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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1986 - 1993


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212. EINZELNE REGELN

Nr.87/3 Ein völkerrechtsgemäßer Einsatz chemischer Waffen ist nicht schlechthin ausgeschlossen.
The use of chemical weapons can be in accordance with public international law.

Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 29.10.1987 (2 BvR 624/83 u.a.), BVerfGE 77, 170 (s.343 [87/1])

Einleitung:

      Die Frage war, ob die Zustimmung des Bundesgesetzgebers zur Stationierung chemischer Waffen im Bundesgebiet gegen Art.25 GG verstieß.

Entscheidungsauszüge:

      C. ... II. ... 3. Eine Verletzung von Art.25 Satz 1 GG kann nicht festgestellt werden. Ein völkerrechtsgemäßer Einsatz der stationierten C-Waffen erscheint nicht schlechthin ausgeschlossen. Der Senat teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß ein solcher Einsatz als Zweiteinsatz nicht von vornherein unzulässig ist. Auch die Beschwerdeführer bestreiten die Zulässigkeit eines (Zweit-)Einsatzes von C-Waffen nicht schlechthin. Über seine Grenzen nach den Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts sind Bundesregierung und Beschwerdeführer allerdings unterschiedlicher Auffassung. Eine Verletzung von Art.25 GG könnte indessen selbst dann nicht festgestellt werden, wenn man sich den weitergehenden Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführer zu eigen machte, daß nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts die Wirkungen eines (Zweit-)Einsatzes dieser Waffen in jedem Fall auf militärische Ziele beschränkbar sein müssen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß von einer solchen Beschränkbarkeit ausgegangen werden könne. Die Beschwerdeführer bestreiten dies unter Hinweis auf die dichte Besiedlung Mitteleuropas und regen an, insoweit Beweis durch Einholung von Sachverständigengutachten zu erheben. Eine solche Beweiserhebung kommt indessen nicht in Betracht, da sie nicht geeignet ist, die Fehlerhaftigkeit der Einschätzung der Bundesregierung zu erweisen. Daß die Wirkungen eines (Zweit-)Einsatzes von C-Waffen im Konfliktfall nicht auf militärische Ziele begrenzt werden können, läßt sich auf methodisch nachvollziehbare Weise nicht sicher feststellen. Dies hängt etwa vom Einsatzort und -zeitpunkt der Waffen, der Art, Wirkung und Reichweite der eingesetzten Waffen und Trägermittel sowie der Anwesenheit von Bevölkerung am Kampfschauplatz ab. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine Beschränkbarkeit der Wirkungen des Einsatzes von C-Waffen auf militärische Ziele von vornherein ausgeschlossen ist. Schon deshalb kann ein Verstoß gegen Art.25 GG nicht festgestellt werden.