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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


X. Diplomatie und Konsularwesen

    90. Nach den vermutlich gesteuerten Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Teheran im Zusammenhang mit dem Berliner Mykonos-Prozeß teilte das Auswärtige Amt mit, es gebe keinen Hinweis darauf, daß Iran von der Verpflichtung abrücke, das Botschaftsgelände und das diplomatische Personal zu schützen. Die iranische Regierung habe am Wochenende Gebäude und Personen vor Übergriffen bewahrt. Bundesaußenminister Kinkel erinnerte in zwei Telefongesprächen den iranischen Außenminister an die Wiener Übereinkunft von 1961 zum Schutz des diplomatischen Personals. Die Amtsleitung des Auswärtigen Amtes habe zusammen mit der Botschaft in Teheran Vorsorge getroffen. Es obliege Iran, aus den am Sonntag wiederholten Hinweisen des Bundesaußenministers Kinkel auf die Unabhängigkeit der deutschen Justiz die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.208

    91. Zu dem Eindringen einer Gruppe von Ost-Timoresen auf das Gelände der deutschen Botschaft in Djakarta und ihre Verfolgung durch indonesische Sicherheitsbehörden nahm die Bundesregierung wie folgt Stellung: Das Verhalten der Wachmannschaft beim Eindringen der acht Personen aus Ost-Timor war, auch wenn dieses Eindringen morgens um ein Uhr durch Übersteigen der Einfriedung erfolgte, nicht korrekt und ist unverzüglich vom Botschafter gerügt worden.209 Er habe gleichzeitig Anordnungen getroffen, um kurzfristig Wiederholungen zu verhindern. Die Bundesregierung habe unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls bei der indonesischen Regierung gegen das Vorgehen der Sicherheitskräfte des Landes protestiert. Inzwischen hätten die Bemühungen der Botschaft um vollständige Aufklärung, insbesondere ein Gespräch mit drei Personen, deren Verletzungen in einem Militärhospital behandelt würden und die zusammen mit den anderen fünf Betroffenen bis zu ihrer bevorstehenden Ausreise nach Portugal faktisch unter der Obhut des IKRK stünden, ergeben, daß indonesische staatliche Sicherheitskräfte bei dem Vorfall auf das Botschaftsgelände gelassen worden seien. Gegen ihr Vorgehen ohne die nach dem Wiener Übereinkommen erforderliche Zustimmung des Missionschefs und gegen Art und Weise ihres Vorgehens habe Staatssekretär von Ploetz auf Weisung von Bundesaußenminister Kinkel unmittelbar nach Bekanntwerden der Informationen gegenüber dem indonesischen Geschäftsträger in Bonn protestiert und die zugesagte vollständige Aufklärung des Vorfalls angemahnt. Er habe die Erwartung ausgesprochen, daß die indonesische Regierung ihr Bedauern über den Vorfall öffentlich bekunde. Ein entsprechender Protest sei auch durch den Botschafter in Djakarta eingelegt worden. Die indonesischen Behörden hätten gegenüber der Botschaft erklärt, daß einer Ausreise der Botschaftsbesetzer nichts im Wege stehe. Darüber hinaus habe die indonesische Seite erklärt, daß eine weitere Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Botschaftsbesetzung nicht zu befürchten sei. Angesichts dieser Zusicherung und der Tatsache, daß die indonesischen Sicherheitskräfte der Botschaft die Namen der Betroffenen mitgeteilt hätten, sei mit erneuter Verhaftung oder Verfolgung nicht zu rechnen.210 Die portugiesische Regierung habe ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklärt. Die Ausreisemodalitäten würden durch das IKRK koordiniert. Dies entspreche dem inzwischen eingespielten und bewährten Vorgehen bei früheren Botschaftsbesetzungen durch Ost-Timoresen in Djakarta. Alle für die baldige Ausreise der Ost-Timoresen erforderlichen Vorbereitungen seien inzwischen getroffen. Durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen werde sichergestellt, daß sich solche Vorgänge in Zukunft nicht wiederholen könnten.211

    92. Iranische Geheimagenten stürmten Ende Juli 1996 die Wohnung des deutschen Diplomaten Gust in Teheran. Der Zwischenfall ereignete sich, wie das Auswärtige Amt bestätigte, bei einem Abendessen, zu dem die Deutsche Botschaft sechs iranische Schriftsteller und deren Frauen in die Wohnung des Kulturreferenten eingeladen hatte. Gust wurde unter Androhung von Gewalt in ein Zimmer gesperrt, verhört, die Gäste wurden von den Sicherheitskräften abgeführt. Das Auswärtige Amt erklärte, die Deutsche Botschaft in Teheran habe unverzüglich schärfsten Protest gegen das Verhalten der iranischen Sicherheitskräfte eingelegt. Gleichzeitig sei der iranische Botschafter in Deutschland in das Auswärtige Amt einbestellt worden. Das iranische Außenministerium habe gegenüber dem Auswärtigen Amt sein Bedauern ausgedrückt. Die iranische Seite habe von einem Mißverständnis gesprochen. Die Deutsche Botschaft habe sich davon überzeugen können, daß alle festgenommenen Gäste auf freiem Fuß seien.212

