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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1994


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Hans-Konrad Ress


IV. Staatsangehörigkeit

3. Staatenlosigkeit

      24. Mit Urteil vom 16.2.1994 (1 S 2882/93 - ESVGH 43, 197 = NVwZ 1994, 1233 = InfAuslR 1994, 243) entschied der VGH Baden-Württemberg, daß ein Verwaltungsakt, der einen Ausländer verpflichte, seine Staatenlosigkeit durch Wiedereinbürgerung zu beseitigen, nichtig sei. Die Nichtigkeit ergebe sich aus § 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG, da ein derartiger Verwaltungsakt vom Adressaten aus tatsächlichen Gründen nicht ausgeführt werden könne. Es verstehe sich von selbst, daß Staatenlose sich nicht selbst wieder einbürgern könnten, sondern dies nur durch die zuständigen nationalen Behörden erfolgen könne. Auch die Beseitigung der Staatenlosigkeit als Erfolg könne nicht als Verwaltungsakt aufgegeben werden, da es nicht in der alleinigen Verfügungsmacht des Staatenlosen liege, die Staatenlosigkeit zu beseitigen, sondern ein Hoheitsakt des einbürgernden Staates erforderlich sei. Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg spricht zusätzlich manches dafür, daß die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sind, auf eigenes Ersuchen von ihrem Heimatstaat hin Ausgebürgerte zu verpflichten, einen Wiedereinbürgerungsantrag bei der Botschaft ihres ehemaligen Heimatstaates zu stellen. Es sei davon auszugehen, daß die Staatenlosigkeit - unabhängig davon, wie sie herbeigeführt wurde - kein polizeiwidriger Zustand sei und deshalb eine zur Antragstellung verpflichtende Verfügung nicht auf die polizeiliche Generalklausel (§§ 1, 3 Polizeigesetz) gestützt werden könne. Zwar sei die Staatenlosigkeit völkerrechtlich unerwünscht, doch bestehe keine allgemein anerkannte Regel des Völkerrechts, die schlechthin die Staatenlosigkeit oder die Ausbürgerung verbiete. Eine entsprechende Regel sei deshalb auch nicht über Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts.