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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


IX. Menschenrechte und Minderheiten

3. Praxis auf europäischer Ebene (im Rahmen der Europäischen Union, des Europarates und der OSZE)

     78. In der Europäischen Union hat sich die Bundesregierung im Rahmen der Beratungen des Amsterdamer Vertrages für die weitere Stärkung des Grundrechtsschutzes eingesetzt. Im Bereich der Außenbeziehungen spiele die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eine Katalysatorrolle, wobei ein kohärentes Auftreten der EU in allen Institutionen und bei allen menschenrechtsrelevanten Fragen angestrebt werde, wie die Bundesregierung in ihrem Bericht über die Menschenrechtspolitik betont. Die Bundesregierung bemühe sich insbesondere um engere Zusammenarbeit zwischen den Entscheidungsträgern in der GASP und der Kommission, die zum Beispiel - für Menschenrechtsforderungen sehr relevant - für die Entwicklungshilfe der EU zuständig sei. Sie setze sich dafür ein, die Menschenrechtsarbeitsgruppe der GASP als Koordinierungsinstrument für dieses Ziel zu nutzen. Ein gemeinsames Auftreten der EU- Mitgliedstaaten in menschenrechtlichen Fragen biete am ehesten die Möglichkeit, Einfluß auf die Verbesserung der Menschenrechtssituation in einem bestimmten Problemland zu nehmen sowie in den öffentlichkeitswirksamen und politisch relevanten Sitzungen der MRK den vorgetragenen Äußerungen Nachdruck zu verleihen.139

     79. In seiner Rede zur Eröffnung des "Europäischen Jahres gegen Rassismus 1997" in Den Haag, das 1996 auf deutsch-französische Initiative als gemeinsame Maßnahme verabschiedet worden war, hob Bundesaußenminister Kinkel hervor, daß damit die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auch auf europäischer Ebene als politische Priorität etabliert werde. Er betont, daß zwar die Zahl der Straftaten mit fremdenfeindlichen Motiven in Deutschland rückläufig sei, fremdenfeindliche Aktionen jedoch unabhängig von den jeweils aktuellen statistischen Entwicklungen eine ständige Wachsamkeit erforderten.140

     Im Rahmen des "Europäischen Jahres gegen Rassismus 1997" sind verschiedene Bundesministerien Träger einer großen Anzahl von entsprechenden Projekten, insbesondere von Aufklärungskampagnen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie von Projekten zur Integration von jungen Ausländerinnen und Ausländern.141

     80. Die zukünftige Effektivität des Menschenrechtsschutzes des Europarates werde durch die geplante Einsetzung eines Ständigen Menschenrechtsgerichtshofes gestärkt und auf Dauer gewährleistet, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage. In der EMRK, den verschiedenen Zusatzprotokollen dazu und der "Europäischen Konvention zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe" sieht die Bundesregierung die Instrumente, welche den Europarat in die Lage versetzen, zu einem Raum demokratischer Stabilität und Sicherheit auf diesem Kontinent beizutragen. In diesem Zusammenhang wird die baldige Ratifizierung dieser Konvention durch die neuen Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa befürwortet142.

     81. Mit Blick auf zu vermeidende Überschneidungen der Arbeit des Europarates mit der anderer zwischenstaatlicher Organisationen unterstützt die Bundesregierung Bemühungen, ein ins Auge gefaßtes sogenanntes 'Memorandum of Understanding' zwischen der OSZE und dem Europarat zu verabschieden, das die Richtlinien für die Kooperation beider Organisationen definiert. Dem Ziel einer möglichst effizienten Zusammenarbeit dienten ferner die regelmäßigen Treffen zwischen Vertretern des Europarates, der Europäischen Union und der OSZE143.

     82. Nach Ansicht der Bundesregierung ist eine Beteiligung der parlamentarischen Versammlung bei der Ausarbeitung von Konventionstexten im Europarat "in hohem Maße" gegeben. Allerdings räumt die Bundesregierung ein, daß eine stärkere Beteiligung der parlamentarischen Versammlung bei der Gestaltung des Arbeitsprogramms wünschenswert sei. Im übrigen würde eine eigenständigere Rolle der parlamentarischen Versammlung in bezug auf die übrigen Organe des Europarates eine Änderung von dessen Statuten voraussetzen.144

     83. Auf eine schriftliche parlamentarische Anfrage nahm die Bundesregierung Stellung zu dem von der finnischen Präsidentschaft im Europarat eingebrachten Vorschlag, zur Komplettierung der existierenden Mechanismen des gesamteuropäischen Menschenrechtsschutzes, die Institution eines "Hochkommissars für Menschenrechte" des Europarates zu schaffen:

"Die Bundesregierung setzt sich für eine ständige Weiterentwicklung des Menschenrechtsschutzes im Europarat ein. In diesem Zusammenhang hat sie den finnischen Vorschlag über Einrichtung eines Kommissars für Menschenrechte des Europarates grundsätzlich positiv aufgenommen. Die Bundesregierung begrüßt insbesondere die Absicht, eine bessere Informationsverbreitung über das System des Menschenrechtsschutzes im Europarat in den neuen Mitgliedstaaten zu erreichen.

Der Vorschlag wird derzeit in den zuständigen Gremien des Europarates diskutiert. Bei der weiteren Debatte spielt die Frage der Abgrenzung der Funktion dieses Kommissars mit den Aufgaben des ... zukünftigen ständigen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg eine wichtige Rolle."145



    139 Ibid., 10.
    140 Bull. Nr. 15 vom 18.2.1997, 153.
    141 BT-Drs. 13/6860 vom 31.1.1997, 8.
    142 BT-Drs. 13/8129 vom 1.7.1997, 1 f.
    143 Ibid., 3.
    144 Ibid., 4.
    145 BT-Drs. 13/7690 vom 16.5.1997, 2.