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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XI. Rechtshilfe und Auslieferung

1. Rechtshilfe

     111. Im Berichtszeitraum brachte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof für Ruanda (Ruanda-Strafgerichtshof-Gesetz) in den Bundestag ein. In der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf heißt es, daß das deutsche Recht - in gleicher Weise wie dies im Hinblick auf die Errichtung des Jugoslawien-Strafgerichtshofes geschehen sei - so ergänzt werden müsse, daß es mit den Regelungen des vom Sicherheitsrat verabschiedeten Statutes des Internationalen Gerichtshofes für Ruanda in Einklang stehe, insbesondere im Hinblick auf die vom Gerichtshof erlassenen Anordnungen betreffend die Leistung von Rechtshilfe, Überstellung von Personen und Duldung von Verfahrenshandlungen des Gerichtshofes auf dem nationalen Territorium.190

     Ferner zielt der Gesetzentwurf darauf ab, das deutsche Recht mit den im Statut getroffenen Regelungen über das Verhältnis der Jurisdiktion des Gerichtshofes zu nationalen Gerichtsbarkeiten und über die Vollstreckung der vom Gerichtshof verhängten Freiheitsstrafen in Staaten, die ihre Bereitschaft hierzu erklärt haben, zu regeln. Das Gesetz regelt damit die sich für die Bundesrepublik Deutschland ergebenden Verpflichtungen zur Zusammenarbeit aus der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen beschlossenen Resolution 955 (1994).

     Das Gesetz schreibt vor, daß auf Ersuchen des Gerichtshofes Strafverfahren, soweit sie Straftaten betreffen, die einer Gerichtsbarkeit unterliegen, in jedem Stadium des Verfahrens auf den Gerichtshof übergeleitet werden (§ 2). War in dem übergeleiteten Verfahren bereits rechtskräftig auf eine Strafe erkannt worden, so ist von der weiteren Vollstreckung dieser Strafe abzusehen, sobald der Verurteilte dem Gerichtshof überstellt worden ist. Gemäß § 3 des Gesetzes werden Personen auf Ersuchen des Gerichtshofes zur Verfolgung wegen einer der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes unterliegenden Straftat oder zur Vollstreckung einer wegen einer solchen Straftat verhängten Sanktion in Haft genommen und an den Gerichtshof oder an den Staat, der die Vollstreckung übernommen hat, überstellt. Die sonstige Rechtshilfe wird in § 4 geregelt, wobei laut dessen Abs. 2 das Erscheinen von Zeugen mit denselben Ordnungsmitteln durchgesetzt werden kann, die im Falle der Ladung durch ein deutsches Gericht oder eine deutsche Staatsanwaltschaft angeordnet werden könnten. Dabei soll Angehörigen und Bevollmächtigten des Gerichtshofes und sonst am Verfahren beteiligten Personen auf Ersuchen die Anwesenheit bei der Vornahme von Rechtshilfehandlungen gestattet werden. Auf besonderes Ersuchen können Angehörige und Bevollmächtigte des Gerichtshofes in Absprache mit den zuständigen deutschen Behörden Vernehmungen, Augenscheinseinnahmen und ähnliche Beweiserhebungen im Geltungsbereich des Gesetzes selbständig vornehmen. Im Hinblick auf die Rechtshilfe durch Vollstreckung erklärt das Gesetz die Vorschriften des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) zur Vollstreckungshilfe für entsprechend anwendbar (§ 5). Wie die Bundesregierung in ihrer Gesetzesbegründung ausführt, lasse sich dem Statut des Gerichtshofes nicht mit letzter Sicherheit entnehmen, wo die Grenze zwischen Entscheidungen im Rahmen der Vollstreckung und Entscheidungen über die "Abänderung" der Strafe zu ziehen sei. Während erstere nach dem Recht des ersuchten Staates, wenn auch unter der "Aufsicht" des Gerichtshofes, getroffen werden könnten, behalte sich für letztere der Gerichtshof eine eigene Entscheidung vor. Der Entwurf entscheide sich dafür, in den Kreis der erstgenannten Entscheidungen auch solche nach § 57 Abs. 2 IRG (Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung) aufzunehmen, hinsichtlich all dieser Entscheidungen aber eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Gerichtshof über den Stand des Vollzuges vorzusehen, um die Aufsicht des Gerichtshofes über die Vollstreckung zu ermöglichen.191

     112. In seiner Stellungnahme vor der 52. Generalversammlung der Vereinten Nationen im Rahmen der Aussprache über den Bericht des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien betonte Botschafter Henze in seiner Funktion als "Acting Permanent Representative of Germany", daß die deutschen Behörden umfassend mit dem Gerichtshof zusammenarbeiten:

"German law enforcement authorities co-operate closely with the Tribunal in order to assure an effective and transnational prosecution of violations of humanitarian law. These efforts include special protection for those of the many refugees from Bosnia and Herzegovina on German territory who are required by the Tribunal as witnesses.

Due to the principle of legal universality introduced by the 1995 Statute, German authorities investigate violations of humanitarian law committed in the former Yugoslavia regardless of the citizenship or residence of the suspects. On two accounts, German courts have pronounced imprisonment sentences in connection with violations committed in Bosnia and Herzegovina. The International Criminal Tribunal in The Hague had been kept informed about the trials and chose not to exercise its right to request extradition. At present, German law enforcement authorities are investigating further cases, again in close co-operation with the Tribunal."192



    190 BT-Drs. 13/7953 vom 12.6.1997, 6.
    191 Ibid., 12.
    192 United Nations General Assembly 52nd Session, Statement by Ambassador Gerhard Henze, the Acting Permanent Representative of Germany, Agenda Item 49, 4.11.1997.