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Deutsche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen 1999


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Ludger Radermacher


V. Staatsangehörigkeit

2. Verlust

       11. In seinem Urteil vom 4.5.1999 entschied das BVerwG (1 C 1/98 - NVwZ-RR 1999, 687 ff.), daß ein bisher im Westen Deutschlands wohnender deutscher Staatsangehöriger polnischer Abstammung nicht gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, wenn er sich 1948 in den damals unter polnischer Verwaltung gestellten Oder-Neiße Gebieten angesiedelt und auf seinen Antrag die polnische Staatsbürgerschaft erworben hat. Die 1962 in Polen geborene Klägerin begehrt die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit. Ihre Mutter wurde 1937 im damaligen Gebiet des deutschen Reiches geboren. Ihr Vater ist polnischer Staatsangehöriger. Beide schlossen 1968 in Polen die Ehe. Die Klägerin selbst heiratete 1982 einen polnischen Staatsangehörigen. Die Großeltern der Klägerin mütterlicherseits wurden in einer Aufgebotsverhandlung vom 28.2.1916 als "Staatsangehörige in Preußen" bezeichnet. Am 18.7.1989 meldete sich die Klägerin in Berlin im Durchgangslager für Aussiedler und Zuwanderer. Mit einem an das Bundesverwaltungsamt gerichteten Schreiben und unter Abgabe der Erklärung gemäß Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 machte sie geltend, daß sie die "BRD Bürgerschaft" erwerben wolle. Die Beklagte lehnte eine solche Feststellung ab. Die Klage auf Feststellung ihrer deutschen Staatsanhörigkeit führte in der Revision teilweise zum Erfolg. Das BVerwG führte aus, daß die Klägerin die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch eine Erklärung nach Art. 3 RuStAÄndG 1974 erworben hat [wird ausgeführt]. Zu Unrecht habe das OVG angenommen, daß die Mutter der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls im Jahr 1948 nach §§ 17 Nr. 2, 25 Abs. 1 RuStAG aufgrund des Erwerbs der polnischen Staatsangehörigkeit verloren habe. Nach §§ 17 Nr. 2, 25 Abs. 1 RuStAG a.F. habe ein Deutscher ohne Wohnsitz oder dauerhaften Aufenthalt im Inland seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit verloren, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf Antrag des Ehemannes oder des gesetzlichen Vertreters erfolgt sei. Unter dem Begriff des Inlands i.S. des § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. sei - insoweit in Parallele zu den im Potsdamer Abkommen vom 2.8.1945 definierten Grenzen Deutschlands - das Gebiet des deutschen Reiches in den Grenzen vom 31.12.1937 verstanden worden. § 25 Abs. 1 RuStAG a.F. gelte somit nicht für den Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit durch einen deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser sich dauerhaft in dem unter polnische Verwaltung gestellten, jedoch noch innerhalb der Grenzen des deutschen Reiches vom 31.12.1937 befindlichen Gebiet niedergelassen habe. Zu klären sei, ob die Mutter der Klägerin mit ihrer Geburt als eheliches Kind im Jahre 1937 gemäß § 4 Abs. 1 Halbs. 1 RuStAG a.F. die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe. Dies setze die deutsche Staatsangehörigkeit des Großvaters mütterlicherseits voraus. Dieser habe 1916 die deutsche Staatsangehörigkeit besessen. Er könnte diese jedoch aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages18 sowie der Bestimmungen des Minderheitenschutzvertrages zwischen den alliierten und assoziierten Hauptmächten und Polen vom 28.6.1919 und des deutsch-polnischen Abkommens über Staatsangehörigkeits- und Optionsfragen vom 30.8.192419 - Wiener Abkommen - verloren haben. Dies sei möglich im Falle einer Option für die polnische Staatsangehörigkeit nach Art. 91 Abs. 4 des Versailler Vertrages bzw. bei Beibehaltung der Staatsangehörigkeit nach Art. 7 Abs. 4 des Wiener Abkommens. Ergebe sich danach der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit der Mutter der Klägerin durch Geburt, so sei weiter zu klären, ob sie die Staatsangehörigkeit vor der Geburt der Klägerin durch Entlassung nach den §§ 17 Nr. 1, 23 RuStAG a.F. verloren habe. Nach § 17 Nr. 5 RuStAG a.F. habe die Klägerin die deutsche Staatsbürgerschaft jedenfalls nicht verloren. Eine dort vorausgesetzte wirksame Legitimation des nichtehelichen Kindes sei nach den Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts zu beurteilen. Nach dem danach maßgeblichen polnischen Recht als Heimatrecht des Vaters gebe es keine Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Nach der Senatsrechtsprechung zu § 5 RuStAG a.F.20 sei jedoch für den Staatsangehörigkeitserwerb vorauszusetzen, daß der maßgebende Rechtsvorgang des ausländischen Rechts innerstaatlich als Legitimation gewertet werden könne. Dies sei mangels Geltung einer Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern in Polen nicht möglich.




      18 Friedensvertrag von Versailles vom 28.6.1919, RGBl. 479.

      19 RGBl. 1925 II, 33.

      20 BVerwGE 68, 22.