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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


XIV. Außenwirtschaftsverkehr und Welthandelsordnung

3. Sonstige Einzelfragen

     165. Internationales Finanzsystem

     Im Rahmen des VIP-Panels des Weltbankforums am 27. Januar 1999 in München äußerte sich die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Wieczorek-Zeul vor dem Hintergrund der Asien-Krise zur Rolle der internationalen Finanzinstitutionen bei der Bewältigung von Finanzkrisen wie folgt:

     "Wachstum ist nicht per se Entwicklung. Dies hat die Finanzkrise in Asien schlagartig erhellt. Viele Millionen Menschen sind in die Armut zurückgefallen. (...) Wir müssen alles daran setzen, den Schaden einzudämmen.
     Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die Regionalbanken haben hier eine entscheidende Rolle zu spielen. Der Internationale Währungsfonds muß sich der Überwachung der internationalen Finanzströme annehmen, die Weltbank muß die langfristigen sozialen, ökologischen und politischen Fragen ins Zentrum ihrer Bemühungen rücken. Dazu gehören die Unterstützung demokratischer Strukturen, der Kampf gegen Korruption, die Stärkung des Bildungs- und Gesundheitssektors, die Bewahrung der Umwelt und die Beachtung kultureller Bezüge. Ich sehe mit Sorge, daß die Krisenkredite der Weltbank zu Lasten langfristiger Entwicklungsaufgaben gehen. (...)
     Deutschland stärkt die internationalen Finanzierungsorganisationen. Deutschland hat deshalb vor kurzem bei den Wiederauffüllungsverhandlungen für die IDA (International Development Association), dem Herzstück der Weltbank, einen positiven Kurswechsel gegenüber der Planung der alten Regierung vollzogen. Wir beteiligen uns mit 11 Prozent am IDA, das heißt aus dem Haushalt des BMZ werden 2,2 Millionen D-Mark für die Jahre 1999 bis 2002 bereitgestellt."434

     Die Ministerin hob in diesem Zusammenhang ferner acht zentrale Herausforderungen der Wirtschafts- und Entwicklungspolitik hervor: Erstens müsse sich angesichts der Globalisierung der Probleme auch die Politik globalisieren, daß heiße globale Verantwortung übernehmen und Strukturen aufbauen, die globales Handeln ermöglichten. Zweitens seien Instrumente dieser sogenannten "Global Governance" internationale Normsetzungen und internationale Regime. Diese seien zu wichtigen Bausteinen der Weltordnungsarchitektur geworden. Dabei sei nicht ausgeschlossen, daß die "Global Governance" auf regionalen Kernen aufbaue, für die es fast in allen Weltregionen Anzeichen gebe. Drittens sei bemerkenswert, daß im Bereich der ökologischen Globalisierung "Global Governance" bereits kräftig vorangeschritten sei. Die entsprechenden Umweltkonventionen seien Vorreiter für "Global Governance" und eilten dem ökonomischen Bereich weit voraus. Viertens betonte die Ministerin, daß eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik auch regulatorische Schritte vor allem für Finanz- und Währungsmärkte umfassen müsse. Deshalb werde zum Beispiel für den G 7-Gipfel an der Gestaltung einer Finanzarchitektur gearbeitet. Dazu gehöre unter anderem eine verbesserte Transparenz des internationalen Finanzmarktsystems und eine verbesserte Bankenaufsicht. Fünftens hob die Ministerin hervor, daß die ökonomische Globalisierung und der weltweite Kampf um Wettbewerbsvorteile zu Lasten des Umweltschutzes gehen könnten. In den Industrieländern fürchte man, daß der mühsam erreichte Standard des nationalen Umweltschutzes durch billigere Importe aus Ländern mit geringeren oder fehlenden Umweltauflagen untergraben werden könnte. Zusätzlich werde die Umwelt geschädigt. Sechstens äußerte die Ministerin die Auffassung, daß es Aufgabe der Entwicklungspolitik sei, international gültige Mindest-Sozialstandards zu vereinbaren und ihre Einhaltung sicherzustellen. Ferner müssten - siebtens - in der zukünftigen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit Lateinamerika neue Akzente gesetzt werden. Dabei stünden soziale Gerechtigkeit, der Schutz der Menschen- und Bürgerrechte sowie die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Vordergrund. Schließlich erklärte die Ministerin, daß für den G 7-Gipfel in Köln eine Entschuldungsinitiative für die ärmsten Länder erarbeitet und vorgeschlagen worden sei, die vom Grundgedanken ausgehe, Schuldenerleichterungen zu koppeln an die Berücksichtigung von rechtsstaatlichen Prinzipien und das Umsteuern in Richtung auf eine nachhaltige und auf die Beseitigung von Armut und Ungleichbehandlung gerichtete Entwicklung.435

