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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XII. Zusammenarbeit der Staaten

5. Entwicklungs- und Finanzhilfe

     138. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage zur multilateralen Schuldeninitiative der Bretton Woods Institutionen, wie sie von IWF und Weltbank auf der Herbsttagung 1996 bestätigt worden sei, hebt die Bundesregierung die zentrale Rolle der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Schuldenerlasses hervor. Deutschland trage als zweitgrößter Gläubiger des Pariser Klubs gegenüber den ärmsten Ländern einen großen Teil der Kosten dieser Schuldenerleichterungen. Insgesamt seien im Rahmen von bilateralen Umschuldungsabkommen mit Entwicklungsländern (einschließlich Ägypten) bisher Vereinbarungen über Erlasse von Tilgungs- und Zinsforderungen aus Handelsschulden über einen Gesamtbetrag von 2,6 Mrd. DM getroffen worden. Darüber hinaus habe Deutschland einseitig gegenüber den am wenigsten entwickelten Ländern auf Forderungen aus der finanziellen Zusammenarbeit in Höhe von mehr als 9 Mrd. DM verzichtet bzw. den Verzicht in Aussicht gestellt. Dies sei auch weiterhin die Politik der Bundesregierung, jedoch nur soweit die Erleichterungen mit Maßnahmen in den betroffenen Ländern einhergehen, die dauerhafte Verbesserungen versprechen:

"Die Bundesregierung wird auch in Zukunft die ärmsten und hochverschuldeten Länder bei der Bewältigung ihrer wirtschaftlichen Probleme unterstützen und ist bereit, die bestehenden Konditionen für Schuldenerleichterungen zügig umzusetzen. Schuldenerleichterungen werden jedoch nur dann zu einer spürbaren und dauerhaften Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den Entwicklungsländern führen, wenn zugleich die notwendigen Wirtschaftsreformen konsequent durchgeführt und die Regierungen dieser Länder ihrer Verantwortung für gute Wirtschafts- und Finanzpolitik gerecht werden ('good governance')."230

     Die Bundesregierung weist darauf hin, daß die Mittel des "Treuhandfonds" im wesentlichen dazu dienten, die Schuldendienstverpflichtungen zugangsberechtiger Länder gegenüber der Weltbank und anderen multilateralen Gläubigern zu übernehmen. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die dazu benötigten Mittel in erster Linie durch die multilateralen Gläubiger selbst, z.B. aus erwirtschafteten Überschüssen, aufgebracht werden müßten.231 Der bilaterale deutsche Beitrag werde über die Anhebung der Erlaßquote für Handelsforderungen im Pariser Klub auf bis zu 80 % geleistet.232

     139. Auf eine parlamentarische Kleine Anfrage hin nahm die Bundesregierung Stellung zur deutsch-palästinensischen Entwicklungszusammenarbeit. Von den Behinderungen und Beschränkungen der Reise- und Personenbewegungsmöglichkeiten und des freien Warenflusses als Reaktion auf Terrorakte radikaler Palästinenser seien auch die Entwicklungszusammenarbeit aller Geberländer mit den palästinensischen Gebieten negativ betroffen. Allerdings sei der gebremste Fluß von finanziellen Mitteln in die palästinensischen Gebiete vor allem durch die Veränderung der Ausrichtung auf projektgebundene Mittel zurückzuführen:

"Der von 1995 auf 1996 verlangsamte Abfluß der international bereitgestellten Finanzmittel ist nur z.T. auf die Abriegelung der palästinensischen Gebiete zurückzuführen. Der Hauptgrund liegt in der Änderung der Zweckbestimmung und Qualität der bereitgestellten Mittel. Während 1994/1995 internationale Finanzmittel in beträchtlicher Höhe als Budgetzuschüsse gewährt wurden, handelte es sich 1996 vorwiegend um projektgebundene Kreditzusagen, darunter allein um 250 Mio. ECU EIB-Mittel, von denen bisher kein ECU abfließen konnte. Dieser Grund erklärt auch, warum von der von Deutschland bilateral gewährten FZ nur ein vergleichsweise kleiner Betrag per Ende 1996 abgeflossen war, denn die bilaterale FZ wurde von vornherein in Form von Projekthilfe geleistet."233

