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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

1. GATT und WTO

     157. Am 15. und 16. März 1999 fand in Genf ein von der WTO veranstaltetes Symposium zum Thema "Handel und Umwelt" statt, durch welches der Stillstand in der WTO auf diesem Gebiet überwunden werden sollte. An der Veranstaltung nahmen mehr als 130 Mitglied- und Beobachterstaaten, 26 internationale und zwischenstaatliche Organisationen sowie 130 Nichtregierungsorganisationen der verschiedensten Orientierungen teil. Die Bundesregierung war durch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Probst vertreten. Im Vordergrund stand für die Bundesregierung wie auch für die EU insgesamt der Aspekt der Vertrauensbildung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Konkrete Beschlüsse wurden wegen des informellen Charakters des Symposiums nicht gefällt.

     In ihrer Stellungnahme auf dem Symposium führte Staatssekretärin Probst aus, daß Umwelt und Entwicklung untrennbar zusammengehörten. Eine zentrale Herausforderung der Zeit sei es, wirtschaftliche Globalisierung, Umwelt und Entwicklung zusammenzubringen. Dies sei nur durch Kooperation zwischen verschiedenen Staaten, zwischen Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik und zwischen Regierungen und Zivilgesellschaft möglich. Vor diesem Hintergrund begrüßte Probst die Initiative von UNEP, die Kooperation mit der WTO zu verstärken.

     Seitens der Europäischen Union legte Handelskommissar Brittan die gemeinsamen Vorstellungen der EU zur Integration von Umweltaspekten in die WTO-Arbeit dar. Er plädierte dafür, das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung auf alle WTO-Aktivitäten zu erstrecken. Brittan präsentierte außerdem einige aus EU-Sicht dringende Themen für die neue WTO-Runde: das Verhältnis zwischen WTO-Regeln und multilateralen Umweltabkommen, Verfahrens- und Produktionsmethoden, Umweltkennzeichnung von Produkten und das Vorsorgeprinzip. Ferner betonte er die Notwendigkeit von Transparenz und der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.390

     158. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU äußerte sich die Bundesregierung am 22. März 1999 zu den aktuellen handelspolitischen Streitfällen zwischen der EU und den USA. Zum WTO-Verfahren der USA gegen die EU betreffend die Bananenmarktordnung der EG erklärte die Bundesregierung:

     "Im Streit über die WTO-Konformität der Bananenmarktordnung der EU setzt sich die Bundesregierung für eine einvernehmliche Lösung ein, welche die berechtigten Interessen der Verbraucher und des Handels berücksichtigt. Die Bundesregierung bedauert die Entscheidung der USA, ohne Genehmigung durch die WTO rückwirkend ab dem 3. März 1999 Strafzölle in Höhe von 100 % des Warenwertes auf bestimmte EU-Exporte zu verhängen, falls die 1998 von der EU revidierte Bananenmarktordnung in dem laufenden WTO-Panelverfahren als WTO-widrig beurteilt wird. Die EU geht gegen diese einseitige Maßnahme der USA in der WTO vor. Darüber hinaus kommt es nunmehr darauf an, in konstruktiven Gesprächen mit den USA eine baldige Lösung in der Sache zu finden, um Schaden für die EU-Exportwirtschaft abzuwenden und eine nachhaltige Beeinträchtigung der grundsätzlich guten transatlantischen Handelsbeziehungen zu vermeiden."391

     In bezug auf das Verfahren betreffend EU-Einfuhrverbote für hormonbehandeltes Rindfleisch aus den USA teilte die Bundesregierung mit, daß die EU noch bis zum 13. Mai 1999 Zeit zur Umsetzung der WTO-Streitschlichtungsentscheidung aus dem Jahr 1998 habe, wonach es einer den Anforderungen des SPS-Abkommens entsprechenden Risikobewertung bedürfe, um das Importverbot zu rechtfertigen. Die Bundesregierung unterstütze die EU-Kommission darin, in der Behandlung der Frage mit den USA im Gespräch zu bleiben, damit es nicht zu einer ähnlichen Konfrontation wie im Fall der Bananenmarktordnung komme.392

     Schließlich nahm die Bundesregierung Stellung zu verschiedenen WTO-Verfahren der EU gegen die USA:

     "Mindestens ebenso oft sind die USA in der WTO auf der Beklagtenseite. Die EU führt förmliche Konsultationen mit den USA durch, weil Importe in die USA mit einer aus EU-Sicht unzulässigen Hafenabgabe belastet werden. Ferner läuft derzeit ein Panel wegen WTO-widriger Exportsubventionen der USA, die bestimmten exportierenden Unternehmen gewährt werden (foreign sales corporations). In einem weiteren Verfahren strebt die EU die Aufhebung des amerikanischen Antidumpinggesetzes aus dem Jahre 1916 wegen Widerspruchs gegen geltende WTO-Antidumpingregeln an, um möglichen Beeinträchtigungen von Ausfuhren der Gemeinschaft in die USA zu begegnen."393

     159. Bundeskanzler Schröder und der französische Staatspräsident Chirac gaben am 18. Mai 1999 folgende gemeinsame Erklärung zu den Verhandlungen über den WTO-Beitritt Chinas ab:

     "Die Volksrepublik China gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Europäischen Union und ist bereits in erheblichem Maße in den Welthandel integriert. Der Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Mitgliedstaaten der WTO macht den weit überwiegenden Teil des chinesischen Außenhandels aus und wird - unter der Bedingung einer zunehmenden Öffnung der Märkte - rasch an Bedeutung gewinnen.
     Eine rasche WTO-Mitgliedschaft Chinas mit allen Rechten und Pflichten im multilateralen Welthandelssystem liegt daher sowohl im Interesse unserer beiden Staaten, der Europäischen Union und der anderen Mitgliedstaaten der WTO als auch im Interesse Chinas selbst.
     Deshalb unterstützen Deutschland und Frankreich den Beitritt der Volksrepublik China zur WTO mit Nachdruck. Sie erkennen die bisherigen Bemühungen Chinas ausdrücklich an, die notwendigen Voraussetzungen für den Beitritt zu schaffen. Sie ermutigen China, dazu beizutragen, die laufenden Verhandlungen zügig zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen, damit es an der nächsten multilateralen Verhandlungsrunde zu Handelsfragen teilnehmen kann.
     Deutschland und Frankreich sind für Ihren Teil bereit, in diesem Sinne in der Europäischen Union darauf hinzuwirken, daß diese sich weiterhin aktiv für konstruktive Lösungen auf der Grundlage eines fairen Interessenausgleichs zum allwärtigen Nutzen einsetzt. Frankreich und Deutschland vertrauen dabei auf die Anstrengungen Chinas, das chinesische Außenhandelssystem an die Regeln der WTO und an die Grundsätze einer marktwirtschaftlichen Handelsordnung anzupassen."394

     160. Im Kommuniqué der G 8-Staaten, deren Staats- und Regierungschefs vom 18. bis 20. Juni 1999 zum 25. Wirtschaftsgipfel in Köln zusammenkamen, heißt es zur Welthandelsorganisation:

     "8. Das in der Welthandelsorganisation (WTO) verankerte multilaterale Handelssystem ist für die Förderung von internationalem Handel und internationalen Investitionen und die Steigerung von Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und sozialem Fortschritt von entscheidender Bedeutung. Wir bekräftigen daher unsere entschlossene Unterstützung der WTO und unser Bekenntnis zu einem offenen Umfeld für Handel und Investitionen. Wir rufen alle Staaten auf, protektionistischem Druck zu widerstehen und ihre Märkte weiter zu öffnen. Wir ermutigen die Staaten, die noch nicht Mitglieder der WTO sind, ihr beizutreten, indem sie ihre Grundsätze annehmen.
     9. Angesichts der entscheidenden Rolle der WTO sind wir uns darin einig, wie wichtig es ist, ihre Transparenz zu verbessern, um sie der Zivilgesellschaft näherzubringen, dabei aber ihren zwischenstaatlichen Charakter zu erhalten. (...) Wir streben (...) einen wirksameren Ansatz innerhalb der WTO zum Verhältnis zwischen Handel und Umwelt und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung sowie des sozialen wie wirtschaftlichen Wohlergehens weltweit an."395

