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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


IX. Menschenrechte und Minderheiten

3. Praxis auf europäischer Ebene

     63. Am 5. Januar 1999 gab die Europäische Union eine Erklärung zur Abschaffung der Todesstrafe in Litauen ab. Darin begrüßte die Europäische Union die am 21. Dezember 1998 durch den Seimas der Republik Litauen beschlossene Annahme von Änderungen des litauischen Strafgesetzbuchs, durch die die Todesstrafe abgeschafft wurde, und stellte fest, daß eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten für diese Änderung gestimmt hatte.

     Nach Ansicht der Europäischen Union werde durch diesen Schritt das Eintreten Litauens für die Förderung der Menschenrechte verstärkt. In diesem Zusammenhang rief die Europäische Union Litauen auf, sobald wie möglich das Protokoll Nr. 6 zu der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte über die Abschaffung der Todesstrafe zu unterzeichnen und ihm beizutreten. Die Europäische Union bekräftigte in ihrer Erklärung erneut ihre Unterstützung für die Haltung des Europarats, der zur allgemeinen Abschaffung der Todesstrafe aufrufe und darauf dränge, in der Zwischenzeit bestehende Moratorien für deren Vollzug in Europa aufrecht zu erhalten.185

     64. Am 22. Februar 1999 erklärte die Europäische Union im Hinblick auf den Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarates über den gesundheitlichen Zustand von Öcalan, daß dieser nach der Zusicherung der türkischen Regierung einen fairen Prozeß und auch eine faire und korrekte Behandlung erhalte. Dazu gehöre auch der Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl. In derselben Erklärung unterstrich die Europäische Union nochmals die strikte Ablehnung der Todesstrafe:

     "Die Europäische Union nimmt die Zusicherung der türkischen Regierung zur Kenntnis, Abdullah Öcalan werde einen fairen Prozeß erhalten. Sie erwartet, daß dies eine faire und korrekte Behandlung sowie einen öffentlichen und rechtsstaatlichen Prozeß vor einem unabhängigen Gericht, Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl und die Zulassung internationaler Beobachter zum Prozeß bedeutet. Sie unterstreicht nochmals ihre strikte Ablehnung der Todesstrafe.
     Die Europäische Union steht uneingeschränkt zur territorialen Unversehrtheit der Türkei. Gleichzeitig erwartet sie von der Türkei, daß diese ihre Probleme mit politischen Mitteln unter voller Beachtung der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit in einer demokratischen Gesellschaft und in voller Übereinstimmung mit den Verpflichtungen der Türkei als Mitglied des Europarats löst. In diesem Zusammenhang begrüßt sie alle echten Bemühungen, den Kampf gegen den Terrorismus von der Suche nach politischen Lösungen zu trennen und die Aussöhnung zu fördern. Die EU ist bereit, zur Unterstützung dieser Bemühungen unter anderem mit weiterer finanzieller Hilfe beizutragen."186

     Nach der Verurteilung Öcalans am 29. Juni 1999 zum Tode bekräftigte Deutschland in einer Pressemitteilung im Namen der Europäischen Union deren Position:

     "Die Präsidentschaft bekräftigt ihre bekannte Position, daß sie die Todesstrafe grundsätzlich und unabhängig von der Person des Angeklagten oder der Straftat, deren er überführt wurde, ablehnt. Die Präsidentschaft betont erneut, daß sie alle Formen des Terrorismus verurteilt. (...) Die Präsidentschaft würdigt die Tatsache, daß eine vor kurzem erfolgte Änderung des türkischen Rechts den Abschluß des Verfahrens gegen Abdullah Öcalan sowie seine Verurteilung durch ein ausschließlich mit Zivilisten besetztes Gericht ermöglicht hat. (...) Die Präsidentschaft verleiht ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die Türkei der seit 15 Jahren stets geübten Praxis folgt und das Todesurteil von Abdullah Öcalan nicht vollstreckt. Im Lichte der erklärten Absicht der Türkei, Mitglied der Europäischen Union werden zu wollen, sollte beachtet werden, daß die Nichtanwendung der Todesstrafe zu den gemeinsamen Werten und damit zum Acquis der Europäischen Union gehört."187

     65. Im Dritten Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm der finnische Vertreter Schalin am 21. Oktober 1999 zu der Behandlung des Problems der Rassendiskriminierung durch die Europäische Union Stellung:

     "Acutely aware of recurrent incidents of racism in Europe, the EU takes the challenge of racism in our continent very seriously. We are committed to fighting all forms of racism and racial discrimination, both through the national policies of the 15 Member States and through concerted action at the European level. The EU has adopted a broad range of concrete measures to fight discrimination and combat racism against vulnerable groups, in particular migrants, refugees and persons belonging to minorities. (...)
     In protecting and promoting human rights, combating racism and intolerance has always been an integrate part of the work of the Council of Europe. A solid legal framework has been established by the Council of Europe Conventions and their mechanisms, most notably the European Convention on Human Rights. An important new development is the establishment of a new post of Council of Europe Commissioner for Human Rights. Other important steps have been the entry into force, last year, of the Framework Convention for the Protection of National Minorities and of the European Charter for Regional or Minority Languages." 188

     66. Am 12. März 1999 führte die deutsche Vertreterin Thielenhaus im Namen der Europäischen Union in der Arbeitsgruppe zu dem Entwurf eines Protokolls zu der CEDAW189 zu dem Problem der Frauenrechte aus:

     "'Women and Health' is a very important chapter of the Beijing Platform for Action and has been one of the most controversially discussed issues of Beijing. (...)
     The European Union gives special attention to integrating help protection in all its policies in order to promote a better quality of life. In the field of 'Women and Health', the EU-Member States identified the following basic principles and goals that are already or will become inherent part of their health policies:
    Women have the right to enjoy the highest standard of physical and mental health throughout their life cycle.
     Women's health is an issue of rights and justice and not only a medical issue or a social good.
     Women's status at large in society, including their multiple roles within family and society, their experiences of discrimination, their lack of opportunities and their lack of equal rights does have an impact on women's health. This merits our special attention.
     Health care and health systems must ensure the full enjoyment of health related human rights by all women, regardless of age and marital status. They must cover all issues, including those beyond maternity and child care.
     The human rights of women include their right to have control over and decide freely and responsibly on matters related to their sexuality including sexual and reproductive health, free from coercion, discrimination and violence.
     Governments need to ensure that legislation protects women from all forms of violation of these rights, including rape and violence and any form of violence on the basis of sexual orientation.
    An important foundation for health development is ensuring reproductive rights of young people to enable them to deal in a positive and responsible way with their sexuality."

     Die deutsche Vertreterin rief im Namen der Europäischen Union alle Regierungen auf, ihre Pflichten im Hinblick auf die Gesundheit von Frauen zu erfüllen, insbesondere ihre Verpflichtungen von der Pekinger "Platform for Action" und anderen großen Konferenzen der Vereinten Nationen. Sie betonte, daß für das Jahr 2000 die Plattform präzise Ziele im Hinblick auf die Reduktion der Geburtensterblichkeit bei Müttern und Kindern und der Reduktion von schwerer und mäßiger Unterernährung vorsehe, und daß alle Regierungen die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollten, um diese Ziele zu erreichen. Sie fuhr fort mit der Feststellung:

     "The EU appreciates that the CEDAW-Committee and the Committee on Economic, Social and Cultural Rights are currently drafting General Recommendations on Health in close co-ordination and is looking forward to the results.
     To cover a women's whole life cycle, a holistic approach is needed to overcome overall discrimination and to empower women. The main proposals of the EU in this respect are:
     Undertake campaigns to combat violence against women, increase governmental efforts to ensure that health care services, research centres and NGOs address these issues in a gender sensitive manner and support treatment centres for victims.
     Urge governments to take measures addressing the specific needs of women with disabilities of all ages with a view to empowering them to lead independent lives in full self-determination.
     Promote radical steps to control HIV/Aids and other sexual transmitted diseases.
     Integrate mental health care into government's health services because mental health problems are a growing concern to women.
     Guarantee access to a range of safe, effective and affordable methods of family planning as well as measures to promote equality in all relationships including marriage and parenthood.
     Eradicate harmful traditional and customary practices, including female genital mutilation.
     Ensure that treatment in rehabilitation centres for drug addicts are available for women and men on a non-discriminatory basis."190

     Die Vertreterin nahm auch im Namen der Europäischen Union Stellung zum Fakultativprotokoll zur CEDAW. Sie bemerkte dazu:

     "The adoption of the Optional Protocol to the CEDAW was an important and historic event in this session of the General Assembly. After having entered into force, the Protocol will provide the right of petition and an inquiry procedure under the convention to protect the human rights of women."191



    185 Bull. vom 1.2.1999, 32.

    186 BT-Drs. 14/720; vgl. auch den Nachweis in BT-Drs. 14/1115.

    187 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 24): http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/presse/index_html.

    188 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechAgendaItems114/115.cfm.

    189 Vgl. dazu oben Ziff. 52, 53.

    190 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 2): http://www.germany-info.org/UN/eu_state_03_12_99.htm

    191 Permanent Mission of Finland to the United Nations (Anm. 3): http://www.un.int/finland/euspeechPeking.cfm.