     Wie aus der Antwort der Bundesregierung weiter hervorgeht, sollen aus einem 1996 geschaffenen Fonds für palästinensische Nichtregierungsorganisationen neben Menschenrechts- und Umwelt- besonders Frauenprojekte gefördert werden.234 Die Bundesregierung betont, sie habe sich wiederholt für den freien Personen- und Güterverkehr über Transitwege zwischen der Westbank und dem Gaza-Streifen eingesetzt. Wichtig sei die Umsetzung der in den Interimsabkommen dazu getroffenen Vereinbarungen. Weiterhin wird darauf hingewiesen, daß der Versorgung mit Trinkwasser und der Verbesserung der Trinkwasserqualität in den palästinensischen eine besondere Priorität in der Entwicklungszusammenarbeit eingeräumt werde, eine Lösung der Problems jedoch weitere Vereinbarungen zwischen Israel und Palästinensern voraussetze:

"Eine durchgreifende und nachhaltige Verbesserung dieser miserablen Situation setzt aber voraus, daß die palästinensischen Behörden die unkontrollierte und übermäßige Grundwasserentnahme im Gaza-Streifen gesetzlich und faktisch untersagten und eine Absprache zwischen israelischer Regierung und Palästinensern zur Abgabe von Trinkwasser aus der israelischen 'nationalen Wasserleitung', die bereits bis zum Gaza-Streifen reicht, getroffen wird."235

     140. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage äußerte sich die Bundesregierung zu den Perspektiven der Entwicklungszusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit Kuba:

"Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die kubanische Regierung substantielle Schritte zur Schaffung entwicklungsfördernder Rahmenbedingungen einschließlich der Gewährung größerer politischer Freiheiten, der Beachtung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Prinzipien sowie einschneidende Wirtschaftsreformen einleiten muß, damit eine Aufnahme entwicklungspolitischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kuba zu rechtfertigen ist. Für die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen trägt in erster Linie die kubanische Regierung, in deren Hand die dazu erforderliche Schaffung geeigneter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen liegt, die Verantwortung."236

     Der am 30. April 1996 unterzeichnete Investitionsförderungs- und -schutzvertrag mit Kuba hat nach Auskunft der Bundesregierung zum Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten zu vertiefen und den Wohlstand beider Völker zu mehren. Mit diesen Zielen seien umweltgefährdende oder -zerstörende Projekte nicht zu vereinbaren.

     Zur Situation der sozialen Menschenrechte in Kuba äußerte sich die Bundesregierung wie folgt:

"Das Recht auf Bildung und das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit gehören gehören zu den grundlegenden sozialen Menschenrechten. Sie sind u.a. im internationalen VN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) geregelt, und die Vertragsstaaten dieses Paktes haben sich entsprechend zu ihrer Einhaltung verpflichtet. Kuba selbst gehört nicht zu den Vertragsstaaten des Sozialpaktes. Zur aktuellen Lage stellt der unabhängige Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Kuba in seinem letzten Bericht vom 7. Februar 1997 (E/CN.4/1996/60) fest, daß die von der kubanischen Führung gewährten wirtschaftlichen Mittel zur Realisierung eines hohen Niveaus in den Bereichen Bildung, Beschäftigung und soziale Sicherheit nicht effektiv erscheinen. Auch zur Lage im kubanischen Gesundheitssektor berichtet er von erheblichen Defiziten."237

     Unabhängig von der Bewertung des politischen Systems in Kuba gewähre die Bundesregierung und die EU umfangreiche humanitäre Hilfe, die vor allem auch der Unterstützung des Gesundheitssystems in Kuba diene. Die Bundesregierung ist im übrigen der Meinung, daß für die Aufrechterhaltung der Standards im Erziehungs- und Gesundheitswesen umfassende Reformen durch den kubanischen Staat erforderlich seien.238

     Die Bundesregierung bestätigt Berichte über Behinderungen der sogenannten Nachkontaktpflege mit Kubanern von kubanischer Seite, die sich im Rahmen von Kooperationsbeziehungen in Deutschland aufgehalten haben. Gesellschaftliche Zusammentreffen seien nur unter Einbeziehung staatlicher Stellen möglich. Gründungen von Vereinen ehemaliger Stipendiaten werden vom kubanischen Staat nicht gewünscht. Die Bundesregierung führt diese Haltung der kubanischen Seite auf das dort herrschende politische System zurück.239

