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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1997


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Roland Bank


XIII. Umwelt- und Naturschutz

1. Allgemeiner Umweltschutz

     149. Bundeskanzler Kohl hielt anläßlich der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen "5 Jahre nach Rio" am 23. Juni 1997 in New York eine Rede, in der er einräumte, daß bis heute noch keine Umkehr der globalen Umweltbelastung erreicht werden konnte. Auf folgenden zentralen Handlungsfeldern sieht er die Notwendigkeit und die Chance, einen wichtigen Schritt voranzukommen:

"Erstens: Auf der Berliner Klimakonferenz im April 1995 wurde das Fundament für eine weltweite Vereinbarung zum Schutz des Klimas geschaffen. Die Sondergeneralversammlung sollte die Klimakonferenz Ende dieses Jahres in Kyoto auffordern, international eine deutliche Verminderung der Emission von Treibhausgasen zu vereinbaren. Die Industrieländer sollten sich dem erklärten Ziel der Europäischen Union anschließen, bis zum Jahre 2010 die Emissionen wichtiger Treibhausgase um 15 % zu vermindern.

Zweitens: Die Zerstörung der Wälder, insbesondere der lebenswichtigen tropischen Regenwälder, geht weiter. Deshalb brauchen wir international verbindliche Vereinbarungen, die den Schutz und die schonende Nutzung der Wälder regeln.

Drittens: Globaler Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung brauchen bei den Vereinten Nationen eine klare und laut vernehmbare Stimme. Ich halte es daher für wichtig, kurzfristig die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Umweltorganisationen nachdrücklich zu verbessern. Mittelfristig sollte dies in die Gründung einer globalen Dachorganisation für Umweltfragen münden, die sich auf das Umweltprogramm der Vereinten Nationen als einen ihrer Hauptpfeiler stützt.

Viertens: Das Ziel einer weltumspannenden Umweltpartnerschaft im kommenden Jahrhundert sollte auch in der Charta der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommen."251

     Gemeinsam mit den Staats- und Regierungschefs Brasiliens, Singapurs und Südafrikas hatte Bundeskanzler Kohl eine gemeinsame Initiative als Beitrag zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in die Wege geleitet. In dieser Initiative fordern die besagten Staats- und Regierungschefs verschiedene Reformen im Bereich der umweltbezogenen Aktivitäten der Vereinten Nationen:

"Die Charta der Vereinten Nationen sollte dahin gehend geändert werden, daß nachhaltige Entwicklung und in diesem Zusammenhang der Schutz der Umwelt als zwei weitere Ziele der Vereinten Nationen aufgenommen werden.

Kurzfristig sollte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen reformiert und gestärkt werden, damit es die Funktion eines internationalen 'Umweltgewissens' übernehmen kann. Mittelfristig sollte die Gründung einer globalen VN-Dachorganisation für Umweltfragen, die sich auf UNEP als einen ihrer Hauptpfeiler stützt, in Betracht gezogen werden.

Wir unterstützen den Vorschlag, daß die Kommission für nachhaltige Entwicklung auch künftig das führende Gremium für den Prozeß von Rio sein sollte. Der Generalsekretär sollte die Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung bei seinen Bemühungen um die Umstrukturierung des VN-Sekretariats ebenfalls gebührend berücksichtigen."252

     Weiter werden die Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens über Klimaänderungen aufgefordert, auf ihrer 3. Konferenz im Dezember 1997 in Kyoto ihre Verhandlungen über ein Protokoll zum Abschluß zu bringen, das zur Verringerung der Treibhausgasemissionen führe. Von der Sondergeneralversammlung erwarten die Regierungschefs eine diesbezügliche Aufforderung an die Konferenz:

"Wir erwarten, daß die Sondergeneralversammlung die klare Aufforderung an die Konferenz richtet, ein Protokoll zu verabschieden, das die Industrieländer in rechtsverbindlicher Form verpflichtet, die Emissionen bestimmter Treibhausgase (Kohlendioxyd, Methan, Stickstoffoxyd) gemeinsam um 15 % bis zum Jahr 2010 und um 10 % bis 2005 gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren."253

