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Tätigkeitsbericht für das Jahr 2000


II. Forschungsvorhaben

F. Internationales Wirtschaftsrecht

„Ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“ - Nationale Regelungen und völkervertragsrechtlicher Rahmen grenzüberschreitender Informationsflüsse (Dissertation)

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Bereich internationaler Datennetze beschäftigt sich die im Jahr 2000 fertiggestellte und von Prof. Wolfrum betreute Dissertation von Martin Braun mit Rechtsfragen staatlicher Beschränkungen von grenzüberschreitenden Informationsflüssen.

Der erste Teil der Arbeit enthält eine Zusammenstellung und Analyse deutscher Vorschriften für grenzüberschreitende Informationsflüsse. Dabei wird unterschieden zwischen Regelungen, mit denen auf die Informationen selbst eingewirkt werden soll und Regelungen, die indirekt ansetzen. Für den ersten Bereich finden sich relevante Vorschriften insbesondere für in Gegenständen verkörperte Informationen, u.a. im Bereich des Warenverkehrs (u.a. Zollverwaltungsgesetz und EU-Zollkodex), im G-10 Gesetz und im Gesetz zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote. Grundsätzlich ist eine lückenlose Überwachung von Gegenständen vorgesehen, die es ermöglichen soll, bestimmte Informationen an der Staatsgrenze aus dem Verkehr zu ziehen. Es zeigt sich aber auch, daß selbst im Bereich verkörperter Informationsflüsse eine lückenlose Kontrolle nicht erfolgt, da sich hier faktisch aus der Menge der Gegenstände und rechtlich u.a. aufgrund des Briefgeheimnisses Grenzen der Durchsetzung ergeben. Sind die Informationen nicht in Gegenständen verkörpert, ist die Durchsetzung weiter erschwert. Technisch denkbar ist hier z.B. das „jamming“ ausländischer Rundfunksender. Versuche, Inhalte entlang von Staatsgrenzen zu blockieren, werden auch für das Internet diskutiert.

Den zweiten Schwerpunkt der Darstellung im ersten Teil bilden indirekt ansetzende Maßnahmen, insbesondere Strafdrohungen gegen an der grenzüberschreitenden Übermittlung beteiligte Personen. Eingehend wird die Reichweite der Bestimmungen des StGB sowohl unter dem Gesichtspunkt der §§ 3-9 StGB wie auch der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen wie „einführen“, „verbreiten“ oder „zugänglich machen“ untersucht. Soweit es bereits Rechtsprechung zu Internet-Inhalten gibt, wird diese ebenso erörtert wie der Meinungsstand bei Verbreitungen per Brief oder Rundfunk. Die Untersuchung zeigt, daß es derzeit noch beträchtliche Unsicherheiten über die Reichweite deutscher strafrechtlicher Bestimmungen gibt, wenn vom Ausland aus über das Internet (insbesondere im WWW) verbreitete Inhalte betroffen sind.

Der zweite Teil der Arbeit geht den völker- und europarechtlichen Rahmenbedingungen von staatlichen Beschränkungen grenzüberschreitender Informationsflüsse nach. Eine ganze Reihe von Abkommen enthält eine Garantie der Meinungsäußerungsfreiheit, die ausdrücklich „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“ gewährt wird, so u.a. der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention.

Nacheinander werden völkerrechtliche Verträge auf universaler, regionaler und bilateraler Ebene auf ihre Relevanz für grenzüberschreitende Informationsflüsse hin überprüft, u.a. die Menschenrechtsabkommen, die Völkermordkonvention, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und die Kinderrechtskonvention. Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, weil sowohl Kommission wie Gerichtshof sich in mehreren Verfahren mit Beschränkungen grenzüberschreitender Informationsflüsse auseinandergesetzt haben.

Die Untersuchung beschränkt sich jedoch nicht auf Abkommen mit menschenrechtlichem Schwerpunkt. Bemerkenswert ist, daß unter dem Gesichtspunkt „Information“ auch Regelungen aus in der Regel getrennt behandelten Bereichen des Völkerrechts heranzuziehen sind. Entsprechend werden u.a. der Weltpostvertrag, die Regelungen des GATT/GATS und der WHO und die Warenverkehrs-/Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrages vorgestellt und analysiert, ebenso wie das UN-Seerechtsübereinkommen und die Gründungsverträge der Satellitenbetreiber wie z.B. INTELSAT und INMARSAT.

In der Gesamtschau lässt sich eine Tendenz beobachten, daß es zum einen - insbesondere im Hinblick auf die EMRK - innerstaatliche Verbote bestimmter Inhalte, die nicht von einem Importverbot begleitet werden, schwer zu rechtfertigen sind, während zum anderen Importverbote für bestimmte Inhalte ohne ein begleitendes Verbot auf innerstaatlicher Ebene ebenfalls hohen Anforderungen (GATT, Europarecht) genügen müssen.

Bei der Darstellung der völkerrechtlichen Regelungen werden jeweils die Aktivitäten der mit der Durchsetzung der Abkommen befaßten Gremien im Bereich des Internet mit erläutert. Damit bietet die Arbeit eine erste Zusammenstellung entsprechender Initiativen.

Im Bereich des Völker- und Europarechts ermöglichen die bestehenden Abkommen in der Regel angemessene Reaktionen auf die neuen Entwicklungen. Änderungen der Vertragstexte sind nicht erforderlich. Demgegenüber ist auf nationaler Ebene vielfach noch eine Anpassung der jeweiligen Vorschriften erforderlich. Durchsetzungsdefiziten kann im Bereich der internationalen Datennetze erfolgversprechend mit einer stärkeren Zusammenarbeit der Staaten Rechnung getragen werden.



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