     161. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage nahm die Bundesregierung am 23. Juli 1999 zur Einrichtung eines unabhängigen Instituts für WTO-Recht in Genf zur kostengünstigen Beratung von Entwicklungsländern in Rechtsfragen Stellung:

     "Die Bundesregierung begrüßt Initiativen, die der handelspolitischen und institutionellen Unterstützung der Entwicklungsländer, insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder, und ihrer besseren Integration in die Welthandelsgemeinschaft dienen. (...) Was die institutionelle Ausgestaltung einer solchen Unterstützung betrifft, so steht neben dem Vorschlag der Einrichtung eines von der WTO losgelösten unabhängigen Instituts der von der EU-Kommission mit deutscher Unterstützung in der WTO eingebrachte Alternativvorschlag zur Diskussion, innerhalb des WTO-Sekretariats eine unabhängige Einheit zu schaffen. Hierdurch würden die Fähigkeiten und die unübertroffene Expertise des WTO-Sekretariats im Umgang mit dem Regelsystem der WTO nutzbar gemacht und verstärkt. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt dies eine erwägenswerte Alternative zu dem Vorschlag der Errichtung eines Instituts außerhalb der WTO dar. Eine Entscheidung im Rahmen der WTO ist noch nicht gefallen."396

     Weiterhin erklärte die Bundesregierung, daß die Einrichtung einer Stelle, deren wesentliche Funktion die Rechtsberatung von Entwicklungsländern, insbesondere der am wenigsten entwickelten Länder, im Rahmen von WTO-Streitfällen sein solle, aus ihrer Sicht zur Beseitigung der derzeit zu Lasten dieser Länder bestehenden Ungleichgewichte beitragen könne. Fraglich sei indes, ob hierfür ein eigenständiges Institut neben der WTO zweckmäßig sei.397

     Auf die Frage, welche finanziellen Mittel zur Errichtung eines solchen Instituts notwendig seien, antwortete die Bundesregierung:

     "Nach Aussage der WTO-Mitglieder, die die Einrichtung eines selbständigen Beratungszentrums für WTO-Recht unterstützen, erfordert die Finanzierung dieses Zentrums eine Kombination mehrerer Finanzierungsquellen: einen Stiftungsfonds von 8 Millionen US Dollar, Spendenbeiträge in Höhe von 6 Millionen US Dollar, während der ersten fünf Jahre sowie Nutzungsgebühren. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene unabhängige Einheit innerhalb des WTO-Sekretariats soll demgegenüber durch einen separaten Treuhandfonds finanziert werden, in den die WTO-Mitglieder freiwillige Beiträge leisten könnten."398

     Die Niederlande, Norwegen, Dänemark, Schweden und Großbritannien hätten bereits Finanzierungszusagen für ein selbständiges Beratungszentrum für WTO-Recht gemacht. Die Bundesregierung werde im Lichte der Entwicklung der Diskussion in der WTO zu den vorliegenden Vorschlägen zur Verbesserung der effektiven Teilnahme der Entwicklungsländer am WTO-Streitschlichtungssystem zu gegebener Zeit eine eventuelle deutsche Beteiligung darin beraten.399

     162. Welthandelskonferenz in Seattle

     Im Kommuniqué der G 8-Staaten vom Juni 1999 heißt es zur bevorstehenden dritten Ministerkonferenz der WTO vom 30. November bis 3. Dezember 1999 in Seattle (USA):