     In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Lötzer und Kutzmutz sowie der Fraktion der PDS begrüßte die Bundesregierung am 3. März 1999 die Entscheidung der G 7-Finanzminister und -Zentralbankpräsidenten auf ihrem Treffen am 20. Februar 1999 in Bonn, ein Financial Stability Forum einzusetzen.436 Vor dem Hintergrund andauernder Kritik an der vom IWF empfohlenen Austeritätspolitik erklärte die Bundesregierung weiterhin in bezug auf die Rolle des IWF im Kontext der ökonomischen Krisen in Asien, Rußland und Lateinamerika:

     "Grundsätzlich muss gelten, daß Krisenmaßnahmen die spezifischen Umstände der betroffenen Länder berücksichtigen müssen. Im Rückblick läßt sich zumindest in einigen Fällen sagen, daß sowohl Krisenursachen als auch das Ausmaß der Probleme z.B. in den Finanzsektoren der asiatischen Krisenländer zunächst nicht ausreichend erkannt wurden. Die Krisenreaktionsfähigkeit der internationalen Institutionen wird gegenwärtig verbessert.
     Die Bundesregierung und die anderen G 7-Länder sowie Vertreter aus weiteren Industrie- und Schwellenländern werden diese und andere damit in Zusammenhang stehende Fragen auf einer Konferenz am 1. März 1999 in Bonn erörtern. Die Ergebnisse dieser Konferenz und der weiteren internationalen Tagungen werden in die Beratungen der Staats- und Regierungschefs auf dem Kölner Gipfel einfließen.
     Bemühungen um bessere Arbeitsteilung und intensivere Zusammenarbeit zwischen Weltbank und IWF sind im Gange. Insbesondere ist zu begrüßen, daß die Weltbank zum einen jetzt verstärkt an der Restrukturierung der Finanz- und Unternehmenssektoren in den Entwicklungsländern mitwirkt und zum anderen in Krisenzeiten auch auf die soziale Absicherung der Armen und anderer gefährderter Gruppen setzt."437

     Bei einem hochrangigen Treffen von Vertretern des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen mit Vertretern der Bretton Woods-Institutionen am 29. April 1999 in New York äußerte sich die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Wieczorek-Zeul zum internationalen Finanzsystem und zur Entwicklungsfinanzierung:

