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Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1999


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Silja Vöneky/Markus Rau


III. Staaten und Regierungen

     7. In einer Rede zum Deutsch-Französischen Kolloquium am 25. September 1999 in Genshagen äußerte sich Bundeskanzler Schröder zur deutsch-französischen Aussöhnung:

     "Die deutsch-französische Aussöhnung als Auftrag aus der grausamen europäischen Geschichte dieses Jahrhunderts bleibt der Grundstein im Werk der europäischen Einigung. Ohne den fortschreitenden europäischen Integrationsprozeß - durch Vertiefung und Erweiterung der Union - werden wir die Zukunft unseres Kontinents nicht gestalten können. Frankreich und Deutschland - es gilt, sich dies immer wieder klarzumachen - bleiben dabei die Schwungräder des Einigungsprozesses in Europa. Ohne Frankreich und Deutschland, ohne die gewachsenen deutsch-französischen Beziehungen, würde dieser Prozeß nicht gelingen können. (...) Heute ist ein souveränes Deutschland mit Europa verwoben - nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch in seiner Identität. Es gibt auch in Berlin keinen neuen Wilhelminismus. Wir hegen keine Ressentiments. Wir haben keinen Nachholbedarf an Anerkennung."22

     8. In seiner Rede vor beiden Kammern des Parlaments von Rumänien am 24. September 1999 in Bukarest äußerte sich Bundeskanzler Schröder zu dem Stabilitätspakt für Südosteuropa, der auch für Rumänien besondere Bedeutung besitzt:

     "Der von der deutschen EU-Präsidentschaft initiierte Stabilitätspakt für Südosteuropa ist eines der wichtigsten europäischen Projekte in den kommenden Jahren. Der Balkan ist - wie alle Regionen auf unserem Kontinent - eine wirkliche Gemeinschaftsaufgabe. Sicherheit, Frieden und Demokratie müssen in unserem Haus Europa unteilbar sein. Unteilbar heißt, daß sie für alle Völker Europas Wirklichkeit werden müssen. Es geht nicht an, daß in einem Teil unseres Kontinents die Menschen Sicherheit, Freiheit und Wohlstand genießen, während sie in einem anderen Teil sich selbst und den bösen Geistern eines aggressiven Nationalismus überlassen bleiben."23

     9. Staatsminister Verheugen äußerte sich im März 1999 in einer tschechischen Zeitung zu den deutsch-tschechischen Beziehungen und erklärte, daß auf staatlicher und politischer Ebene die Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftigen Entwicklung vom 21. Januar 1997 zum entscheidenden Ausgangspunkt für die Neugestaltung der Beziehungen wurde.24 Er betonte, daß Deutschland hinter diese Festlegung nicht mehr zurückgehen werde. Von den zwei durch die Deutsch-Tschechische Erklärung geschaffenen Institutionen, dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum, habe insbesondere der Zukunftsfonds bereits einen beachtlichen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen der Länder geleistet. Im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union um die Tschechische Republik erklärte der Staatsminister:

     "Weil wir Deutschen die Tschechen mit dem weiteren Aufbau eines friedlichen und prosperierenden Europas so dringend brauchen, liegt die Erweiterung der Europäischen Union um die Tschechische Republik im genuinen deutschen Interesse. Die Aufgabe genießt hohe Priorität für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wie darüber hinaus. (...)
     Die eingeleitete Öffnung der Union nach Osten und Südosten ist viel mehr als nur eine Erweiterung: Mit ihr wird die Nachkriegszeit samt ihrer schmerzlichen Trennlinien endgültig überwunden. Darin liegt die ganz besondere Qualität dieser Beitrittsrunde und deshalb ist die Erweiterung alternativlos. Die Öffnung der Union nach Osten und Südosten ist aber nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern vor allem eine strategische Grundsatzentscheidung, die den politischen und wirtschaftlichen Interessen der jetzigen wie der künftigen Mitglieder entspricht. Frieden und demokratische Stabilität werden für ganz Europa langfristig gesichert."25

     10. Bei dem Staatsbesuch des Präsidenten der Republik Mazedonien vom 6. bis 11. Juni 1999 betonte Bundespräsident Herzog am 7. Juni 1999, daß es Mazedonien mit großem Geschick gelungen ist in einem unfriedlichen Umfeld einen Kurs friedlicher Verhandlungen zur Lösung außenpolitischer Probleme zu steuern, und daß diese Politik das Muster der Zukunft für Südosteuropa sei. Da die Unterstützung Mazedoniens in dieser schwierigen Zeit nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit sei, sondern der einzige Weg, um der Stabilisierung des Balkans eine Chance zu geben, sei er froh, daß konkret über einen Stabilitätspakt verhandelt werde. Auch Südosteuropa gehöre in die europäische Wertegemeinschaft.26