     141. Im Berichtszeitraum legte die Bundesregierung ihre Politik zur Zusammenarbeit mit den Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Staaten) im Rahmen des sogenannten Lomé-Abkommens der EG dar. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Große Anfrage betonte die Bundesrepublik die historischen Wurzeln zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den heutigen AKP-Staaten, die den Sonderweg der EU in der Entwicklungspolitik und in handelspolitischen Regelungen mit den AKP-Staaten im Vergleich zu den anderen Entwicklungsländern erklärten. Die Bundesregierung betrachte das Lomé-Abkommen als Modell für die Beziehungen zwischen entwickelten Staaten und Entwicklungsländern im Hinblick auf eine gerechtere und ausgewogenere Weltwirtschaftsordnung. Bei der Änderung des Lomé-IV-Abkommens im Rahmen der Halbzeitrevision habe auf Initiative der Bundesregierung erreicht werden können, daß die Wahrung der Menschenrechte und die Beachtung von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien als wesentliche Bestandteile des Abkommens zur verpflichtenden Grundlage für die Zusammenarbeit erhoben wurden. Für die zukünftige Gestaltung der EU-AKP-Zusammenarbeit strebe die Bundesregierung eine verstärkte Einführung von entwicklungspolitischen Kriterien für die Mittelvergabe an, u.a. den Selbsthilfewillen, die Eigenanstrengungen und die Reformbereitschaft.240

     Ein Vertreter der Europäischen Union wies in einer Stellungnahme vor dem 2. Ausschuß der VN-Generalversammlung allerdings darauf hin, daß das System günstiger Marktzugangsbedingungen ab 1.1.1998 auch auf solche "least developed countries" ausgedehnt werde, die nicht zu den AKP Staaten gehören.241

     142. Auf ihre Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage zu Fragen des internationalen Tourismus geht die Bundesregierung auf die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit ein:

"Projekte, die Tourismuskomponenten enthalten, werden wie alle Projekte der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit der Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen. Das vom BMZ in diesem Zusammenhang herausgegebene Umwelthandbuch, das Arbeitsmaterialien zur Erfassung und Bewertung von Umweltwirkungen enthält, befaßt sich in einem Kapitel speziell mit den für den Tourismussektor typischen Aktivitätenfeldern und deren möglichen Wirkungen auf die natürliche und soziale Umwelt. Eine weitere Arbeitshilfe für die Planung und Prüfung tourismusrelevanter Projekte oder Komponenten von Naturschutzvorhaben bietet das im Auftrag des BMZ erstellte Forschungsgutachten 'Ökotourismus' als Instrument des Naturschutzes.

Im übrigen unterstützt die Bundesregierung die Entwicklung von Kriterien für einen umweltverträglichen Tourismus in Zusammenarbeit mit den Dachverbänden der verschiedenen touristischen Leistungsträger (...) und fördert den Informationsaustausch über Umweltkriterien- und Auszeichnungen im Tourismus (...).

(...) Die Bundesregierung hat praktische Konsequenzen aus den in der Agenda 21 formulierten Zielen in Bezug auf die Tourismusförderung gezogen (...). Auch auf europäischer und internationaler Ebene setzt sie sich dafür ein, daß die Ziele der Agenda 21 auch im Tourismussektor verstärkt Berücksichtigung finden. So werden z. B. im Ergebnis der auf Initiative des Bundesumweltministeriums vom 6. bis 8. März 1997 in Berlin veranstalteten internationalen Konferenz globale Absprachen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Rahmen des 'Übereinkommens über die biologische Vielfalt' angestrebt."242



    230 BT-Drs. 13/7524 vom 23.4.1997, 2.
    231 Ibid., 3.
    232 Ibid., 4.
    233 BT-Drs. 13/7692 vom 16.5.1997, 2.
    234 Ibid., 7.
    235 Ibid., 8.
    236 BT-Drs. 13/8452 vom 3.9.1997, 2.
    237 Ibid., 4 f.
    238 Ibid., 5.
    239 Ibid., 7.
    240 BT-Drs. 13/8628 vom 30.9.1997, 1 f.
    241 UN Doc. A/C.2/52/SR.34, 5.
    242 BT-Drs. 13/7321 vom 24.3.97, 12.