     "1. The countries of the European Union were, and indeed still are, prepared to lend adequate support in times of financial crisis. We should not, however, be providing public funds to cover private investors' risks, nor should we assume the function of the international financial institutions. We believe that it is, above all, the responsability of the IMF to offer liquidity assistance, whilst the multilateral development banks are responsible for long-term development financing aimed at achieving structural change.
     2. We welcome the fact that the multilateral development banks are considering expanding their range of instruments for mobilising private capital within a socially equitable and ecologically sustainable strategy for development.
     3. In addition, official development assistance (ODA) is very important, especially for least developed countries. (...) The EU calls upon all donor countries to commit themselves to this.
     If the efficiency, effectiveness and significance of development co-operation is to be enhanced, the coherence and complementarity of assistance must be improved and the absorptive capacity of the partner countries taken into account. (...)
     4. The European Union recognizes the importance of solving the unsustainable debt burden of the heavily indebted poor countries and welcomes the initiatives put forward by several creditor countries including EU-Members aiming at delivering deeper, broader and faster debt reduction and linking debt relief more closely to poverty reduction. This should be done in the context of an appropriate burden sharing among creditors.
     5. (...) Unless sufficient domestic financing for productive investment is available, development cannot be sustained in the long term without an excessive burden of debt again being accumulated. Efforts must be undertaken in both the public and the private sector, firstly in order to stabilise state revenue by means of a fair system of taxation and efficient tax administration, and secondly in order to mobilise more domestic capital by means of a functioning, private sector-based financing sector that is subject to effective bank supervision.
     6. (...) Financing for development means that the recipient countries themselves must create the fundamental institutional safeguards needed to ensure that financing of whatever kind will indeed have a positive impact on development. Here, I am talking about rules on competition, about financial sector reform, transparency, rule of law, about a public spending structure that makes adequate provision for society's poor in particular by means of social investments and the establishment of a safety net, core labour standards and also about democratic control of state action. Precisely in order to integrate these social aspects more strongly into the work of the Bretton Woods Institutions, the Development Committee discussed and welcomed a document on the 'Principles and Good Practice on Social Policy' and reaffirmed the leading role of the UN on establishing principles."438

     Der Bericht zur Stärkung der internationalen Finanzarchitektur, den die Finanzminister der G 7-Staaten zum Weltwirtschaftsgipfel in Köln vom 18. bis 20. Juni 1999 vorlegten, enthält Vorschläge zu konkreten Reformen des internationalen Finanzsystems mit folgenden Schwerpunkten:

     - Stärkung und Reform der internationalen Finanzinstitutionen und Vereinbarungen;

     - Erhöhung der Transparenz und Förderung bewährter Praktiken;

     - Stärkung der Finanzaufsicht in den neuen Industrieländern;

     - Stärkung der makroökonomischen Politik und der Finanzsysteme in den Schwellenländern;

     - verbesserte Krisenvermeidung und -bewältigung sowie Einbindung des Privatsektors;

     - Förderung der Sozialpolitik zum Schutz der armen und schwächsten Gesellschaftsgruppen.439

     Die Minister äußern in ihrem Bericht die Auffassung, daß mit diesen Vorschlägen, zu deren Umsetzung sie sich verpflichteten, das Risiko künftiger Finanzkrisen gemindert werde und diese besser bewältigt werden könnten.440

     Der Bericht der G 7-Finanzminister war Thema einer Kleinen Anfrage im Deutschen Bundestag.441

     166. Im Rahmen einer Großen Anfrage einzelner Abgeordneter und der Fraktion der PDS teilte die Bundesregierung am 20. Oktober 1999 in bezug auf ihre Position hinsichtlich der Einführung eines internationalen Kartellrechts mit:

     "Mit der fortschreitenden Liberalisierung des Welthandels und der zunehmenden internationalen Verpflechtung der Märkte ('Globalisierung') verbessern sich die Voraussetzungen für die Entfaltung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs der Unternehmen. Die Möglichkeit, in andere Märkte vorzudringen, eröffnet auch den deutschen Unternehmen neue Absatz- und Wachstumschancen. Dies trägt zur Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze im Lande bei. Dasselbe gilt für den Marktzutritt ausländischer Unternehmen in Deutschland. Aber nicht nur als Arbeitnehmer, sondern auch als Verbraucher profitieren die Menschen von der internationalen Präsenz der Unternehmen. Denn der wachsende Konkurrenzdruck auf nationalen Märkten verbreitert und verbessert das Leistungsangebot. Außerdem begrenzt er Preiserhöhungsspielräume.
     Um im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben oder in neue Märkte hineinwachsen zu können, müssen sich die Unternehmen den veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Zu diesem Zweck kann es notwendig werden, mit anderen Unternehmen zu kooperieren oder sich mit ihnen zusammenzuschließen. Gesamtwirtschaftlich sind Übernahmen und Fusionen Ausdruck des Anpassungsprozesses an sich ändernde Rahmenbedingungen. Sofern sie nicht zu Wettbewerbsbeschränkungen führen, sind sie damit langfristig eine wesentliche Voraussetzung für anhaltendes reales Wachstum und einen hohen Beschäftigungsgrad. Aus Sicht der Bundesregierung besteht die Aufgabe einer verantwortungsvollen Wettbewerbspolitik darin, die Voraussetzungen für den wettbewerblichen Vorstoß der Wirtschaft in die erweiterten Handlungsräume des gemeinsamen europäischen Marktes und der zunehmend globalisierten Märkte zu verbessern.
     Andererseits wäre nichts gewonnen, wenn der Abbau zwischenstaatlicher Handelshemmnisse durch privat veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen ausgehöhlt würde. Da solchen Marktabschottungen mit nationalen Wettbewerbsgesetzen allein nicht oder nur unzureichend begegnet werden kann, strebt die Bundesregierung im Rahmen der WTO ein multilateral vereinbartes Regelwerk auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts an, das die beteiligten Staaten verpflichtet, auf nationaler Ebene bestimmte, den Wettbewerb sichernde Kernprinzipien zu etablieren und für deren Einhaltung zu sorgen. Insbesondere sollten sogenannte hard core Kartelle wirksam bekämpft und die Voraussetzungen für eine internationale Zusammenarbeit im Wettbewerbsbereich verbessert werden. Um die Einhaltung der multilateralen Regeln zu gewährleisten, sollten sie auf lange Sicht auch in das Streitschlichtungsverfahren der WTO einbezogen werden. Eine Überprüfung von Entscheidungen in konkreten Einzelfällen ist jedoch nicht beabsichtigt.
     Der Ziel-Katalog der Bundesregierung für eine grenzüberschreitende Wettbewerbspolitik deckt sich mit dem Vier-Punkte-Programm, das die EU-Kommission Anfang Juli 1999 für die neue WTO-Runde vorgelegt hat. Damit soll ein Grundrahmen für internationale Wettbewerbsregeln geschaffen werden. Die Bundesregierung unterstützt das Bemühen der EU-Kommission um ein Mandat für die Aufnahme von Verhandlungen über dieses Programm durch die nächste WTO-Ministerkonferenz in Seattle.
     Im Bereich der Fusionskontrolle befindet sich die Diskussion auf internationaler Ebene insgesamt noch in einem Anfangsstadium. Die Bundesregierung erwartet aber, daß das Bedürfnis für international abgestimmte Mechanismen der Fusionskontrolle allmählich wachsen wird. Deshalb sollte auch der Bereich der Fusionskontrolle künftig in die internationale Zusammenarbeit verstärkt einbezogen werden. Als ersten Schritt strebt die Bundesregierung eine engere Kooperation der Wettbewerbsbehörden der hauptsächlich betroffenen Länder an, um die Fusionskontrolle der wichtigsten Industriestaaten im Einzelfall verstärkt aufeinander abzustimmen."442

     Auf die Frage, welche Schritte sie einzuleiten gedenke, um die Konflikte zwischen den widersprechenden Entscheidungen nationaler Kartellämter zu minimieren, solange kein internationales Kartellrecht existiere, erklärte die Bundesregierung:

     "Nach Auffassung der Bundesregierung läßt sich die Gefahr widersprechender Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden durch den Abschluß zwischenstaatlicher Verträge auf der Grundlage der sog. positive comity minimieren. Beispielhaft dafür ist das im Jahre 1998 von der EU und den USA geschlossene Abkommen, das sich zunächst nur auf die Verhaltenskontrolle bezieht. Positive comity bedeutet, daß die Vertragspartei, die ihre Interessen durch wettbewerbswidriges Verhalten von Unternehmen im Gebiet der anderen Partei beeinträchtigt sieht, im Vertrauen auf die Gesetze und Anwendungspraxis der anderen Partei eigene Ermittlungen und Durchsetzungsmaßnahmen zurückstellt.
     Über eine verbesserte Zusammenarbeit der nationalen Wettbewerbsbehörden wird in verschiedenen internationalen Organisationen (z.B. der OECD, der WTO, UNCTAD) diskutiert. Ein besonderes Problem stellt dabei der Austausch vertraulicher Informationen zwischen den Wettbewerbsbehörden dar. Der sensible Umgang mit Geschäftsgeheimnissen erfordert eine Lösung, die auch den berechtigten Interessen der Unternehmen Rechnung trägt."443