    93. In ihrer Antwort auf die schriftliche Parlamentarische Anfrage nach der stärkeren Verknüpfung in der Botschaftstätigkeit von mehreren EU Mitgliedstaaten stellte die Bundesregierung folgendes fest: Spezielle diplomatische Vertretungen der EU als Instrument einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die nationale diplomatische Vertretungen ersetzen, existierten bisher nicht. Die EU sei im Ausland in zwei Formen vertreten: 1. in Fällen ausschließlicher Gemeinschaftszuständigkeit (z.B. im Bereich Außenhandel) und bei Vertragsverhandlungen im Rahmen des jeweiligen Mandats durch die Kommission; 2. im Rahmen der GASP durch den jeweiligen Vorsitz (Art. J5, Abs. 1); ist der Vorsitz vor Ort nicht präsent, wird er durch einen anderen Mitgliedstaat vertreten. Die Europäische Kommission unterhalte derzeit weltweit 145 Delegationen, Vertretungen und Büros (23 Vertretungen in Mitgliedstaaten der EU, 5 Vertretungen bei internationalen Organisationen und 117 in Drittstaaten). Die Kosten für diese Vertretungen würden aus dem EG-Haushalt bestritten. Der Haushaltsansatz für die dazu benötigten Sach- und Personalkosten belaufe sich für 1996 auf 197,1 Mio. ECU. Die Mitgliedstaaten der EU seien bestrebt, bei Errichtung und Betrieb ihrer nationalen Botschaften Gebäude und unterstützende Dienste dort gemeinsam zu nutzen, wo es die Situation erlaube und vorteilhaft erscheinen lasse. Um hierfür gemäß Art. 5 des EU-Vertrages einen institutionellen Rahmen zu schaffen, unterzeichneten am 21. Februar 1996 die 15 Mitgliedstaaten der EU und die Europäische Kommission eine "Rahmenvereinbarung über die gemeinsame Unterbringung diplomatischer und konsularischer Vertretungen". Danach prüften die Mitgliedstaaten und die EG-Kommission Vorhaben zur gemeinsamen Unterbringung ihrer Vertretungen, sobald zwei oder mehr von ihnen der Auffassung seien, daß dies in ihrem gemeinsamen Interesse liege und politisch machbar sei. Größtes gemeinsames Projekt mit einem Gesamtfinanzvolumen von 52,1 Mio. ECU ist die Errichtung eines Kanzleikomplexes der EU-Mitgliedstaaten (außer Luxemburg und Großbritannien) und der Kommission in der neuen nigerianischen Hauptstadt Abuja. Eine Vereinbarung zwischen den Außenministerien der 10 beteiligten Mitgliedstaaten und der Kommission über die Errichtung eines gemeinsamen Botschaftskomplexes in Abuja sei am 18. April 1994 in Luxemburg unterzeichnet worden; Österreich, Finnland und Schweden seien dieser Vereinbarung 1995 beigetreten. Das Projekt werde dem jeweiligen Anteil entsprechend von den einzelnen Mitgliedstaaten aus den nationalen Haushalten bzw. bezüglich des Anteils der Vertretung der Kommission (ca. 10 %) aus dem EG-Haushalt finanziert. Bereits seit dem 29. Oktober 1992 seien die Verbindungsbüros Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Niederlande und der Kommission in Abuja in einem gemeinsam angemieteten Gebäude (Europe House) untergebracht. Von mehreren EU-Mitgliedstaaten gemeinsam genutzte Kanzleiräumlichkeiten bestünden derzeit in Almati (Deutschland, Großbritannien und Frankreich), Minsk (Großbritannien und Italien) sowie Reykjavik (Deutschland und Großbritannien). In der Diskussion seien weitere gemeinsame Projekte unter anderem in Daressalam (Deutschland, Großbritannien, Niederlande, EG-Kommission), Quito (Deutschland, Großbritannien), Beirut (Deutschland, Italien; evtl. auch Großbritannien und Österreich), Kinshasa (Niederlande, Großbritannien), Luanda (Deutschland, Belgien, Italien, Niederlande, Spanien, EG-Kommission), Hanoi (Österreich, Spanien, EG-Kommission), Preßburg (Belgien, Spanien, Niederlande, Schweden, EG-Kommission) und Berlin (Belgien, Niederlande).213

    94. Auf die Frage nach den Vorwürfen gegen den Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Washington wegen angeblich antisemitischer Äußerungen und sexueller Belästigungen mehrerer Mitarbeiterinnen, legte die Bundesregierung dar, diese Vorwürfe seien Gegenstand eines Gerichtsverfahrens gewesen, das zu keiner Verurteilung geführt habe. Dabei habe es sich um einen Zivilprozeß im Zusammenhang mit der Kündigung von kurzfristig beschäftigten Ortskräften der Außenstelle Washington der Konrad-Adenauer-Stiftung, d. h. um eine stiftungsinterne Personalangelegenheit gehandelt.214

    95. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die USA Markus Wolf ein Einreisevisum verweigert haben. Zur Begründung habe das US-Außenministerium darauf abgestellt, daß das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit (MFS) den Terrorismus aktiv unterstützt und gefördert habe und daß Wolf als Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) in entscheidender Position für das Handeln der Behörde verantwortlich gewesen sei. Dies decke sich mit der Auffassung der Bundesregierung.215

    96. Die umstrittenen Äußerungen des deutschen Botschafters in Haiti über die Gründe einer angeblichen Überbevölkerung Haitis und deren Presseecho haben nach der Darlegung der Bundesregierung dazu geführt, daß die Abberufung des deutschen Botschafters unumgänglich geworden sei.216



    208 FAZ vom 19.11.1996, 5.
    209 BT-PlPr., 100. Sitzung, 8874.
    210 BT-PlPr., 100. Sitzung, 8875.
    211 BT-PlPr., 100. Sitzung, 8874.
    212 SZ vom 2.9.1996, 2.
    213 BT-Drs. 13/5441, 2.
    214 BT-Drs. 13/3857.
    215 Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Parlamentarische Anfrage, BT-Drs. 13/4286, 12.
    216 BT-Drs. 13/3820.