     11. Der Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt Voigt bewertete in der Berliner Morgenpost vom 14. Juni 1999 die deutsch-amerikanischen Beziehungen als eine "Partnerschaft neuer Qualität":27

     Nach seiner Ansicht habe die Zeitenwende vor 1989 die Rolle der USA als führende Weltmacht unterstrichen, aber nicht grundsätzlich verändert. Dagegen habe sich Deutschlands Lage mit dem Ende des Ost-West-Konflikts und der Auflösung des Warschauer Paktes einschneidend gewandelt.

     Die Partnerschaft zwischen Amerika und Deutschland bzw. Europa habe unter diesen Umständen eine neue Qualität bekommen. Beide Seiten seien auf absehbare Zeit nicht mehr den Gefahren eines weltweiten Nuklearkrieges oder eines großen konventionellen Angriffs ausgesetzt. Beide Seiten würden sehen, daß sie nur dann eine Chance haben die internationale Kriminalität zu bekämpfen, die Weiterverbreitung von Atomwaffen und anderen gefährlichen Waffensystemen zu verhindern, sowie ihre eigenen demokratischen, menschenrechtlichen und wirtschaftlichen Wertvorstellungen und Interessen international zu fördern, wenn sie in Europa und weltweit an einem Strang ziehen. Die europäisch-amerikanische Partnerschaft beginne, immer mehr Elemente der Gleichberechtigung zu enthalten. Wo es unterschiedliche Auffassungen gebe, werde die EU, ebenso wie Deutschland selbst, den eigenen Standpunkt auch gegenüber den USA in Zukunft mit wachsendem Selbstbewußtsein zur Geltung bringen. Denn beide Seiten hätten auch dort, wo sie nicht gleich mächtig sind, gleichermaßen legitime Interessen.

     In vielen Bereichen habe die transatlantische Verflechtung einen Grad angenommen, der innenpolitische Qualität erreiche. Die Probleme, die es zwischen beiden Seiten gebe, seien daher nicht Ausdruck einer wachsenden Entfremdung, sondern Ausdruck von Auffassungs- und Interessenunterschieden angesichts zunehmender Nähe. Da es im transatlantischen Verhältnis, anders als im Prozeß der europäischen Integration, keine Instrumente gebe, die der demokratischen Kontrolle in der traditionellen Innenpolitik vergleichbar seien, komme es immer wieder auch zu öffentlich ausgetragenen Konflikten, ohne daß die traditionellen Konfliktregulierungsmechanismen parallel zu wachsenden, quasi "innenpolitischen" Verflechtungen beider Seiten des Atlantiks miteinander ausreichend erweitert worden wären.

     Sobald es um Überzeugungen und Werte gehe, seien die Kompromißmöglichkeiten der einzelnen Regierungen sehr viel stärker eingeschränkt als im Bereich der Wirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik. Die transatlantischen Debatten um Themen wie Hormonfleisch, gentechnisch veränderte Pflanzen, Todesstrafe, Scientology oder zum Umgang mit von den Amerikanern sogenannten "rogue states" wie Irak, Iran, Libyen, Kuba oder Nordkorea zeigten dies.28




    22 Bull. Nr. 66 vom 12.10.1999, 662.

    23 Bull. Nr. 60 vom 1.10.1999, 609 ff.

    24 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes: http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/presse/index_html; Pressemitteilungen, Reden, Namensartikel und Interviews für das Jahr 1999 sind im Pressearchiv des Auswärtigen Amtes zu finden, dessen Dokumente im Internet unter der genannten Adresse abrufbar sind. Wird im folgenden auf das Pressearchiv des Auswärtigen Amtes Bezug genommen, so wird das nur unter Hinweis auf diese Quelle getan. Vgl. zu den deutsch-tschechischen Beziehungen auch Raible (Anm.1), Ziff. 9.

    25 Ibid.

    26 Bull. Nr. 36 vom 9.6.1999, 373 f.

    27 Pressearchiv des Auswärtigen Amtes (Anm. 24): http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/infoservice/presse/index_html.

    28 Ibid.