     Ferner nahm die Bundesregierung wie folgt Stellung zum 1993 vorgelegten Vorschlag eines Draft International Antitrust Code:

     "Der Draft International Antitrust Code (DIAC) ist ein nach wissenschaftlichen Kriterien konzipierter Entwurf für eine plurilaterale Kartellrechtsvereinbarung im Sinne von Annex 4 zum WTO-Übereinkommen. In seiner konzeptionellen Geschlossenheit und der detaillierten Regelungsbreite beinhaltet der Kodex eine Fülle interessanter Ideen, auch für die politische Diskussion auf internationaler Ebene. Es wäre allerdings verfrüht, schon heute darüber spekulieren zu wollen, welche zentralen Elemente des DIAC in ein internationales Kartellrecht Eingang finden werden und welche nicht."444

     167. Im Rahmen einer Kleinen Anfrage betreffend die Verhandlungen über die Revision der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen teilte die Bundesregierung am 10. Dezember 1999 mit, daß sie für eine substantielle Überarbeitung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen insbesondere in Anpassung an neue Entwicklungen bei internationalen Vereinbarungen und Instrumenten eintrete. Als Schwerpunkte für die Revision habe sie eine Verstärkung des Umweltkapitels, die Verbesserung arbeitsrechtlicher Standards sowie eine stärkere Berücksichtigung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung und der Menschenrechte in die Diskussion eingebracht. Unterschiedliche Auffassungen zwischen den OECD-Mitgliedstaaten bestünden vor allem bei umwelt- und arbeitsrechtlichen Fragen, der Einbeziehung der Menschenrechte in die Leitsätze und der Ausdehnung des territorialen Geltungsbereichs auf Nicht-OECD-Staaten. Es sei gegenwärtig nicht absehbar, ob, und in welcher Weise, Interessengegensätze in diesen Punkten überbrückt werden könnten. Die Bundesregierung sei davon überzeugt, daß durch eine geschlossene Haltung der EU-Staaten Fortschritte in diesen Fragen erreichbar seien. Dazu leiste die deutsche Delegation in den OECD-Beratungen und EU-Koordinierungen einen aktiven Beitrag, um einen möglichst hohen Standard der OECD-Leitsätze zu erreichen.445

     Im Hinblick auf die Frage, ob die revidierten Leitsätze der OECD die Kernübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation sowie die Kernforderungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aufnehmen sollten, erklärte die Bundesregierung:

     "Die Bundesregierung tritt für eine vollständige Übernahme der Grundsätze der Kernübereinkommen der IAO in die Leitsätze ein. Ergänzend zu den bereits enthaltenen Prinzipien der Vereinigungs- und Vertragsfreiheit und dem Diskriminierungsverbot hinsichtlich Beschäftigung und Beruf soll das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit neu aufgenommen werden. Eine entsprechende Bestimmung sollte nach Ansicht der Bundesregierung im Sinne der IAO-Erklärung vom 18. Juni 1998 zu den grundlegenden Prinzipien und Rechten am Arbeitsplatz und einschlägiger IAO-Instrumente formuliert werden.
     Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag, die Beachtung der Menschenrechte gemäß der Allgemeinen Erklärung der Vereinten Nationen über Menschenrechte als neues Element in die Leitsätze zu integrieren."446

     Weiterhin teilte die Bundesregierung mit, daß sie es als vordringlich ansehe, die Grundsätze der einschlägigen internationalen Umweltübereinkommen bei der Reform der Leitsätze zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde habe sie einen Hinweis auf die Bestimmungen der Agenda 21 sowohl im Einleitungskapitel als auch im Kapitel über die allgemeinen Grundsätze sowie im Umweltkapitel der OECD-Leitsätze gefordert.447

