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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XIII. Umwelt- und Naturschutz

8. Biotechnologie

     180. Anläßlich einer parlamentarischen Kleinen Anfrage äußerte sich die Bundesregierung zu ungenehmigten Importen von gentechnisch veränderten Pflanzen. Zu dem Verdacht, daß gentechnisch veränderter Mais der Firma Ciba-Geigy ohne Genehmigung in die EU eingeführt worden sei, führte die Bundesregierung folgendes aus:

"Während des Treffens der zuständigen Behörden für die Richtlinie 90/220/EWG am 21. November 1996 hat die Europäische Kommission mitgeteilt, daß der aus den USA importierte Mais aus der Ernte des Jahres 1996 stammt und damit gerechnet werden muß, daß er einen Anteil noch nicht zum Inverkehrbringen in der EU genehmigten gegen den Maiszünsler resistenten Mais (sog. Bt-Mais) enthalten könnte. Die Bundesregierung hat daraufhin unverzüglich die für die Überwachung zuständigen Länder informiert. Die Länder haben am 6. Dezember 1996 im Robert-Koch-Institut gemeinsam die Möglichkeit und Notwendigkeit von Maßnahmen beraten. Nachweisverfahren für den Bt-Mais wurden entwickelt. Mit der Veröffentlichung der Genehmigung durch die zuständige Behörde Frankreichs am 5. Februar 1997 wurde die Genehmigung rechtskräftig."292

     Die Bundesregierung führt weiter aus, daß zur Zeit geprüft werde, wie kurzfristig auch durch internationale Vereinbarung, Probleme im Zusammenhang mit der Überwachung der Vorschriften zum Inverkehrbringen von Produkten mit gentechnisch veränderten Organismen gelöst werden könnten. Solche Lösungen müßten vor allem auf EU-Ebene gefunden werden. Im Rahmen der Vorbereitung der EU auf die nächste Sitzung der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung des Protokolls zur biologischen Sicherheit werde gegenwärtig auf EU-Ebene auch geprüft, ob und gegebenenfalls wie dieses Instrument für die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten beim grenzüberschreitenden Verkehr mit gentechnisch veränderten Produkten nutzbar gemacht werden könnte.293

     Zum Verhältnis zwischen dem diesbezüglichen Umwelt- und Verbraucherschutz und den WTO-Vereinbarungen führt die Bundesregierung folgendes aus:

"Unter Bezug auf Art. XX GATT dürfen 'Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen' angewendet werden, wenn sie nicht zu einer willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern, in denen gleiche Verhältnisse bestehen oder zu einer verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. Entsprechend dieser Regelung sind Maßnahmen zur Beschränkung oder gar zum Verbot der Einfuhr nur zulässig, soweit sie notwendig sind und hierfür ein begründeter Nachweis für mögliche Risiken für Leben oder Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen gegeben ist.

Maßnahmen zur verpflichtenden Kennzeichnung müssen entsprechend dem WTO-Übereinkommen über die 'Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen' (sog. SPS-Abkommen) ausdrücklich auf 'wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen'.

Werden im Falle einer Beschränkung bzw. des Verbots der Einfuhr oder einer verpflichtenden Kennzeichnung die oben genannten Voraussetzungen nicht hinreichend berücksichtigt, so können durch betroffene Drittparteien im Wege der WTO-Streitschlichtung diese Maßnahmen als eine ungerechtfertigte Beschränkung des Handels angegriffen werden."294

     181. Anläßlich einer parlamentarischen Kleinen Anfrage ging die Bundesregierung auf die Zulässigkeit vereinfachter Verfahren bei der absichtlichen Freisetzung gentechnisch manipulierter Organismen nach der EG-Freisetzungsrichtlinie 90/22/EWG ein. Die Bundesregierung weist vorab darauf hin, daß vereinfachte Verfahren in der genannten Richtlinie von Anfang an vorgesehen seien, nicht um sie auszuhöhlen, sondern um nötige Differenzierung und Flexibilität zu ermöglichen. Auch das nationale Gentechnikrecht sehe vereinfachte Verfahren vor. Daß Möglichkeiten des vereinfachten Verfahrens vorgesehen und genutzt würden, verstoße weder gegen demokratische noch rechtsstaatliche Prinzipien, sondern entspreche im Gegenteil dem verfassungsmäßig gebotenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Bundesregierung werde sich deshalb auf EG-Ebene für den weiteren Ausbau des vereinfachten Verfahrens einsetzen.295

     Die Bundesregierung stellt weiterhin klar, daß weder das Bundesministerium für Gesundheit noch das Robert-Koch-Institut sich für eine allgemeine unterschiedslose Geltung von vereinfachten Verfahren von Freisetzungsgenehmigungen gentechnisch veränderter Pflanzen ausgesprochen habe. Für die Sicherheitsbewertung seien die Eigenschaften der Empfängerpflanzen und die Art der gentechnischen Veränderung maßgeblich. Diese müßten ausreichend beurteilbar sein. Die Bundesregierung strebe weiterhin an, eine Liste zu erarbeiten, welche diejenigen gentechnisch veränderten Pflanzen und ihre Genkonstrukte bestimme, für die Anträge nach vereinfachten Verfahren eingereicht werden könnten.296

     Auf Fragen nach den Informationsmöglichkeiten für die Öffentlichkeit weist die Bundesregierung darauf hin, daß jeder Antrag auf Genehmigung von Freisetzung vor der Entscheidung der Öffentlichkeit bekannt gemacht werde und u. a. im Robert-Koch-Institut ausgelegt werde. Die auszulegenden Unterlagen enthielten Angaben über Ort, Umfang und Dauer der Freisetzungen. Erfolge der Antrag gem. der Entscheidung der Kommission 94/730/EG zu vereinfachten Verfahren, so müsse er auch Angaben über das gesamte Arbeitsprogramm enthalten, bei dessen Durchführung die Nachmeldung weiterer Standorte vorgesehen ist. Ebenso sei bereits zu Beginn der Zeitraum des gesamten Arbeitsprogramms festzulegen. Darüber hinaus mache das Robert-Koch-Institut Informationen über die Orte von Freisetzungen der Öffentlichkeit in geeigneter Form (z. B. durch Pressemitteilungen, Internet-Informationen o. ä.) zugänglich.297



    292 BT-Drs. 13/7138 vom 5.3.97, 2.
    293 Ibid., 4.
    294 Ibid., 5.
    295 BT-Drs. 13/6812 vom 27.1.97, 2.
    296 Ibid., 5 f.
    297 Ibid., 11 f.