren Schiffe einer Fangtätigkeit vor den Fischereizonen des Küstenstaates nachgehen, vereinbart werden.
    Die Zuständigkeit für die Überwachung der Fischereitätigkeit auf der Hohen See sowie für die Verhängung und Durchsetzung von Sanktionen obliegt den Flaggenstaaten. Die Befugnisse der Küstenstaaten enden an den Grenzen ihrer Fischereizonen. Eine einseitige Ausdehnung der Befugnisse der Küstenstaaten auf die Hohe See wird von der Bundesregierung abgelehnt. Vorstellbar ist ein Recht der Küstenstaaten auf Kontrollen und Sanktionen gegenüber Schiffen anderer Nationen auf der Hohen See nur mit Einverständnis der Flaggenstaaten. Die Bundesregierung befürwortet allerdings eine Stärkung der Befugnisse der bereits erwähnten Fischereiorganisationen im Hinblick auf die Überwachung der Fischereiaktivitäten durch internationale Beobachter und Inspekteure, wie dies jetzt in der NAFO erstmalig praktiziert wird. An der Verantwortlichkeit der Flaggenstaaten für die eigenen Schiffe ändert dies jedoch nichts. Sofern sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, müssen sie von der internationalen Staatengemeinschaft immer wieder an ihre Verantwortung erinnert werden."489
    Kritisch setzte sich die Bundesregierung mit der Praxis des "Beifangs" im Rahmen von Fischereiaktivitäten auseinander:
    "Die zur Zeit auftretenden Beifang- und Rückwurfmengen werden von der Bundesregierung als zu hoch angesehen. Sie unterstützt daher die EG-Kommission in ihren Bemühungen um eine Verbesserung der Bewirtschaftung der Fischbestände, die insbesondere auch auf eine Verringerung der Beifang- und Rückwurfmengen abzielen. Überdies versucht sie, diese Ziele in den internationalen Meeresumweltschutzabkommen durchzusetzen."490
    Zu den Bemühen, ein wirksames Verbot der Treibnetzfischerei durchzusetzen, führte die Bundesregierung in demselben Zusammenhang aus:
    "Die VN-Resolutionen 44/225, 45/197 und 46/215 aus den Jahren 1990 und 1991 fordern ein Verbot der großflächigen Treibnetzfischerei auf der Hohen See ab 1. Januar 1993. Was unter 'großflächig' zu verstehen ist, wird nicht definiert. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich jedoch inzwischen auf eine Fläche von 2,5 km geeinigt, ab der von großflächiger Treibnetzfischerei gesprochen werden kann. Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die meisten Fischfangnationen diese Resolutionen inzwischen in nationales Recht umgesetzt und die Treibnetzfischerei mit größeren als 2,5 km langen Netzen verboten.
    Die EG hat die großflächige Treibnetzfischerei im Oktober 1991 mit Wirkung vom 1. Juni 1992 verboten. Der entsprechende Beschluß sieht vor, daß es allen EG-Schiffen innerhalb und außerhalb der nationalen Fischereizonen sowie allen fremden Schiffen innerhalb des EG-Meeres untersagt ist, Fischfang mit einem oder mehreren Treibnetzen von mehr als 2,5 km Einzel- oder Gesamtlänge zu betreiben. Das Ausbringen mehrerer Netze von jeweils 2,5 km Länge ist damit eindeutig untersagt. Ein Netz von mehr als 1 km Länge muß zudem ständig am Schiff befestigt bleiben.
    Dieser Beschluß ist von hoher umweltpolitischer Bedeutung und geht in drei Punkten noch über die VN-Resolutionen hinaus: Beginn des Verbotes bereits am 1. Juni 1992, Geltungsbereich des Treibnetzverbotes auch in Küstengewässern und nationalen Fischereizonen, Befestigungsgebot für Netze über 1 km Länge. Er ist unmittelbar geltendes Recht in jedem Mitgliedstaat der EU."491