     "Wir fordern (...) alle Nationen auf, bei der WTO-Ministerkonferenz in Seattle im Dezember 1999 mit einer neuen Runde breit angelegter und ehrgeiziger Verhandlungen zu beginnen, die auf substantielle und umsetzbare Ergebnisse abzielt. Alle Mitglieder sollten von dem Prozeß profitieren können. Wir ermutigen alle Mitglieder, Vorschläge für Fortschritte in Bereichen zu machen, in denen Entwicklungsländer und insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder solide und substantielle Gewinne erzielen können; alle Länder sollten einen Beitrag zu dieser neuen Runde leisten und Nutzen von ihr haben. Eine wirksame neue Runde von Handelsverhandlungen dürfte dabei helfen, den Entwicklungsländern den Weg zu einer weiteren Integration in die Weltwirtschaft zu ebnen. In diesem Zusammenhang bekräftigen wir das Versprechen eines verbesserten Marktzugangs, das wir den am wenigsten entwickelten Ländern letztes Jahr in Birmingham gegeben haben. Zudem treten wir nachdrücklich ein für verstärkte Zusammenarbeit und Kohärenz der von den internationalen Finanz-, Wirtschafts-, Arbeits- und Umweltorganisationen betriebenen Politiken."400

     Der Deutsche Bundestag debattierte am 28. Oktober über die anstehende Welthandelskonferenz. Angenommen wurde dabei ein Antrag der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der im Interesse einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklungspolitik für eine Verbesserung der Kohärenz von EU-Agrarpolitik und Entwicklungspolitik im Rahmen der WTO-II-Verhandlungen plädiert.401 In dem angenommenen Papier heißt es:

     "Die Interessen der Entwicklungsländer müssen im künftigen WTO-Prozeß stärker berücksichtigt werden. Bei den WTO-II-Verhandlungen ist es deshalb dringend notwendig, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene auf die verbesserte Kohärenz zwischen Entwicklungs- und Agrarpolitik hinzuwirken. (...) Der Deutsche Bundestag begrüßt den Vorschlag der EU, daß alle der WTO angehörenden Industrieländer Nullzollsätze für im Wesentlichen alle von den am wenigsten entwickelten Ländern exportierten Erzeugnisse 2003 bzw. 2005 anwenden sollen. (...) Durch eine Liberalisierung des Welthandels im Rahmen des WTO-II-Prozesses hätten viele Entwicklungsländer die Chance, daß ihre Absatzmöglichkeiten landwirtschaftlicher Produkte durch einen Abbau wettbewerbs-verzerrender Regelungen im Agrarsektor steigen. Außerdem könnten dadurch auch ökologisch schädliche Subventionen abgebaut werden. Gleichzeitig gilt es, auf die Risiken einer ungezügelten Liberalisierung für die Volkswirtschaften im Süden hinzuweisen. Entscheidend für die Akzeptanz einer nachhaltigen Entwicklungs- und Agrarpolitik der Bundesregierung und der EU wird sein, daß es im WTO-Prozeß zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Entwicklungsländer, den Verbraucherinteressen und den Interessen der europäischen Landwirtschaft kommt. Ziel muß es sein, daß die Benachteiligungen der Entwicklungsländer in vielen handelspolitischen Fragen beendet werden und ihnen ein besserer Zugang in die oft protektionistischen abgeriegelten Märkte ermöglicht wird und gleichzeitig den Erfordernissen der Ernährungssicherung und des Umweltschutzes, insbesondere im Gewässerschutz, und des Klimaschutzes und vorsorgenden Gesundheitsschutzes Rechnung getragen wird. Die massenhafte Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln und der Raubbau an den Wäldern muß verhindert werden."402.

     Mit dem angenommenen Antrag fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, die Bemühungen fortzusetzen, die WTO nach ökologischen, sozialen und gesundheitsschutzbezogenen Kriterien neu zu gestalten und dabei das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zu verfolgen. Das Verhältnis von WTO-Regeln gegenüber internationalen Umweltschutzabkommen müsse geregelt werden. Internationale Verbraucherschutzstandards müßten entwickelt und verankert werden. Weiterhin wird die Bundesregierung aufgefordert, die besonderen Probleme, welche Entwicklungsländer bei der Liberalisierung ihrer Volkswirtschaften hätten, zu berücksichtigen. Hieraus folge auch die Notwendigkeit einer entwicklungsländerfreundlichen Interpretation bzw. Weiterentwicklung der GATT/WTO-Regeln auf der Grundlage und im Rahmen des Instruments "Special and Differential Treatment der Entwicklungsländer". Das allgemeingültige Menschenrecht auf Nahrung müsse ebenso wie das Ziel "Schutz des Lebens und der Gesundheit" in den WTO-Vertrag aufgenommen werden.403

