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Entstehung und Demokratisierung der europäischen Gesellschaft. Ein Rechtsgespräch mit Armin von Bogdandy

Bislang weitgehend unbemerkt postuliert der Vertrag von Lissabon in Artikel 2 EUV die Existenz einer europäischen Gesellschaft. Der Entstehung dieser europäischen und demokratischen Gesellschaft widmete sich mit Armin von Bogdandy in einer Veranstaltung der Reihe Recht im Kontext an der HU Berlin. Nach einer Begrüßung und Einführung durch Christoph Möllers (HU Berlin) stellte Armin von Bogdandy dem zahlreich im Auditorium des Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum erschienenen Publikum Kernthesen seines Buch Strukturwandel des öffentlichen Rechts (Suhrkamp 2022) vor. Angesichts der voranschreitenden Entwicklung des europäischen öffentlichen Rechts verspreche der Begriff einer europäischen demokratischen Gesellschaft eine Antwort auf die Frage, ob sich Demokratie auch ohne Identität und ohne traditionelle, nationalstaatliche Formen kollektive Selbstbestimmung denken lasse. In seinem Vortrag zeichnete von Bogdandy den Strukturwandel des europäischen Rechts von seinen Ursprüngen im staatszentrierten Recht der europäischen Mächte bis zur normativen Struktur einer europäischen demokratischen Gesellschaft nach. Dabei verteidigte er die Möglichkeit eines europäischen Rechts ohne europäische Staatlichkeit und einer europäischen Demokratie ohne europäisches Wir. Der in der deutschen Rechtstradition seit Hegel dominante und im 20. Jahrhundert durch Carl Schmitt nochmals enggeführte Staatszentrismus könne die Stärke der europäischen Gesellschaft und das Artikel 2 EUV innewohnende sozial-normative Substrat nicht erfassen. Die inneren Konflikte des heutigen Europas ließen sich jedoch besser greifen und bearbeiten, wenn sie als Konflikte innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft und nicht als Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten verstanden würden, so der Autor. Ausgehend von diesen grundsätzlichen Überlegungen umriss Armin von Bogdandy eine Reihe möglicher Reformen mit dem Ziel einer fortschreitenden Demokratisierung des europäischen Rechts, darunter die Einführung des Mehrheitsprinzips in den Räten, die Stärkung des Parlaments und die Verstetigung des Programms Next Generation EU, einschließlich der Einrichtung einer europäischen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Regierungskriminalität. Die anschließende Diskussion wurde von Christoph Möller moderiert und gab Raum für einen angeregten Austausch mit dem Publikum.

Bericht: Malte Spielmann


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Armin von Bogdandy, Strukturwandel des öffentlichen Rechts Entstehung und Demokratisierung der europäischen Gesellschaft (Berlin 2022: Suhrkamp)