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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


VII. Personalhoheit und Staatsangehörigkeit

1. Staatsangehörigkeit

     26. Der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland im 6. Ausschuß der Generalversammlung der Vereinten Nationen nahm anläßlich der Aussprache über die Arbeit der ILC zur Auswirkung von Fragen der Staatensukzession auf die Staatsangehörigkeit von natürlichen und juristischen Personen Stellung. Er unterstrich dabei die Berechtigung der zwei Hauptanliegen, wie sie in der Arbeit der ILC zum Ausdruck gekommen waren: Beachtung der Menschenrechte und die Vermeidung von Staatenlosigkeit. Allgemein wird hervorgehoben, daß sich auch das Staatsangehörigkeitsrecht im Rahmen des Völkerrechts bewegen müsse.52 Zur Frage der Vermeidung von Staatenlosigkeit führt der deutsche Vertreter aus:

"The obligation to avoid cases of statelessness in the event of the succession of states was set out in Art. 10 of the 1961 Convention on the Reduction of Statelessness, and also in the recent European Convention on Nationality adopted by the Council of Europe. Art. 1 of the Commission's draft declaration did not set out an obligation of result but rather one of conduct. Indeed, in case of state succession where there was more than one successor state, an obligation of result would lead to situations of dual or multiple nationality on a large scale."53

     Auch die Frage nach einem Menschenrecht auf Staatsangehörigkeit wird in den Kontext der Vermeidung einer doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeit gestellt:

"The question whether there was a right to particular nationality had been much debated. As well known, Art. 15 of the Universal Declaration of Human Rights had been the subject of various interpretations in that regard. However, when there was succession of states it was possible to determine more precisely which state or states should grant nationality. Art. 1 of the draft declaration, which gave every individual directly affected by succession of states 'the right to the nationality of at least one of these states concerned', thus mirrored that reality. In that connection, the German Government had noted that even though the Commission recognized the possibility of dual or multiple nationality, as the words 'at least' showed, nevertheless it was not its intention to encourage it. Like other governments, the German Government pursued a policy of avoiding cases of dual or multiple nationality in accordance with a number of international obligations."54

     27. Auf eine schriftliche Parlamentarische Anfrage hin nahm die Bundesregierung Stellung zur Frage der Einbürgerung von iranischen Staatsangehörigen:

"Nach Nr. II des Schlußprotokolls zum deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen vom 17. Februar 1929 - NAK - bedarf die Einbürgerung iranischer Staatsangehöriger der Zustimmung der iranischen Regierung. Wie das Bundesverwaltungsgericht in mehreren Urteilen festgestellt hat, ist diese völkervertragliche Regelung nach wie vor geltendes Recht. Die deutschen Behörden sind nicht befugt, im Ermessenswege von ihrer Anwendung abzusehen. Das Zustimmungserfordernis gemäß Nr. II NAK gilt allerdings nicht für Einbürgerungsansprüche, wie sie z.B. in §§ 85 ff. Ausländergesetz zur erleichterten Einbürgerung von Ausländern vorgesehen sind. Bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen ... kommt eine Einbürgerung ohne vorherige Entlassung aus der iranischen Staatsangehörigkeit in Betracht, wenn ein formgerechter Entlassungsantrag abgelehnt oder nicht in angemessener Zeit beschieden worden ist oder wenn die Forderung nach Entlassung unzumutbar ist. So sind in den Jahren 1994 und 1995 ... 710 bzw. 718 Einbürgerungen iranischer Staatsangehöriger unter Hinnahme von Mehrstaatlichkeit vollzogen worden."55

     28. Im Rahmen der Diskussion um eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts brachte der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Änderung des Ausländergesetzes ein. Der Gesetzentwurf des Bundesrates sah eine erleichterte Einbürgerung für jugendliche Ausländer sowie einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland vor, wenn bereits ein Elternteil in Deutschland geboren wurde. Die Bundesregierung lehnte eine solche Teilreform des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf ab. Kritisiert wurde insbesondere die erweiterte Hinnahme von Mehrstaatigkeit sowie die Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit durch Deutsche im Ausland. Darüber hinaus ginge der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt wesentlich weiter als die lediglich leichtere Einbürgerung jugendlicher Ausländer in dem Entwurf, obgleich bei den Einbürgerungsvoraussetzungen geringere Anforderungen gestellt würden. Diese Fragen könnten nur im Rahmen einer Gesamtreform abgewogen und in eine "überzeugende Konzeption" eingebunden werden, betont die Bundesregierung.56

     29. Im Familienausschuß des Bundestages kündigte die Bundesregierung an, daß die Deutschkenntnisse der Aussiedler künftig bereits in den Herkunftsländern getestet werden sollen. Diese Tests sollten den Deutschen in Osteuropa helfen, da mangelnde Sprachkenntnisse, die nach der Aussiedlung in der Bundesrepublik festgestellt werden, Entzug des Aufnahmebescheids und Abschiebung als Ausländer bedeuten könnten. Dies müsse im Interesse der Betroffenen vermieden werden.57

     30. In der Antwort auf eine schriftliche Anfrage zu dem Vorgehen von neueingebürgerten Deutschen, die sich bei den Konsulaten ihres Herkunftslandes ihren alten Paß wieder aushändigen lassen und so zu einer doppelten Staatsbürgerschaft kommen, nahm die Bundesregierung wie folgt Stellung:

"Die Bundesregierung verfolgt Hinweise auf die geschilderten Vorgehensweisen von Eingebürgerten, wie sie insbesondere von ehemals türkischen Staatsangehörigen bzw. türkischen Auslandsvertretungen bekannt ist, mit Aufmerksamkeit und ist bestrebt, dem entgegenzuwirken.

Nach der in § 25 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) getroffenen Regelung geht die deutsche Staatsangehörigkeit durch den auf Antrag erfolgenden Erwerb bzw. Wiedererwerb einer ausländischen nur verloren, wenn der Antragsteller weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt im Inland hat. Um die in Rede stehende Vorgehensweise künftig zu unterbinden, kommt daher eine Aufhebung dieser 'Inlandsklausel' in Betracht.

Die Bundesregierung hat gegenüber ausländischen Politikern und Stellen bei gegebenem Anlaß verdeutlicht, daß eine solche Wiedereinbürgerungspraxis den Integrationsbemühungen der Bundesregierung nicht förderlich ist. - Letztlich wird man das Problem aber nur durch eine Änderung von § 25 Abs. 1 RuStAG lösen können."58

     In der Antwort auf eine weitere schriftliche Anfrage wurde festgestellt, daß der besagten Praxis nicht mit einem zwangsweisen Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit begegnet werden könne. Dies ergebe sich aus Art. 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes.59



    52 UN Doc. A/C.6/52/SR.18, 47.
    53 Ibid., 48.
    54 Ibid., 49.
    55 BT-Drs. 13/9118 vom 21.11.1997, 6.
    56 WIB 13/97, 12.
    57 WIB 8/97, 41.
    58 BT-Drs. 13/7690 vom 16.5.1997, 3.
    59 BT-Drs. 13/7605 vom 9.5.1997, 4.