    224. Im November 1995 fand in Jakarta (Indonesien) die 2. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über biologische Vielfalt statt. Die Bundesregierung legte der Konferenz den nationalen Bericht zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt in der Bundesrepublik Deutschland vor.492 In dem Bericht wird ausgeführt, die Bundesregierung messe dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt eine große Bedeutung zu. Mit der Umsetzung des Übereinkommens solle in Deutschland den in den letzten 50 Jahren beschleunigt eingetretenen Beeinträchtigungen von wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und ihren Lebensräumen sowie dem Verlust von pflanzen- und tiergenetischen Ressourcen entgegengewirkt werden.493 In dem Bericht wird auch zu dem Verhältnis des Übereinkommens über biologische Vielfalt zu den bereits bestehenden internationalen Übereinkommen und Programmen Stellung genommen, die sich mit speziellen Bereichen des Übereinkommens befassen, wie das Washingtoner Artenschutzübereinkommen oder das Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten. Dazu heißt es:

    "Diese speziellen Naturschutzübereinkommen und -programme sollten nach deutscher Auffassung in enger Abstimmung mit dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt weiterentwickelt werden, weil sie spezielle Instrumente für die Erhaltung und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt darstellen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit der Sekretariate. Deutschland wird sich bei der Setzung von Prioritäten für die Finanzierung von Maßnahmen zur Umsetzung des Übereinkommens über die biologische Vielfalt durch den Finanzmechanismus des Übereinkommens weiter dafür einsetzen, daß Maßnahmen, die im Rahmen dieser speziellen Naturschutzübereinkommen und -programme durchgeführt werden, Priorität genießen und solchen Maßnahmen auch in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit Priorität einräumen."494
    Im Mittelpunkt der Konferenz in Jakarta standen die Verhandlungen über ein Verhandlungsmandat für ein zukünftiges Protokoll über biologische Sicherheit ("Biosafety-Protokoll"). Man einigte sich schließlich auf ein Mandat, das vorsieht, den Export von lebenden modifizierten Organismen in Zukunft vom vorherigen Einverständnis des Importlandes abhängig zu machen. Dabei wird der Exporteur über etwaige Umweltrisiken sorgfältig zu informieren haben. Eine Arbeitsgruppe soll bis zur 5. Vertragsstaatenkonferenz 1998 einen Protokolltext erarbeiten.495 Die Bundesregierung hatte zu einigen der mit dem "Biosafety-Protokoll" angesprochenen Fragen bereits in ihrem Umsetzungsbericht Stellung genommen:
    "Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß � entsprechend Artikel 8 g BV � die Art und Gestaltung der Mittel zur Regelung der mit der Nutzung der Biotechnologie verbundenen Risiken in erster Linie in nationaler Verantwortung liegen. Sie setzt sich für die Entwicklung von internationalen freiwilligen Leitlinien zum sicheren Umgang mit der Biotechnologie unter Beteiligung einer möglichst großen Zahl von Staaten ein. Dies soll zur Harmonisierung der Verfahren sowie zur Unterstützung derjenigen Länder, deren Verfahren noch in der Entwicklung begriffen sind, beitragen. Zusätzlich zu diesen Leitlinien sollte für diejenigen durch die Biotechnologie hervorgebrachten lebendigen modifizierten Organismen, die für die Verwendung in der Umwelt vorgesehen sind, ein internationales, standardisiertes, unnötige Bürokratien vermeidendes Verfahren zur Informationsübermittlung entwickelt werden, mit dem dem Empfängerland alle für seine eigenverantwortlich durchgeführte Sicherheitsbewertung relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden."496


    481 BT-Drs. 13/1379, 2.
    482 Ibid., 3.
    483 Ibid., 8.
    484 Umwelt Nr. 7-8/1995, 270.
    485 BGBl. 1984 II, 569.
    486 Position of Germany (Anm. 3), Plenum, 61 f.
    487 Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage zum Schutz von Mensch und Natur vor den Folgen der Überfischung der Meere, BT-Drs. 13/2582; Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage zur Lage der Fischerei, BT-Drs. 13/2583.
    488 BT-Drs. 13/2582, 2.
    489 BT-Drs. 13/2583, 2 f.
    490 BT-Drs. 13/2582, 17 f.
    491 Ibid., 18.
    492 BT-Drs. 13/2707.
    493 Ibid., 3.
    494 Ibid., 39.
    495 Umwelt Nr. 1/1996, 17 f.
    496 BT-Drs. 13/2707, 40. S. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zum Thema "Internationale Regelungen zur Sicherheit der Biotechnologie � Das Übereinkommen über biologische Vielfalt", BT-Drs. 13/1217.