     150. Im Hinblick auf den Schutz der biologischen Vielfalt fordern die Staats- und Regierungschefs die Ratifikation des diesbezüglichen Übereinkommens durch eine größere Anzahl von Staaten und seine uneingeschränkte Durchführung. Ferner müsse ein Netzwerk von Schutzgebieten aufgebaut werden, in denen die biologische Vielfalt besonders hoch sei. Zur Sicherung der Artenvielfalt sollten sich Schutz und nachhaltige Nutzung wechselseitig ergänzen.

     151. Im Hinblick auf den Schutz der Wälder wird die Sondergeneralversammlung aufgefordert, weitere internationale Maßnahmen einschließlich der Ausarbeitung einer globalen Waldkonvention zu diskutieren.

     152. Neben der Aufforderung, vermehrt erneuerbare Energiequellen einzuführen, was sich auch in den Programmen der Weltbank und anderen internationalen Finanzinstitutionen niederschlagen sollte, empfehlen die Staats- und Regierungschefs, die Jahre 2000 bis 2010 zur "Dekade der nachhaltigen Erzeugung und Nutzung von Energie" zu erklären. Weitere Forderungen betreffen die Ausrichtung einer Konferenz für nachhaltige Stadtentwicklung, die Verringerung von verkehrsbedingten Emissionen durch verstärkte Verschmutzung von umweltverträglichen Transportmöglichkeiten, sowie die Anwendung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung in allen weiteren Bereichen.254

     153. In der Regierungserklärung zum Europäischen Rat in Amsterdam sowie zum Weltwirtschaftsgipfel in Denver und zur Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in New York verwies Bundeskanzler Kohl darauf, daß in Amsterdam beim Europäischen Rat eine Reduktion der Treibhausgase in den Industrieländern bis zum Jahre 2010 um 15 % gegenüber 1990 beschlossen worden sei. Obwohl er sich mit seinen europäischen Kollegen in Denver dafür eingesetzt habe, daß sich auch alle Staaten der G 8 hierzu verpflichteten, sei es nicht gelungen, die Vereinigten Staaten und Japan hierfür zu gewinnen. Weiter führt der Bundeskanzler aus:

"Entscheidend für den Erfolg einer globalen Strategie zum Schutz der Umwelt ist die Einbeziehung der Entwicklungs- und Schwellenländer. Fehlende Anwendung fehlender Technik führt dort zu hohen Umweltbelastungen. Mit Recht wurde deshalb auf der Sonderversammlung der Vereinten Nationen in New York der Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung bekräftigt."255

     154. Im Vorfeld der VN-Sondergeneralversammlung ist auch eine große Anzahl von parlamentarischen Kleinen Anfragen an die Bundesregierung gerichtet worden, die einige der Punkte, wie sie in der Erklärung von Bundeskanzler Kohl sowie in der gemeinsamen Initiative der Staats- und Regierungschefs genannt sind, aufgreifen. Im übrigen weist die Bundesregierung jedoch in Anbetracht der hohen Anzahl von Einzelfragen (144) und der kurzen Beantwortungsfrist von zwei Wochen für Kleine Anfragen in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages eine detaillierte Beantwortung der Anfragen zurück. Die Bundesregierung betont, sie halte es aus staatspolitischer Sicht im Interesse der Bundesrepublik Deutschland für absolut unvertretbar, die Vorbereitungsaktivitäten der mit der VN-Sondergeneralversammlung befaßten, sehr begrenzten personellen Kapazitäten der Bundesministerien zu unterbrechen und diese für eine Detailbearbeitung der Kleinen Anfragen einzusetzen.256

