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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1996


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Volker Röben


XV. EG und EU

4. Sonstige Entwicklungen

    162. Zu den Europaabkommen mit Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei und Tschechien sowie mit Estland, Lettland, Litauen und Ungarn, erging folgender Runderlaß des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen:321

    "In diesen zuletzt genannten Abkommen (Polen, Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Slowakei) werden bereits jetzt geltende Freizügigkeitsregelungen getroffen. Staatsangehörige dieser Länder, die dem Niederlassungsrecht nach dem Europaabkommen unterfallen, besitzen zwar noch kein unmittelbares Freizügigkeitsrecht nach Europäischem Gemeinschaftsrecht im Sinne des § 2 Abs. 2 Ausländergesetz. Vielmehr findet auch hier das allgemeine Ausländerrecht Anwendung mit der Folge, daß ihnen lediglich ein Ermessensanspruch nach § 7 Abs. 1 Ausländergesetz auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu selbständigen Erwerbszwecken zukommt, der jedoch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung der Abkommen im Einzelfall bei vorliegender Voraussetzung auf Null reduziert ist. Hierbei sollte auch die ständige Rechtsprechung des EuGH berücksichtigt werden. Die Bestimmungen der Assoziationsabkommen bilden danach einen integralen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts."

    163. Bei Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der türkischen Regierung haben Bundeskanzler Kohl und Bundesaußenminister Kinkel dem türkischen Staatspräsidenten Demirel keine Zusagen über den Zeitpunkt des Beitritts der Türkei zur Europäischen Union gemacht. Demirel nahm für sein Land in Anspruch, die Türkei sei mit ihren Bekenntnissen zur Demokratie und zu den europäischen Werten der EU näher als andere Beitrittskandidaten. Kinkel versicherte, der Türkei dürfe nicht das Gefühl vermittelt werden, von Europa isoliert zu sein. Die Türkei gehöre zu Europa. Er würdigte das im türkischen Regierungsprogramm festgeschriebene Bekenntnis zu Demokratie und Meinungsfreiheit. Nun würden aber konkrete Schritte dazu erwartet. Die Türkei müsse auch im Interesse einer weiteren Annäherung an die EU zeigen, daß sie die Kurdenfrage mit politischen Mitteln lösen wolle und die unbefriedigende Menschenrechtslage zu ändern gewillt sei.322



    321 InfAuslR 4/97, 151; Runderlaß vom 21.11.1996 - 1B/43.156.
    322 FAZ vom 7.11.1996, 10.