     168. Durch Gesetz vom 17. Januar 1995 hat der Deutsche Bundestag dem Abkommen vom 17. Januar 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Unabhängigen Staat Papua-Neuguinea zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie dem dazugehörigen Protokoll vom selben Tag und dem Notenwechsel vom 25. Juli 1995/1. Oktober 1996 zugestimmt.448 Das Abkommen folgt der Systematik des OECD-Musterabkommens aus dem Jahre 1992: Art. 1-5 regeln den Geltungsbereich des Vertragswerks und enthalten die für die Anwendung des Abkommens wichtigen Definitionen; Art. 6-22 weisen dem Quellen- bzw. Belegenheitsstaat Besteuerungsrechte für die einzelnen Einkunftsarten und das Vermögen zu; Art. 23 regelt die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat für die dem Quellen- oder Belegenheitsstaat zur Besteuerung überlassenen Einkünfte und Vermögenswerte; und Art. 24-32 betreffen den Schutz vor Diskriminierung, die zur Durchführung des Abkommens notwendige Zusammenarbeit der Vertragsparteien, das Inkrafttreten des Abkommens sowie weitere Fragen. Zugestimmt wurde im Berichtszeitraum ferner dem Übereinkommen vom 21. Dezember 1995 über den Beitritt der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zu dem Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen449 sowie dem Protokoll zur Änderung des Übereinkommens vom 23. Juli über die Beseitigung der Doppelbesteuerung von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen450.

     169. Zu den gescheiterten Verhandlungen im Rahmen der OECD über ein multilaterales Investitionsschutzabkommen (Multilateral Agreement on Investment - MAI)451 äußerte sich die Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage wie folgt:

     "Nach dem Rückzug der französischen Regierung aus den bei der OECD geführten Verhandlungen über ein multilaterals Abkommen für Investitionen (MAI) im Oktober 1998 stellten die übrigen 28 Verhandlungspartner sowie die zu den Verhandlungen zugelassenen 8 Beobachterländer nach informellen Konsultationen am 3. Dezember 1998 fest, daß Verhandlungen über das MAI nicht länger stattfinden. Eine Entscheidung über das weitere Verfahren wird der Ministerrat der OECD auf seiner Tagung im Mai 1999 fällen. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß die OECD durch die analytische Aufbereitung von Investitionsthemen wichtige Beiträge für Diskussionen und Verhandlungen in anderen Gremien (z.B. WTO) leisten kann. Auch ist nach Auffassung der Bundesregierung die OECD in besonderer Weise geeignet, Schnittstellenproblematiken (z.B. Investitionen und Umwelt) zu erörtern.
     Die EU-Mitgliedstaaten streben an, daß auf der WTO-Ministerkonferenz Ende 1999 ein Beschluß über die Einleitung umfassender multilateraler Verhandlungen erzielt wird. Dazu soll auch ein Mandat für Verhandlungen über multilaterale Regeln für Investitionen zählen. Ob ein solches Mandat erreicht wird, erscheint angesichts der kritischen Haltung einer Reihe von Entwicklungsländern zum Thema Investitionen zur Zeit allerdings zweifelhaft. Ziel der Verhandlungen sollte es sein, verbindliche Standards für die Investitionsliberalisierung und den Investitionsschutz auf Basis der Grundprinzipien Nicht-Diskriminierung, Inländergleichbehandlung, Meistbegünstigung und Rechtssicherheit zu setzen. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß von einem derart multilateral vereinbarten Abkommen über verläßliche rechtliche Rahmenbedingungen ein zusätzlicher Anreiz für Investitionen mit positiven Auswirkungen auf Beschäftigung und Wohlstand in den Gastländern ausginge."452

     170. Im Berichtszeitraum traten bilaterale Investitionsschutzverträge mit Saudi-Arabien,453 Katar,454 Ecuador,455 Laos,456 Chile457 sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten458 in Kraft. Zugestimmt wurde dem Vertrag vom 21. Dezember 1995 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armenien über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlangen.459 Die Verträge entsprechen im wesentlichen dem deutschen Mustervertrag über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen. Ihre Bedeutung liegt in der Förderung von Direktinvestitionen durch Gewährleistung des freien Transfers von Kapital und Verträgen, Inländergleichbehandlung und Meistbegünstigung, Enteignungsschutz und Entschädigungspflicht sowie Rechtsweggarantie und internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verträge sind zudem Voraussetzung für die Übernahme von Bundesgarantien für Kapitalanlagen gegen politische Risiken.