     155. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Kleine Anfrage nimmt die Bundesregierung Stellung zu Fragen des Umweltschutzes im Rahmen der sog. "neuen Konzeption" zur technischen Harmonisierung und Normung in Europa. Nach dieser "neuen Konzeption" beschränkt sich der europäische Gesetzgeber seit 1985 auf die Festlegung allgemeiner Güte-, Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen an Produkte in den Richtlinien und verweist zu deren Konkretisierung auf technische Normen, die von europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC nach Vorlagen der nationalen Normungsorganisationen in eigener Verantwortung erarbeitet werden. Die Bundesregierung hält die Rahmenbedingungen für die Normenarbeit, wie sie im Ratsbeschluß zur "neuen Konzeption" und den diesbezüglichen "Allgemeinen Leitsätzen für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission, der EG und den europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC" vom 13. November 1984 festgelegt wurden, für grundsätzlich geeignet, in der Normung auch die Ziele des Umweltschutzes ausreichend sicherzustellen. Zu weiteren Aspekten zur Berücksichtigung von Umweltschutzgesichtspunkten in der internationalen Normungsarbeit führt die Bundesregierung folgendes aus:

"Die europäische und internationale Normungsarbeit hat vor dem Hintergrund der zunehmenden weltwirtschaftlichen Verflechtungen und des wachsenden internationalen Handels einen entscheidenden Stellenwert bekommen. Es gilt daher, Umweltschutzgesichtspunkte so früh wie möglich, d. h. systematisch und konsequent, bereits im Stadium der Erarbeitung von Produktnormen, zu integrieren. Ebenso muß dafür Sorge getragen werden, daß fortschrittliche deutsche Umweltstandards über die europäische und internationale Normung nicht aufgeweicht werden."257

     Um diesen Herausforderungen zu begegnen, seien die Koordinierungsstelle Umweltschutz sowie der neu gegründete Normenausschuß "Grundlagen des Umweltschutzes" (NAGUS) in den Normungsprozeß einbezogen worden. Aufgabe der Koordinierungsstelle Umweltschutz sei es, die Interessen des Umweltschutzes in die nationale, europäische und internationale Normung einzubringen, insbesondere durch die Überprüfung von allen Normen und Normenentwürfen auf umweltrelevante Festlegungen. Im NAGUS werde jeweils die deutsche Position für die europäische und internationale Arbeit festgelegt.258

     Die Bundesregierung befürwortet institutionelle Vorkehrungen in den europäischen Normungsgremien - etwa in Form einer Koordinierungsstelle Umweltschutz -, um Umweltaspekte systematisch in europäischen Normen zu berücksichtigen.259

     Zu der Möglichkeit, in den Fällen, in denen es nicht gelingt, ein hohes Umweltschutzniveau in Richtlinien oder europäischen Normen durchzusetzen, Regelungen in einem nationalen Alleingang zu treffen, äußert sich die Bundesregierung positiv:

"Die Bundesregierung hat bereits in der Vergangenheit in zwei Fällen aus dem Umweltbereich erfolgreich von der Schutzklausel nach Art. 100a Abs. 4 EG-Vertrag Gebrauch gemacht. Sie wird erforderlichenfalls auch künftig so verfahren. Grundsätzlich stimmen die Mitgliedstaaten darin überein, daß im Interesse des freien Warenverkehrs von der Schutzklausel des Art. 100a Abs. 4 EG-Vertrag zurückhaltend Gebrauch gemacht werden sollte.

Die Bundesregierung hat sich bei der gerade abgeschlossenen Regierungskonferenz zur Reform des gemeinschaftlichen Vertragswerks dafür eingesetzt, die Möglichkeiten der nationalen Schutzverstärkung auszuweiten. Es konnte u. a. durchgesetzt werden, daß ein Mitgliedstaat bei der Anwendung des Art. 100a Abs. 4 EG-Vertrag nicht zuvor gegen eine gemeinschaftliche Harmonisierungsmaßnahme stimmen muß, die möglicherweise bereits in die richtige Richtung geht, dies aber noch nicht weit genug. Ferner wurde die Möglichkeit zu nationalen Schutzverstärkungen auf die im Rahmen der Komitologie ergangenen Rechtssätze erstreckt. Der Kommission wird nun ein kurze, effektive Frist für die Bestätigung der nationalen Maßnahme gesetzt. Schließlich ist explizit die allerdings an einige einschränkende Voraussetzungen gebundene Möglichkeit vorgesehen, weitergehend nationale Vorschriften auch noch nach Erlaß einer gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahme zu erlassen."260

