DFG-gefördertes Forschungsprojekt. Laufzeit 2018-2021
Die wachsende Bedeutung privater Akteure, ihre Relevanz, Macht und Legitimität in der Global Governance fordern das Menschenrechtsregime und die ihm zugrunde liegende Konstellation zwischen privater und öffentlicher Sphäre heraus.
Das vorliegende Projekt rekurriert auf das Menschenrechtsregime der Vereinten Nationen, um die Rolle von Wirtschaftsunternehmen in der Global Governance aus der Perspektive internationaler politischer Theorie zu diskutieren. Das Projekt entwickelt dafür das Konzept einer interdependenten Triade zwischen a) Menschenrechtsverantwortung, b) Legitimität und c) Macht. Auf dieser Grundlage wird, erstens, die These von Unternehmen als gesellschaftlichen Akteuren diskutierbar, da sie sich weder als rein private noch als öffentliche Akteure definieren lassen und somit die zwei-polige Konstellation zwischen privat und öffentlich überschreiten. Zweitens wird das Konzept einer komplementären Menschenrechtsverantwortung entwickelt und analysiert, inwiefern es einer möglichen Privatisierung des Menschenrechtsregimes vorbeugen kann.
Eine empirische Fallstudie, die die skizzierten konzeptuellen Diskussionen prüfen und weiterentwickeln kann, bieten die aktuellen Kontroversen in der Open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights (OEIWG) des UN-Menschenrechtsrats, die das Ziel eines völkerrechtlich verbindlichen Menschenrechtsvertrags für Unternehmen verfolgt. Erstens fordert sie den weitestgehend weichen und auf Freiwilligkeit beruhenden Charakter privater Governance und der privaten Rolle von Unternehmen heraus. Zweitens verändert sie die für das Völkerrecht charakteristische Dichotomie zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Drittens trägt sie zu einer Ausweitung und gleichzeitigen Regulierung unternehmerischer Macht und Legitimität in der Global Governance bei. Das vorliegende Projekt wird mit einer qualitativen Inhaltsanalyse der Prozesse innerhalb der OEIWG die erste systematische Analyse dieses vielschichtigen, hoch politisierten und relevanten Vorhabens in den Vereinten Nationen bereitstellen. Ziel ist es, sowohl die divergierenden Konzepte als auch ihre normative Kriterien zu erarbeiten, um die sich wandelnden Formen und Interdependenzen zwischen Macht, Legitimität und Menschenrechtsverantwortung zu erfassen, die gesellschaftliche Rolle von Unternehmen in der Global Governance zu charakterisieren und deren Einfluss auf das Menschenrechtsregime zu bestimmen.
Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 398306144.
PD Dr. Janne Mende leitet das Projekt seit 2018, zunächst am Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen und seit 2020 am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, wo sie eine W2-Forschungsgruppenleitung angetreten hat. Zuvor war sie u.a. Vertretungsprofessorin für Transnational Governance an der Technischen Universität Darmstadt. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen Menschenrechte, Global Governance, internationale Institutionen und transnationale Normen. Zu ihren Veröffentlichungen zählen „Global Governance und Menschenrechte: Konstellationen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit“ (Nomos 2020), „A Human Right to Culture and Identity? The Ambivalence of Group Rights” (Rowman & Littlefield International 2016) sowie “Begründungsmuster weiblicher Genitalverstümmelung. Zur Vermittlung von Kulturrelativismus und Universalismus“ (Transcript 2011).
Anneloes Hoff war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt seit 2020 und forscht im Feld Unternehmen und Menschenrechte. Ihr interdisziplinäres Forschungsprofil basiert auf ihrem DPhil und einem MPhil in Socio-Legal Studies an der University of Oxford sowie ihrem BA (Hons) in International Law and Politics am University College Roosevelt (Universität Utrecht). Ihre Dissertation untersuchte die Corporate-Social-Responsibility-Praxen eines Goldminen-Unternehmens und wurde durch 15 Monate Feldforschung in Kolumbien fundiert.
Marcel Frentzel ist wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt seit 2018. Seit Herbst 2019 studiert er im Master Demokratie und Governance an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seinen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft und Philosophie absolvierte er 2019 an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in dem Bereich der Demokratietheorie, der Internationalen Politischen Theorie sowie der Wissenschaftstheorie.