     Zu verbessern sei auch der Marktzugang in der EU und in Deutschland für Entwicklungsländerexporte, auch für landwirtschaftliche Roh- und weiterverarbeitete Produkte. Die nicht tarifären Handelshemmnisse gegenüber Entwicklungsländern müßten reduziert werden. Da die Verbesserungen des Marktzugangs jedoch im Zusammenhang mit der Einführung von sozialen und ökologischen Mindeststandards gesehen werden müsse, fordert der Bundestag die Einbeziehung des Themas "Handel- und Sozialstandards" in die neue WTO-Runde. Bei dem Thema "Handel und Umwelt" sei die Entwicklung von freiwilligen Produktlabels, wie z.B. Ökolabels, zu fördern.404

     Des weiteren solle die Bundesregierung die Entwicklungsländer bei der Entwicklung einer agrarpolitischen Strategie unter besonderer Berücksichtigung der Ernährungssituation, des Umweltschutzes und der Lage der Kleinbauern unterstützen. Um die Chancen der Liberalisierung zu nutzen, seien in erster Linie interne Strukturreformen in den Entwicklungsländern nötig. Negative Auswirkungen von Maßnahmen der Industrieländer durch Exportsubventionen und interne handelsverzerrende Stützung auf die Märkte der Entwicklungsländer seien zu verhindern.405

     Schießlich wird die Bundesregierung aufgefordert, die Diskussion innerhalb der WTO zum Thema "Handel und Umwelt" voranzutreiben, die Entwicklungsländer dahingehend zu unterstützen, daß sie langfristig selbst in der Lage sein werden, ihre legitimen Interessen in den Verhandlungsprozeß mit einzubringen und sich für einen Ausbau der Beteiligungsrechte der Nichtregierungsorganisationen in der WTO einzusetzen.406

     Ein weiterer Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie einzelner Abgeordneter,407 der sich unter den Gesichtspunkten Transparenz, offene Märkte, Fairness und nachhaltige Entwicklung mit der Weiterentwicklung des Welthandelssystems beschäftigt, wurde an den Fachausschuß überwiesen.408

     Am 27. Oktober 1999 erklärte die Bundesregierung im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, daß sich die Europäische Union bei der anstehenden neuen Runde der WTO in Seattle (USA) neben einem verbesserten Marktzugang der Entwicklungsländer auch für die Erarbeitung von Handels- und Arbeitsnormen stark machen werde. Die EU werde sich in Seattle u.a. für eine weitere Liberalisierung im Agrar- und Dienstleistungsbereich einsetzen, für den Abbau tarifärer und nicht tarifärer Handelshemmnisse im nicht agrarischen Bereich sowie für einen verbesserten Zugang von Entwicklungsländern zum Streitschlichtungsverfahren der WTO. Langfristiges Ziel sei es, die Entwicklungsländer besser in die Weltwirtschaft zu integrieren und in das internationale Handelssystem einzubinden. Bei dem Versuch, Sozialstandards auch in Entwicklungsländern einzuführen und zu schützen, gelte es aber, den Entwicklungsländern klarzumachen, daß keine protektionistischen Motive dahinterstünden. Die Industrieländer müßten zeigen, daß sie in der Lage seien, die Entwicklungsländer ernst zu nehmen und diese bei der Umsetzung von Sozialstandards zu unterstützen. Zu der veranschlagten Dauer der neuen WTO-Runde erklärte die Bundesregierung, sie gehe optimistisch von zunächst drei Jahren aus.409

     Auf der Ministerkonferenz in Seattle erklärte EU-Handelskommissar Lamy am 30. November 1999:

