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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

2. Außenwirtschaftskontrollrecht

    138. Aufgrund einer Kleinen Anfrage stellte die Bundesregierung fest, sie verfolge gegenüber dem Iran eine sehr restriktive streng überwachte Exportpolitik.263 Lieferungen von Rüstungsgütern würden nicht genehmigt. Dies gelte grundsätzlich auch für die Lieferung von dual use-Gütern an militärische Abnehmer. Konkrete belastbare Hinweise auf nukleare Anlagen oder Forschungsaktivitäten, die nicht mit dem Status Irans als Nicht-Kernwaffen-Staat im Sinne des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen übereinstimmten, lägen der Bundesregierung nicht vor. Mehrere Inspektionen der IAEO hätten ebenfalls keinen diesbezüglichen Hinweis ergeben. Im Zeitraum von Anfang 1990 bis Ende Juli 1995 seien 28 Ausfuhranträge auf Lieferungen von Waren gemäß Abschnitt B der Ausfuhrliste (Kerntechnologie) in den Jahren genehmigt worden. In 25 Fällen davon habe es sich um Chemikalien in Labormengen gehandelt. Der Gesamtwert der 25 Ausfuhren habe insgesamt 30.000 DM betragen. In zwei weiteren Fällen wurden Frequenzumwandler geliefert. Diese Waren würden von der internationalen Liste der zu kontrollierenden Waren der Gruppe der nuklearen Lieferländer (Nuclear Suppliers Group [NSG]) nicht erfaßt, seien jedoch national genehmigungspflichtig. Ein weiterer Antrag betreffe Ersatzteile zum Einsatz in Vakuumpumpen. Die Chemikalien seien nur aufgrund ihrer Verwendung als Laborchemikalien genehmigt worden. Genehmigungsfähigkeit sei gegeben, wenn aufgrund der vorliegenden Informationen (Endempfänger/Mängel) plausibel belegt sei, daß eine Verwendung im iranischen Nuklearprogramm ausgeschlossen werden könne. Die anderen Waren hätten in keinem Zusammenhang mit lieferaktionsrelevanten Aktivitäten im Bereich der Kernspaltung gestanden. In den Jahren 1977 und 1978 seien zwei Abkommen zur Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie abgeschlossen worden.264

    139. Auf die schriftliche Parlamentarische Anfrage über die Lieferung von Fregatten durch Frankreich an Taiwan, führte die Bundesregierung aus, die Entscheidung der Bundesregierung, vergleichbare Lieferungen nach Taiwan nicht zuzulassen, sei entsprechend den "politischen Grundsätzen der Bundesregierung auch für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern" vom 28. April 1982 getroffen worden. Exporte von Kriegswaffen in Nicht-NATO-Länder würden hiernach nur dann genehmigt, wenn im Einzelfall vitale Interessen der Bundesrepublik Deutschland für eine Ausnahmegenehmigung sprächen. Zusätzlich müsse sichergestellt sein, daß eine solche Lieferung nicht zu einer Erhöhung bestehender Spannung beitrage. Bei Anwendung dieser Kriterien könne in der gegenwärtigen Situation eine Genehmigung nicht erteilt werden.265

    140. Auf die Frage, welche Instrumente die Bundesregierung im einzelnen unter dem Begriff der sogenannten typischen Folterwerkzeuge zusammenfasse, antwortete die Bundesregierung, daß im Einzelfall eine Vielzahl von Waren des täglichen Bedarfs zu Folterzwecken mißbraucht werden könnten. Für eine zweckorientierte Kontrolle und Abgrenzung zu nicht relevanten Waren sei es daher unumgänglich, auf die technische Beschaffenheit und die daraus folgende Eignung der Güter abzustellen, jedenfalls auch für Folterungen verwendet werden zu können. Eine innumerative Aufzählung hätte den Nachteil, daß sie nicht erschöpfend genug sei und deshalb kontrollbedürftige Tatbestände nicht erfassen könnte. Um diesem Rechnung zu tragen, habe die Bundesregierung in der EU vorgeschlagen, alle tragbaren Güter und Bestandteile in die Ausfuhrkontrolle einzubeziehen, die durch ihre Konstruktionsmerkmale besonders geeignet seien, zu Folterzwecken verwendet zu werden. Zugleich seien Elektroschlagstöcke als Beispiel hier besonders genannt.266

    141. Die Bundesregierung hat seit Bekanntwerden der staatsanwaltlichen Ermittlungen im August 1996 wegen des Verdachts gegen drei deutsche Staatsbürger, in den Jahren 1990 bis 1993 mehrere Steuerungsanlagen von der Firma Siemens über ein Geflecht von Firmen bezogen und nach Libyen geliefert zu haben, wo diese Anlagen zur Produktion von Giftgasen in einem Tunnelsystem eingesetzt werden könnten, in vier Ausschüssen des Deutschen Bundestages eingehend berichtet und außerdem auf eine Reihe von schriftlichen Einzelanfragen geantwortet.267

    142. Es ergingen im Berichtszeitraum folgende Rechtsakte:

Bundesministerium für Wirtschaft, 133. Verordnung zur Veränderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - vom 18.12.1996;268
Neuntes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes vom 11. Dezember 1996;269
Verordnung der Bundesregierung, aufhebbare 90. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung. Ziel der Verordnung ist die Anpassung des Teils 1 der Ausfuhrliste an die gemeinsame Liste der Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die bei der Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft der Kontrolle unterliegen, ferner die Änderung einer nationalen Sonderposition für biotechnische Anlagen;270
7. Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr. Ziel der Verordnung ist die Festlegung der Zuständigkeit des Bundesamtes für Wirtschaft zur Erteilung von Einfuhrgenehmigungen aufgrund unmittelbar geltenden EG-Rechts, ferner die Aufhebung der Zuständigkeit des Bundesamtes für Wirtschaft für die Genehmigungserteilung bei Exportpreisprüfungen als Folge der Aufhebung des nationalen Verfahrens nach § 44 AAWV;271
132. Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - vom 15. Oktober 1996;272 90. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste;273
Bekanntmachung des Bundesausfuhramtes zum Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen vom 28. November 1996;274
Ausführungsverordnung zum Chemiewaffenübereinkommen vom 12. November 1996.275
    Statistische Angaben zum bundesdeutschen Export von Rüstungs- und rüstungsrelevanten Gütern gab die Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage.276



    263 BT-Drs. 13/3485.
    264 BT-Drs. 13/3483.
    265 BT-PlPr., 97. Sitzung, 8650.
    266 BT-Drs. 13/5566, 18.
    267 S. Nachweise in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Verhalten der Sicherheitsbehörden zum Export deutscher Komponenten für eine Giftgasanlage nach Libyen", BT- Drs. 13/6613 vom 19.12.1996.
    268 BAnz Nr. 243 vom 31.12.1996, 13389.
    269 BGBl. I 1996, 1850.
    270 BT-Drs. 13/5946.
    271 BR-Drs. 602/96.
    272 BAnz Nr. 201 vom 25.10.1996, 11665.
    273 BAnz Nr. 205 vom 31.10.1996, 11809.
    274 BAnz Nr. 231 a vom 10.12.1996.
    275 BGBl. I 1996, 1794.
    276 BT-Drs. 13/5680.