     156. In ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu Aspekten des internationalen Tourismus hebt die Bundesregierung hervor, daß sie in den mit der Entwicklungszusammenarbeit befaßten internationalen Institutionen im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht über diese Institutionen durch das BMZ in den zuständigen Gremien, (Direktorien, Verwaltungsräten, Projektausschüssen) auf die Anwendung der Ziele der Agenda 21 achte:

"Bei Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken wirkt die Bundesregierung über die Deutschland vertretenden Exekutivdirektoren und deren deutsche Mitarbeiter sowie über vielfältige Arbeitskontakte bei der Politikformulierung und -umsetzung mit. Leitlinien hierfür sind entwicklungspolitische Ziele und Grundsätze der Bundesregierung.

In der Europäischen Union ist die Bundesregierung durch ihre Mitarbeit in Projektausschüssen in der Lage, auf die Entscheidungsfindung durch Kommission und EIB Einfluß zu nehmen. In der Praxis hat sich insbesondere die Mitwirkung bei der Erarbeitung von Sektorkonzepten als wirkungsvoll erwiesen. Die Kommission hat hier eine Reihe von Anregungen der Bundesregierung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit übernommen.

Die Bundesregierung begrüßt, daß sich das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP-IE (Industry and Environment), Paris, verstärkt mit Fragen einer nachhaltigen Tourismusentwicklung befaßt. Mit dieser Organisation besteht ein reger Informationsaustausch im Hinblick auf die Entwicklung von Umweltkriterienkatalogen und ökologischer 'Codes of Conduct' für die Tourismusindustrie."261

     157. Am 14. Juli 1997 wurde ein deutsch-slowakisches Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes unterzeichnet, das am selben Tag in Kraft trat. Die Zusammenarbeit soll sich insbesondere auf die Untersuchung schädlicher Einwirkungen auf die Umwelt und auf gemeinsame Ausarbeitung von Lösungen konzentrieren. Das Abkommen sieht deshalb eine projektbezogene Kooperation in vielen Bereichen vor. Darüber hinaus soll auch eine enge Abstimmung in internationalen Fragen der Umweltpolitik erfolgen.262

     158. Im Berichtszeitraum leitete die Bundesregierung ferner das Gesetzgebungsverfahren zum Beschluß eines Zustimmungsgesetzes zu dem Abkommen vom 7. April 1994 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes ein. Das Abkommen regelt die Grundlage der Zusammenarbeit beider Länder im Bereich des Umweltschutzes. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich der Zusammenarbeit in den grenznahen Gebieten. In diesen Gebieten sollen Umweltbelastungen erfaßt, bewertet und verringert sowie grenzüberschreitende erhebliche Umweltbeeinträchtigungen verhütet werden. Insbesondere sollen Umweltverträglichkeitsprüfungen für Tätigkeiten mit erheblichen grenzüberschreitenden Umwelteinwirkungen durchgeführt werden sowie ein gegenseitiges Warn- und Informationssystem für Störfälle entwickelt werden.263



    251 Bull. Nr. 56 vom 3.7.1997, 641 f.
    252 Ibid., 642.
    253 Ibid.
    254 Ibid.,643.
    255 Bull. Nr. 55 vom 1.7.1997, 631.
    256 BT-Drs. 13/7779 vom 2.6.97, 6.
    257 BT-Drs. 13/8332 vom 1.8.97, 4.
    258 Ibid., 5.
    259 Ibid., 6.
    260 Ibid., 7.
    261 BT-Drs. 13/7321 vom 24.3.97, 16.
    262 Umwelt Nr. 11/1997, 450.
    263 BT-Drs. 13/7556 vom 28.4.97, 11.