     171. Um die Handelsbeziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der EU mit den USA ging es im Berichtszeitraum in einer Kleinen Anfrage einzelner Abgeordneter sowie der Fraktion der CDU/CSU. In ihrer Antwort vom 22. März 1999 teilte die Bundesregierung zunächst mit, daß die USA nach wie vor an der Spitze der Herkunftsländer ausländischer Investoren in Deutschland stünden. Nach der Bestandsstatistik der Deutschen Bundesbank entfielen fast 25 % der unmittelbaren ausländischen Direktinvestitionen auf die USA. Bei diesen Investitionen handele es sich vorwiegend um Unternehmen, die seit längerer Zeit in Deutschland tätig seien. In der Transferstatistik, die die Investitionsströme ausweise, lägen amerikanische Unternehmen zur Zeit eher im Mittelfeld. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, daß Investitionen in Deutschland häufig durch die in Deutschland ansässigen US-Töchter finanziert würden. Diese Investitionen erschienen nicht in der Transferstatistik.460

     Auf die Frage, was sie zur Verringerung der zwischen Deutschland und der EU einerseits, den Vereinigten Staaten andererseits bestehenden nicht tarifären Handelshemmnisse beitragen wolle, erklärte die Bundesregierung:

     "Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, die Beziehungen mit den USA, unserem wichtigsten Handelspartner außerhalb der Europäischen Union, fortlaufend zu vertiefen. Hierzu dient der auf dem EU-US-Gipfel in Washington am 18. Dezember 1998 zwischen beiden Seiten ausgehandelte umfangreiche Aktionsplan zur Schaffung der Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft (TEP). Die Bundesregierung strebt eine zügige Umsetzung des TEP-Aktionsplans und die Präsentation erster Fortschritte bei der Umsetzung auf dem nächsten EU-US-Gipfel am 21. Juni 1999 in Bonn an.
     Nach dem TEP-Aktionsplan sind u.a. konkrete Maßnahmen vorgesehen, die im bilateralen Verhältnis zu einer weiteren Vertiefung der Beziehungen und zum Abbau der bestehenden Handelshemmnisse führen sollen. Im Bereich des Warenverkehrs geht es bei der Beseitigung technischer Handelshemmnisse zum einen um eine Bestandsaufnahme sowie die Aufstellung und Anwendung gemeinsamer allgemeiner Grundsätze für eine wirksame Zusammenarbeit im Bereich Regulierung. Zudem soll das seit Dezember 1998 wirksame EU-US-Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsprüfungen auf weitere Bereiche ausgedehnt werden. Ferner ist die Zusammenarbeit bei der internationalen Normsetzung vorgesehen. Auch im Bereich Dienstleistungen sollen die in Form bestimmter Zulassungsvoraussetzungen bestehenden Handelsschranken durch Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung beseitigt werden. Im öffentlichen Auftragswesen setzen wir uns für eine stärkere Marktöffnung in den USA ein. Ferner wollen wir den Schutz geistigen Eigentums für europäische Unternehmen in den USA weiter verstärken. Im Bereich der Landwirtschaft zielt der Aktionsplan darauf ab, bei Lebensmittelsicherheit, Gesundheit von Pflanzen und Tieren sowie Biotechnologie noch enger zusammenzuarbeiten. (...)
     Im multilateralen Teil setzt der TEP-Aktionsplan auf einen kontinuierlichen Dialog zur Vorbereitung multilateraler Verhandlungen in der Welthandelsorganisation (WTO) zur weiteren Öffnung der Weltmärkte.
     Es bleibt zu hoffen, daß die Umsetzung des TEP-Aktionsplans nicht durch aktuelle EU-US-Handelsstreitfälle gefährdet wird."461