     "First, we should not be afraid to build up the speed of our goods train. Trade liberalization has benefited our economies enormously, and there's no reason to believe that the new Round won't do likewise. We need to do more to ensure that the benefits are more widely spread between our economies, and - friendly - within our economies. We must also assess whether our speed is sustainable - which is why the EU is carrying out a sustainability impact assessment of the new Round. (...)
     We are ready to negotiate, on the basis of the whole of the famous Article 20. That means: further reductions in export subsidies (...); domestic support, and tariffs. But it also means that non-trade concerns must be taken into account, and we cannot concede on that point.
     Second, we need to care about more than just the velocity of the train. We need to be sure that the governance of the world trade system is fully up to date to meet the needs of the global economy. (...)
     Third, we, the drivers of the train, need to unblock our 'tunnel vision'. We need to think about the environment, through which the train passes, and which it occasionally despoils. And we need to think about the workers who lay the track, service the train, and keep it running on time. I know that the issues of trade and labour, and trade and environment worry many developing countries.
     But on trade and labour, I urge you to look again at our proposal for an ILO/WTO forum. (...)
    We want environmental considerations integrated throughout the negotiations in the new Round, and we want the Round to tackle fundamental issues such as the relationship between WTO rules and MEAs, eco-labelling, and the precautionary principle.
     And perhaps most importantly of all, we need new drivers for our train, from developing countries. That is why we have also tried to integrate development philosophy throughout our proposals. That is why we are calling for all the richer countries to offer duty free access to the least developed. That is why we are looking afresh at what we do by way of capacity building, technical assistance, and special and differential treatment." 410

     Bundeswirtschaftsminister Müller nahm auf der Konferenz am 1. Dezember 1999 wie folgt Stellung:

     "1. Our experience in Germany of resolute market opening has been extremely positive. This approach to economic policy was a vital driving force behind Germany's so-called economic miracle after 1945.
     We can expect that a further reduction in tariffs, and other trade barriers in the strengthening of the multilateral WTO rules will create a fresh stimulus for business, growths and jobs, not only in the industrial countries, but in all countries.
     2. Another argument in favor of a new round covering all trade-related issues is this: only a sufficiently broad approach will permit an overall solution with balanced outcome for all - and I emphasize the word 'all' - sides.
     3. Only a broad mandate for negotiations can answer the ever more urgent question about the relationship between trade policy and other policy fields.
     Examples are: investment, competition, environment, health, consumer protection and labour and social standards.
     We therefore need to negotiate rules affecting more than just trade policy in the WTO framework. (...)
     4. One important German objective in a new round is to get the developing countries - and particularly the least developed ones - more integrated into the multilateral trading system.
     A decisive role here will be played by improved access for products from the developing countries to the markets of the industrialized world. (...)
     Germany is (...) aiming at a ministerial decision on making the work of the WTO more transparent for the civil society.
     But in particular, we are proposing a ministerial decision in line with the EU initiative, whereby all industrial countries and, if possible, advanced developing countries make a pledge to the least developed countries to allow tariff-free access for essentially all products from 2003."411



    390 Umwelt Nr. 5/1999, 198 f.

    391 BT-Drs. 14/645, 3 f.

    392 Ibid., 4.

    393 Ibid.

    394 Bull. Nr. 31 vom 27.5.1999, 341.

    395 Bull. Nr. 43 vom 14.7.1999, 438.

    396 BT-Drs. 14/1434, 1 f.

    397 Ibid., 2.

    398 Ibid., 3.

    399 Ibid., 2 f.

    400 Bull. Nr. 43 vom 14.7.1999, 438.

    401 Blickpunkt Bundestag 10/99, 66.

    402 BT-Drs. 14/1860, 1 f.

    403 Ibid., 2 f.

    404 Ibid., 3.

    405 Ibid.

    406 Ibid., 4.

    407 BT-Drs. 14/1861.

    408 Blickpunkt Bundestag 10/99, 66.

    409 Ibid.

    410 WT/MIN(99)/ST/3 vom 30.11.1999.

    411 WT/MIN (99)/ST/23 vom 1.12.1999.