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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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1050. EUROPÄISCHES AUSLIEFERUNGSÜBEREINKOMMEN VOM 13.12.1957 (BGBl. 1964 II S.1371)

Art.14

Nr.87/1

Kraft des Spezialitätsgrundsatzes darf eine Straftat, die der Auslieferung nicht zugrunde liegt, zwar nicht verfolgt werden, doch kann sie als Indiz für die Begehung der Auslieferungstat bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden.

According to the rule of speciality, the person extradited may not be prosecuted for a crime not covered by the extradition. This does, however, not preclude the taking into consideration of that crime as circumstantial evidence with regard to the perpetration of the extradition crime.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.4.1987 (2 StR 697/86), BGHSt 34, 352 (ZaöRV 48 [1988], 746)

Einleitung:

      Die Staatsanwaltschaft beantragte die Vernehmung von Zeugen, um die Beteiligung des wegen einer Auslieferungstat Angeklagten an anderen Straftaten zu beweisen und daraus Indizien hinsichtlich der Auslieferungstat zu gewinnen. Diese Beweisanträge wies das Landgericht wegen Verstosses gegen den Spezialitätsgrundsatz als unzulässig zurück. Darin lag nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ein Verfahrensfehler.

Entscheidungsauszüge:

      Jenes Prinzip [der Spezialität] schloß die Einbeziehung der die Beweisthemen bildenden Umstände in die Beweiswürdigung zu der Auslieferungstat nicht aus. Artikel 14 EuAlÜbk ... verbietet zwar nicht nur die Aburteilung, sondern auch die Verfolgung des Ausgelieferten wegen einer anderen Straftat als derjenigen, für welche die Auslieferung bewilligt worden ist. Von der "Verfolgung" einer Tat kann aber nur bei einem Verfahren gesprochen werden, das diese Tat zum Gegenstand hat und mit dem Ziel ihrer Ahndung oder der Verhängung einer wegen ihr gebotenen Maßnahme durchgeführt wird ... Gegenstand eines solchen eigenständigen Verfahrens wird eine Tat nicht schon dadurch, daß die Beweisaufnahme in dem eine andere Tat betreffenden Prozeß auf sie erstreckt wird, weil sie als Indiz zum Nachweis dieser anderen Tat in Betracht kommt ... Vogler (in Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen §11 IRG Rdn.29) meint [, dadurch] würden die Wirkungen der Spezialität unangemessen verkürzt; maßgebend für den Umfang der Spezialitätsbindung sei nicht der ... "Inbegriff der Verhandlung", sondern der auslieferungsrechtliche Tatbegriff; Umstände, die außerhalb des durch Auslieferungsersuchen und Bewilligung abgegrenzten historischen Geschehnisses liegen, dürften nicht als strafbare Handlungen berücksichtigt werden, weil das Verfahren, das die Auslieferungstat zum Gegenstand habe, keinen Raum für die Feststellung anderer strafbarer Handlungen lasse; solche Feststellungen dürften nicht mit Wirkung gegen den Angeklagten getroffen werden ... Die erneute Beratung der Problematik aus Anlaß der vorliegenden Sache hat die früheren Bedenken des erkennenden Senats beseitigt. Entscheidend ist nach seiner nunmehrigen Auffassung einmal, daß ... der Wortlaut des Art.14 Abs.1 EuAlÜbk die Mitverwertung anderer Sachverhalte als der Auslieferungstat gestattet. Sodann steht sie auch in Einklang mit dem Willen des Staates, der die Auslieferung bewilligt hat. Durch seine Zustimmung hat er zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte wegen der Auslieferungstat verfolgt und abgeurteilt werden darf. Die Einbeziehung der anderen Tat als Indiz in die Beweiswürdigung bezüglich jener Tat geht über diesen freigegebenen Bereich nicht hinaus. Soweit aus dem mituntersuchten Sachverhalt Schlüsse gezogen werden, dient das allein zum Nachweis der Auslieferungstat, nicht aber um die Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung der anderen Tat zu schaffen.