     172. Die Förderung von Wirtschaftsbeziehungen in die GUS-Staaten war im Berichtszeitraum Gegenstand einer weiteren parlamentarischen Anfrage. In ihrer Antwort vom 19. April 1999 äußerte sich die Bundesregierung u.a. zum Instrumentarium, welches sie nutze, um die Liefer- und Leistungsbedingungen insbesondere auch ostdeutscher Unternehmen in die GUS-Staaten zu verbessern, zur Deckungspolitik gegenüber Rußland, der Ukraine und Weißrußland sowie zur Risikoeinschätzung für die osteuropäischen Länder.462

     173. Am 15. Februar 1999 trat das Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 17. Dezember 1997 in Kraft.463 Das Übereinkommen legt fest, daß jede Vertragspartei die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, um nach ihrem Recht jede Person mit Strafe zu bedrohen, die unmittelbar oder über Mittelspersonen einem ausländischen Amtsträger vorsätzlich, um im internationalen Geschäftsverkehr einen Auftrag oder einen sonstigen unbilligen Vorteil zu erlangen oder zu behalten, einen ungerechtfertigten Geldwert oder sonstigen Vorteil für diesen Amtsträger oder einen Dritten anbietet, verspricht oder gewährt, damit der Amtsträger in Zusammenhang mit der Ausübung von Dienstpflichten eine Handlung vornimmt oder unterläßt (Art. 1 Abs. 1). Nach Art. 1 Abs. 2 trifft jede Vertragspartei ferner die erforderlichen Maßnahmen, um die Beteiligung an der Bestechung eines ausländischen Amtsträgers einschließlich der Anstiftung, der Beihilfe und der Ermächtigung unter Strafe zu stellen. Art. 4 regelt die Gerichtsbarkeit der Vertragsparteien nach dem Territorialitäts- und dem aktiven Personalitätsprinzip. Haben bei Verdacht einer in dem Übereinkommen beschriebenen Straftat mehrere Vertragsparteien Gerichtsbarkeit, so sollen die beteiligten Vertragsparteien auf Ersuchen einer dieser Parteien Konsultationen mit dem Ziel führen, die zur Verfolgung am besten geeignete Gerichtsbarkeit zu bestimmen. Art. 9 und 10 betreffen Fragen der Rechtshilfe sowie der Auslieferung.




    434 Bull. Nr. 6 vom 9.2.1999, 65.

    435 Ibid., 65 f.

    436 BT-Drs. 14/492, 1.

    437 Ibid., 3 f.

    438 Permanent Mission of Germany to the United Nations (Anm. 2): http://www.germany-info.org/UN/eu_state_04_29_99.htm.

    439 Bull. Nr. 43 vom 14.7.1999, 455 ff.

    440 Ibid., 454.

    441 BT-Drs. 14/1950.

    442 BT-Drs. 14/1824, 2 f.

    443 Ibid., 5.

    444 Ibid.

    445 BT-Drs. 14/2403, 2.

    446 Ibid., 4.

    447 Ibid.

    448 BGBl. 1999 II, 826.

    449 BGBl. 1999 II, 1010.

    450 BGBl. 1999 II, 1082.

    451 Siehe dazu ausführlich Bank, VRPr. 1997, ZaöRV 59 (1999), Ziff. 193; Raible (Anm. 1), Ziff. 169.

    452 BT-Drs. 14/645, 6 f.

    453 BGBl. 1999 II, 57.

    454 BGBl. 1999 II, 81.

    455 BGBl. 1999 II, 113.

    456 BGBl. 1999 II, 295.

    457 BGBl. 1999 II, 455.

    458 BGBl. 1999 II, 504.

    459 BGBl. 1999 II, 46.

    460 BT-Drs. 14/645, 1 f.

    461 Ibid., 2 f.

    462 BT-Drs. 14/775.

    463 BGBl. 1999 II, 87.